Politiker fordern Bündnis für die digitale Unterschrift

Mit der E-Signatur lässt sich kein Geld verdienen

21.06.2002
BERLIN (ba) - Trotz regen Interesses scheint die elektronische Unterschrift keine Zukunft zu haben - dieser Eindruck zumindest erhärtete sich auf den Berliner Signaturtagen. Nachdem die Deutsche Post ihr Trust-Center Signtrust geschlossen hat, standen vielmehr Zweifel am Geschäftsmodell und Fragen, wie es weitergeht, im Vordergrund.

"Der Markt für die elektronische Signatur entwickelt sich nicht so schnell wie erwartet", räumt Alfred Tacke, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, anlässlich seiner Eröffnungsrede bei den Signaturtagen in Berlin ein. Es sei eine Illusion, dass alle möglichen Interessenten sofort einsteigen würden. Vielmehr müsse man sich auf einen längeren Entwicklungsprozess einstellen.

Signalwirkung für eine weitere Verbreitung der E-Signatur erhoffen sich die Politiker von dem E-Government-Projekt "Bund Online 2005". Innerhalb der nächsten drei Jahre sollen rund 370 Dienstleistungen von Bundesbehörden online gestellt werden, erklärt die Staatssekretärin im Bundesinnenministerium Brigitte Zypries. Davon würden rund ein Viertel mit elektronischen Signaturen arbeiten.

Allerdings verläuft die Strategie der Bundesregierung nicht besonders geradlinig, kritisiert Alexander Roßnagel von der Universität Kassel. So stattet beispielsweise der Deutsche Bundestag, der die strengen Sicherheitsregeln der qualifizierten E-Signatur festgelegt hat, seine eigene IT-Infrastruktur mit der fortgeschrittenen Signatur aus, deren Sicherheitsansprüche auf einer deutlich niedrigeren Stufe rangieren. Deshalb sei es schwer, gegenüber Unternehmen und Bürgern die Anwendung der qualifizierten Signaturvarianten zu vertreten. Eine einheitliche technische Basis würde die Sache vereinfachen.

Für Alexander Tettenborn, Mitarbeiter des Wirtschaftsministeriums, ist die Entwicklung der Signatur eine Frage des "Habenwollens". Die Vorwürfe, die Sicherheitsanforderungen seien zu hoch und die Technik zu kompliziert, seien im Grunde nur vorgeschobene Argumente. So entsprächen die Vorgaben den EU-Richtlinien, und das Einrichten einer Signatur sei auch nicht schwieriger als die Anmeldung eines Handys. "Im Grunde wollen wir die elektronische Signatur nicht und suchen nach Ausflüchten", resümiert Tettenborn.

Dieses Dilemma bekommen in erster Linie die Anbieter von elektronischen Signaturen zu spüren. Als erstes Unternehmen hat vor wenigen Wochen Signtrust, das Trust-Center der Deutschen Post, die Notbremse gezogen und seinen Rückzug aus diesem Geschäftsfeld erklärt. Nach Ansicht von Clemens Beckmann, E-Business-Chef der Post, sei die Zeit dafür noch nicht reif. Vor allem von Seiten der öffentlichen Hand hätte sich Signtrust mehr Unterstützung gewünscht. Noch vor wenigen Monaten hatten die Verantwortlichen verkündet, man wolle 2004 etwa 50 Millionen Euro umsetzen und damit die Gewinnschwelle erreichen.

Insider spekulieren bereits über weitere Pleiten. So stehe beispielsweise bei der Telekom die Trust-Center-Tochter Telesec auf dem Prüfstand. Bernd Kowalski, Chef von Telesec, versucht, diese Bedenken zu zerstreuen. Die Telekom werde sich aus diesem Markt nicht verabschieden, beteuert er.

Der Rückzug von Signtrust hat für deutliche Irritationen im Markt gesorgt. So leistet sich Andreas Ziska, Chef von D-Trust, am Ende seines Vortrags während der Signaturtage einen peinlichen Versprecher: "Was lehrt uns der Rückzug von D-Trust?" fragt er das Publikum. Gemeint hat er jedoch die ehemalige Konkurrenz Signtrust. Getroffen hat der Ausstieg der Post vor allem kleinere Anbieter. Olaf Franke von der Medizon AG, die einen Teil ihrer Infrastruktur bei Signtrust angemietet hat, räumt ein, er wisse nicht, wie es weitergehe. Auch Alexander Benesch von der Notarkammer muss seinen "Signaturlieferanten" wechseln. Schadenersatzforderungen will er nicht ausschließen.

