Alles aus der Cloud

Nachlese zu den World Hosting Days

02.04.2015
Von 
Dr. Carlo Velten schreibt als Experte zu den Themen Cloud-Platforms und -Developers, Enterprise Cloud Management und Digital Business. Dr. Carlo Velten ist CEO des IT-Research- und Beratungsunternehmens Crisp Research AG. Seit über 15 Jahren berät Carlo Velten als IT-Analyst namhafte Technologieunternehmen in Marketing- und Strategiefragen.
Die „World Hosting Days“ haben in diesem Jahr eindrucksvoll illustriert, mit welch großen Schritten sich die Hosting-Branche in Richtung IT-as-a-Service bewegt.
Hosting-Firmen müssen sich zum Thema "Infrastructure-as-a-Service" (IaaS) neue Konzepte ausdenken, um ihre bestehenden Kunden bei der Stange zu halten.
Hosting-Firmen müssen sich zum Thema "Infrastructure-as-a-Service" (IaaS) neue Konzepte ausdenken, um ihre bestehenden Kunden bei der Stange zu halten.
Foto: Mathias Rosenthal/Shutterstock.com

Wird in den Medien über Cloud Computing berichtet, fallen meist stereotyp die Namen der vier großen US-Public Cloud Provider. Dass aber ein Großteil der Cloud-Dienste von den klassischen Hosting- und Managed Hosting Providern erbracht werden, bleibt dabei vielfach unerwähnt.
Als Fachmesse, mit über 6.000 Teilnehmern aus 80 Ländern, sind die "World Hosting Days" (WHD) in Rust das Stimmungsbarometer der IT-Infrastruktur- und Hosting Branche. Und zudem eine exzellente Möglichkeit für Networking und die Anbahnung von Geschäften und Kooperationen.

Das haben auch die Technologieausrüster und Software-Anbieter realisiert, die bereit sind, immer höhere Preise für die Ausstellungsflächen und Sponsoring-Pakete rund um die WHD zu bezahlen. Im Gegensatz zu den Mega-Messen wie CeBIT und Co. bieten die WHD einen klaren Fokus auf die Bedürfnisse der Hosting Firmen. Und diese haben sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt.

Im Hintergrund steht immer mehr die Frage nach der richtigen Hardware- und Serverauswahl. Viel relevanter ist demgegenüber die Auswahl der richtigen Cloud-Management und DevOps-Werkzeuge geworden, um einerseits die eigenen Administrations- und Provisionierungsprozesse zu automatisieren sowie andererseits die Self-Service- und Konfigurationsmöglichkeiten für die Kunden zu verbessern. Hinzu kommt die Frage nach zusätzlichen (White-Label)-Softwarelösungen, um das eigene Portfolio um weitere Cloud-Dienste, wie zum Beispiel Backup-as-a-Service oder Digital Marketing als SaaS, auszubauen. Nach einer Vielzahl von Gesprächen und Eindrücken, blieben von den WHD folgende Trends im Gedächtnis:

Infrastructure-as-a-Service - nun auch mit Mehrwert

Im Wettbewerb mit den globalen Giganten AWS, Azure und Google müssen sich die Hosting Firmen zum Thema "Infrastructure-as-a-Service" (IaaS) neue Konzepte ausdenken, um ihre bestehenden Kunden bei der Stange zu halten sowie neue, im Feld der Developer als auch der Großunternehmen, zu gewinnen. Denn in diesen beiden Segmenten fallen derzeit viele Entscheidungen hinsichtlich der Providerauswahl für neue, digitale und Cloud-basierte Workloads. Mit Value-Add-Services in Bereichen wie Back-Up und Disaster Recovery lassen sich Unternehmensanwender gut locken.

So erfreuen sich beispielsweise die Technologieanbieter Veeam, Acronis und Nutanix derzeit großer Beliebtheit bei Hosting Providern. Ebenso gefragt sind gut strukturierte und professionell gestaltete "Managed Services", die von vielen Unternehmenskunden benötigt und eingefordert werden. Denn gerade im Mittelstand kennen sich die Administratoren mit dem Provisionierungs- und Kapazitätsmanagement hoch virtualisierter und automatisierter Umgebungen noch nicht so gut aus. Hier müssen sich viele Hoster noch umstellen, die in den vergangenen Jahren primär auf das Massengeschäft mit kleineren Kunden fokussiert waren.

