Abkommen beinhaltet Übernahme von Netware in den HP- Vertrieb

Novell und HP arbeiten an einem gemeinsamen RISC-Server

20.12.1991

DÜSSELDORF/BÖBLINGEN (gh) - Eine weitere strategische Partnerschaft meldet die Novell Inc. Die Netzwerk-Company schloß mit dem kalifornischen Hardware-Anbieter Hewlett-Packard ein weitreichendes Entwicklungs- und Vertriebsabkommen geplant ist unter anderem die Konzeption einer Netware-Version für HPs PA-RISC-Systemarchitektur. Darüber hinaus wird das Unternehmen aus Palo Alto Novells Netware über die eigenen weltweiten Vertriebskanäle anbieten.

Beide Hersteller streben nach übereinstimmenden Mitteilungen mit der Vereinbarung eine engere Kooperation auf dem Gebiet unternehmensweiter Vernetzungslösungen an. Im ist zunächst vorgesehen, daß Novell sein Netzwerk-Betriebssystem Netware an HPs RISC-Systemarchitektur Precision Architecture (PA-RISC) anpaßt. Der Netzwerkprimus aus Provo nimmt damit neben dem Unix-PC-Markt - durch die Kooperationen mit USL und Sunsoft (vgl. CW Nr. 46 vom 15. November 1991, Seite 4) - auch den Bereich der Unix-Workstations ins Visier und implementiert Netware erstmals auf einer im Markt fahrenden RISC-Architektur. Die Federführung in der Entwicklung wird bei Novell liegen, mit einer entsprechenden Produktankündigung sollen die Anwender bereits in der zweiten Jahreshälfte 1992 rechnen können.

Nach Angaben von Kai Leonhardt, Pressesprecher der Novell Deutschland GmbH, wird Netware für PA-RISC keinerlei Unterstützung durch ein anderes Betriebssystem benötigen und sich dadurch wesentlich von den bisherigen Netware-Fileserver-Konfigurationen für Minicomputer - Netware for VMS und Portable Netware unterscheiden. Mit Hilfe dieser Produkte konnte bisher, so der Novell-Verantwortliche, nur ein Code implementiert werden, der die wesentlichen Netware. Funktionen Apikationen unter dem Unis-Betriebssystem zur Verfügung stellte. Bei künftigen PA-RISC-Servern in Novell-Netzen soll hingegen, so Leonhardt, "Netware 3.11 in seiner gesamten Bandbreite das Betriebssystem sein".

Der Novell-Sprecher sieht in dem jüngsten Engagement seines Unternehmens nicht nur eine weitere Festigung des Unix-Standbeines, vielmehr gehe es laut Leonhardt darum, Netware als prozessorunabhängiges Betriebssystem zu etablieren. Bisher sei, so Leonhardt, Native Netware ausschließlich als Fileserver-Betriebssystem für PCs mit Intel-80x86-Prozessoren einsetzbar - dies müsse sich unter strategischen Gesichtspunkten ändern, denn "der Intel-Prozessor ist auf Dauer nicht der Weisheit letzter Schluß". Unabhängig davon soll Netware für PA-RISC in seiner Funktionalität exakt der Version für Rechner mit x86-Prozessoren entsprechen und dadurch die Integration von Systemen unter DOS, OS/2, dem Macintosh-Betriebssystem und Unix in einem Netz sowie die Mini- und Host-Anbindung unterstützen.

HP-Features für Novell-Produkte

Zweiter wesentlicher Bestandteil der Kooperation ist die Vermarktung der gesamten Novell-Produktpalette - einschließlich Netware - über die Direktvertriebskanäle von HP. Die kalifornischen RISC-Spezialisten werden dabei nach eigenen Angaben Novell-Standardprodukte um HP-spezifische Leistungsmerkmale wie User-Interface und Fileserver-Performance erweitern und zusammen mit unternehmensweiten Netzwerk-Lizenzen ihren Großkunden Lösungen aus einer Hand anbieten.

"Wir sehen die Netware-Basis als bedeutenden Markt für Server-Rechner", kommentierte der Sprecher der deutschen HP-Dependance, Horst Kiel, den Profit, den sein Brötchengeber aus dem Deal mit Novell ziehen will. Mit Netware als Türöffner könnten die Verantwortlichen in Palo Alto zudem, wie in Branchenkreisen spekuliert wird, neben ihrem guten Standing im Bereich der Unix-Workstations offensichtlich auch versuchen, die Tür zum kommerziellen PC-Massenmarkt zu öffnen, um im Konzert der großen PC-Anbieter eine wichtigere Rolle zu spielen.

HP unterstützt und vermarktet darüber hinaus auch, wie aus dem Abkommen hervorgeht, Portable Netware auf seinen PA-RISC-Computern der Systemfamilie HP 9000 unter dem Unix-Betriebssystem HP-UX sowie für die HP 3000-Systemfamilie unter dem Betriebssystem MPE/iX. Beide Versionen sind laut HP bereits heute verfügbar. Ebenfalls lieferbar sind Novell-spezifische Produkte für die HP-Laserjet-Drucker und die elektrostatischen HP-Design-Jet-Plotter in Form von Netz-Schnittstellenkarten für Ethernet und Token Ring. Auch bei der Entwicklung weiterer Drucker und Plotter wollen beide Firmen eng kooperieren.

Novell beabsichtigt zudem, Elemente der objektorientierten Anwendungsumgebung HP New-Wave sowie des Network-Licensing-Systems (Netls) in Netware zu integrieren, entsprechende Features werden dem Vernehmen nach noch 1992 angekündigt. Vorgesehen ist auch eine Zusammenarbeit bei der Integration von Novells MHS-Umgebung mit Electronic-Mail-Systemen von HP auf Basis der ISO-OSI-Standards X.400 und X.500.