Supply-Chain-Management (SCM)/Woran die Reorganisation häufig scheitert

Ohne Change-Management kein Projekterfolg

08.03.2002
Die Fähigkeiten der Mitarbeiter an neue Aufgaben anpassen, ihre negative Einstellung zum Information-Sharing verändern, ihnen die Furcht vor der Transparenz und die Angst vor jeder Veränderung nehmen - bei vielen Projekten werden diese Aufgaben vernachlässigt. Das rächt sich vor allem bei den hochkomplexen Reorganisationen der Supply Chain. Von Dirk Wollschläger und Thomas Vels*

Im Rahmen der Supply-Chain-Reorganisation werden zumeist Aufgaben in neuen Verantwortungsbereichen zusammengefasst. Typische Ziele einer solchen Reorganisation sind:

- verkürzte Reaktionszeiten,

- effektive und effiziente Erbringung von Dienstleistungen,

- Transparenz der operativen Kosten und Dienstleistungen,

- bessere Integration von Lieferanten und Kunden sowie

- niedrigere Kosten durch Schaffung eines Gesamtoptimums in der Supply Chain.

Derartige Vorhaben scheitern selten an der fachlichen Konzeption oder der Umsetzungsplanung, sondern meist daran, dass der Faktor Mensch vernachlässigt wird.

Neben der organisatorischen und prozessualen Abbildung des neuen Supply-Chain-Managements (SCM) müssen also die betroffenen Mitarbeiter intensiv durch die Veränderung begleitet werden. Change-Management ist keine von Beratern geschaffene Worthülse, sondern ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Das gilt vor allem für Reorganisationsprojekte im Bereich des SCM, wo oft eine große Anzahl von Organisationseinheiten involviert ist.

Was ist Change-Management? Hinter diesem Begriff verbirgt sich ein Prozess, der die Einstellung und das Verhalten eines Unternehmens mit der Veränderung von Strukturen, Prozessen und Systemen in Einklang bringen soll. Im Einzelnen gilt es, folgende Herausforderungen zu meistern:

- die Anpassung der Mitarbeiterfähigkeiten,

- die zumeist negative Einstellung zum Information- und Knowledge-Sharing,

- die Furcht vor zunehmender Transparenz sowie

- die generelle Angst vor jeglicher Veränderung.

Wie wichtig es ist, diese Faktoren in den Griff zu bekommen, bestätigt eine empirische Untersuchung, die PWC Consulting vor einigen Jahren vorgenommen hat. Dort wird deutlich, dass mit Change-Management nicht die Erstellung von Newslettern gemeint ist, sondern ein ganzes Bündel von Maßnahmen, die - systematisch angewandt - den Erfolg der Reorganisationsprojekte wirksam unterstützen. Deshalb sind die Führungskräfte eines Unternehmens gut beraten, ihren Mitarbeitern eine entsprechende Einstellung vorzuleben. Workshops an externe Moderatoren zu delegieren ist wenig sinnvoll.

Im Regelfall erfolgt die Veränderung bei einer Systemimplementierung nur in eine Richtung; bei der Reorganisation der Supply Chain hingegen sind mehrere Dimensionen zu modifizieren. Dazu zählen beispielsweise die organisatorische Verankerung, die Vorgesetzten, der Standort, das Aufgabengebiet, der Arbeitsplatz und der Kollegenkreis. Überflüssig, darauf hinzuweisen, dass die Komplexität auch mit der Zahl der betroffenen Mitarbeiter steigt und dass bei Initiativen im Bereich der Supply Chain meist sehr viele Mitarbeiter betroffen sind. Jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf Veränderungen im Unternehmen. Deshalb sind vor und nach jeder Kommunikationsmaßnahme die Wahrnehmungen und Eindrücke der Mitarbeiter zu überprüfen.

Die Veränderung gezielt steuernDa diese Aufgabe nicht von einer Person allein bewältigt werden kann, kommen die Unternehmen kaum ohne Change-Manager oder Change-Agents aus. Diese sollen die verschiedenen Strömungen aufnehmen und auf die betroffenen Mitarbeitergruppen eingehen, um den Veränderungsprozess gezielt steuern zu können. Der eine Mitarbeiter signalisiert mit "Ich sehe, was die Veränderung für mich heißt", dass er die Bedeutung seines Engagements für den Veränderungsprozess erkannt hat. Ein anderer suggeriert mit "Man hat mich über etwas informiert" lediglich sein Bewusstsein über eine mögliche Veränderung. In diesem Fall sind Informationsrunden erforderlich, die ihm Detailkenntnisse vermitteln und aus dem Betroffenen einen Beteiligten machen, der den Veränderungsprozess aktiv unterstützt.

In diesem Kontext lassen sich fünf Ebenen der Einbindung von Betroffenen identifizieren:

- das Bewusstsein des Mitarbeiters, dass etwas im Unternehmen passiert, das ihn betrifft,

- das Verständnis und die realistische Einschätzung der Veränderungen,

- das Akzeptieren der Veränderungen, die Zustimmung zu den Fakten und den Konsequenzen,

- eine positive Einstellung gegenüber den Veränderungen und eine aktive Unterstützung sowie

- das proaktive Gestalten der Veränderung.

Das Change-Management von Reorganisationsprojekten weist im Wesentlichen vier Bausteine auf: Organisationsdesign, Kommunikation, Personal und Training. Bei der Neugestaltung der Supply Chain müssen zunächst die Designkriterien und die Ziele festgelegt werden. Daraus lässt sich eine Soll-Beschreibung der neuen Organisation erstellen.

Sind die Aufgaben und Verantwortlichkeiten neu strukturiert und die Definition von Schnittstellen zwischen den Organisationseinheiten festgelegt, so stehen Stellenbeschreibungen, Rollenprofile und deren Performance-Kennzahlen auf dem Plan. Wer das nicht berücksichtigt, wird kaum eine Antwort auf Fragen der Mitarbeiter nach ihrer Zukunft vorzuweisen haben.

Was aber nutzt ein hochmotivierter Mitarbeiter, der nicht auf seine neue Aufgabe vorbereitet ist? Ein Training ist nicht nur bei Systemumstellungen erforderlich, sondern auch dann, wenn sich der Arbeitsprozess im Rahmen einer Reorganisation ändert. Leider wird dies häufig vergessen. Die Folge ist ein Missverhältnis zwischen den neuen Aufgaben und der Art und Weise, wie sie erledigt werden - nämlich genau so wie vor der Reorganisation. (qua)

*Dirk Wollschläger und Thomas Vels sind Partner im Bereich Consumer and Industrial Products der Pricewaterhouse-Coopers Unternehmensberatung GmbH (Büro Düsseldorf).

Abb: Die Grundbausteine

Die Change-Management-Elemente ziehen sich durch alle Projektphasen. Quelle: PWC Consulting