Foto: Crisp Research AG

OpenStack - Das neue Gegengewicht zu AWS und Azure

Auch ließ sich auf den WHD 2015 gut beobachten, dass das Open Source-basierte Cloud Management Framework "OpenStack" weiter ein hohes Momentum hat. So stellen sich viele Hosting Provider derzeit die Frage, welches technologische Fundament sie für die nächste Generation ihrer IaaS- und SDN-Dienste einziehen sollen. Da sich gerade mittelständische und große Unternehmen für offene und standardisierte Cloud-Plattformen zum Aufbau und Betrieb hybrider Cloud-Umgebungen interessieren, wird OpenStack zu einer Grundsatzfrage der kommenden Jahre. So beschäftigen sich schon 29 Prozent aller Cloud-Anwender intensiv mit dem Thema OpenStack, wie eine aktuelle Studie von Crisp Research bei 700 IT-Entscheidern zeigte.

OpenStack wird sich in den kommenden Jahren sukzessive zum strategischen Gegengewicht zu AWS und Microsoft Azure entwickeln und damit einer der Top 3 Cloud-Plattformen. So war auch OpenStack-Pionier Mirantis in diesem Jahr auf den WHD vertreten und in intensivem Dialog mit einer ganzen Reihe von Hosting Providern. Mit über 450 zertifizierten OpenStack-Spezialisten und einer globalen Organisation mit mittlerweile 600 Mitarbeitern zählt Mirantis zu den Wegbereitern von OpenStack und wird neben den Linux-Distributoren Red Hat und Canonical die strategische Entwicklung von OpenStack in den kommenden Jahren maßgeblich prägen. Dass deutsche Hoster vereinzelt schon eigenes OpenStack-Know How aufgebaut haben, beweisen Beispiele wie Teuto.net aus Bielefeld (TeutoStack) oder auch Host Europe aus Köln.

Digital Marketing und eCommerce

Über 50 Milliarden Euro werden allein in Deutschland im eCommerce umgesetzt - Tendenz steigend. Auch wird für Unternehmen aller Größenklassen die digitale Beziehung zu ihren Kunden immer zentraler. Der integrierte und optimierte Betrieb von eCommerce und digitalem Marketing (Web Analyse, SEO, Re-Targeting, Display Ads etc.) muss auch für kleine und mittelständische Unternehmen beherrschbar sein.
Für Hosting Provider werden demnach Softwarelösungen und Service-Plattformen immer wichtiger, die ihren Kunden entsprechende Marketing-Services bieten, bzw. den Aufbau einer modernen Customer Web Experience ermöglichen. Auf den WHD konnten beispielsweise Weebly oder rankingcoach mit ihren Partnerprogrammen und Services zeigen, wie für Hoster daraus ein gemeinsames Business wird.

Von der Infrastruktur-Vermietung zum Cloud Service Business

Trotz des Wettbewerbs durch globale Cloud-Konzerne, profitieren die Hosting Firmen immer noch überdurchschnittlich von der generellen Auslagerung von IT-Workloads. So wächst die Branche mit knapp 8-10 Prozent noch fast fünfmal schneller als der IT-Gesamtmarkt. Das darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es für viele kleinere und mittelgroße Hoster immer schwieriger wird ihre Cloud-Transformation erfolgreich zu gestalten. Denn zum Wandel auf die Technologie-Seite kommt vor allem eine Neuorientierung im Portfolio- und Produktmanagement - weg von der reinen Infrastruktur hin zu Value Add-Services (Back-Up, Disaster Recovery, DevOps-Unterstützung), neuen Workloads (eCommerce, Digital Marketing, IoT) und vor allem mehr User Experience und Dienstleistungsqualität. Kein leichtes Spiel! (bw)