Doch wer mit der elektronischen Signatur schnelles Geld verdienen möchte, ist hier fehl am Platz, erklärt Michael Leistenschneider von der Datev. Während Aktiengesellschaften wie die Post mit Signtrust unter dem Druck ständen, profitabel arbeiten zu müssen, könne sich die Datev als Genossenschaft mehr Zeit lassen. Momentan sei der Markt im Grunde nur für E-Business-Profis interessant, die rechtsverbindliche Geschäfte online regeln wollten. Bis sich daraus ein Massenmarkt entwickle, könnten noch zehn Jahre vergehen.

Die aktuellen Zahlen unterstreichen die düstere Prognose. Experten zufolge sind deutschlandweit höchstens 40000 Signaturkarten ausgegeben, davon allein 16 000 in der Landesverwaltung Niedersachsen, die jedoch laut Einschätzung von Insidern kaum genutzt würden. Die Signaturanbieter klagen ebenfalls über geringe Nutzerzahlen. Laut Benesch besitzen lediglich 100 der 11000 organisierten Notare eine entsprechende Karte. Von den 3800 Mitgliedern der Steuerberaterkammer arbeiten ganze 28 mit einer E-Signatur, berichtet Geschäftsführerin Marga Künne.

Auch bei den Pilotprojekten von Media@Komm knirscht Sand im Getriebe, berichtet Busso Grabow vom Deutschen Institut für Urbanistik in Berlin. So mussten die Zeitvorgaben der Projekte, die ursprünglich auf 2002 terminiert waren, bis nächstes Jahr verlängert werden. Ein Grund dafür seien Probleme mit der Signatur. So hätten die Mitarbeiter bei den Vorzeigeprojekten in Bremen, Nürnberg und Esslingen auf Kooperationen mit Banken gesetzt. Nachdem diese jedoch kein Geschäftsfeld in Sachen digitale Signatur erkannten, mussten eigene Entwicklungen aufgesetzt werden. Die Bürger wollen sich keine Karten und Lesegeräte anschaffen, wenn sie kaum etwas davon haben, interpretiert Grabow die Tatsache, dass in den drei Städten zusammen nur 3600 Karten ausgegeben worden sind. "Es fehlt der Impuls."

Um dem abzuhelfen, fordern Anbietervertreter eine Public Private Partnership für die digitale Signatur. Eine Media@Komm-Gruppe, die sich als "Esslinger Dutzend" bezeichnet, verlangt ein stärkeres staatliches Engagement. Falls der Staat die Signatur wünsche, müsse er sie einführen oder einen Markt dafür schaffen, heißt es in ihrem Forderungskatalog. Vertreter der Politik setzen auf ähnliche Ideen. So bietet Staatssekretär Tacke der Wirtschaft ein Bündnis für die digitale Signatur an. Damit könne der Markt am ehesten einen Schub erhalten. Auch ein elektronischer Personalausweis mit integrierter Signatur sei denkbar. Eine entsprechende Machbarkeitsstudie werde in Kürze in Auftrag gegeben.

Insider wollen an den Erfolg dieser Initiative jedoch nicht so recht glauben. Von dem durch Staatssekretärin Zypries beschworenen Impuls durch die E-Government-Initiative würden nur die Behörden profitieren, da die meisten Bürgerkontakte auf Kommunalebene abliefen. Ob sich die Anschaffung einer Signatur für den einen Umzug innerhalb von zehn Jahren oder die wenigen Kindergartenanmeldungen lohne, sei zweifelhaft.

Behördenintern müssten zunächst die Verfahren und Prozesse im Vordergrund stehen. Außerdem könnte in einigen Bereichen eine Neuorganisation notwendig werden. Doch dies sei in aller Regel nicht so einfach. Jürgen Schwemmer, Leiter des Referats Elektronische Signatur bei der Regulierungsbehörde, vergleicht einen solchen Umstellungsprozess mit der Verlegung eines Friedhofes, bei der man die Bestatteten um ihre Mitwirkung bitte. Unter diesen Voraussetzungen werde man die Signatur gleich mitbeerdigen können, schimpfen die Kritiker auf Behördenseite.

Voraussetzungen für die elektronische Signatur

Wer mit einer elektronischen Signatur arbeiten möchte, benötigt eine entsprechende Signaturkarte und ein Lesegerät, das an den Rechner angeschlossen wird. Auf der Signaturkarte ist der private Schlüssel des Nutzers gespeichert. Damit lassen sich digital vorliegende Dokumente mit einer elektronischen Unterschrift versehen. Der Empfänger kann in dem asymmetrischen Signaturverfahren mit Hilfe des öffentlichen Schlüssels des Absenders, der im Netz frei verfügbar ist, die Authentizität des Dokuments verifizieren.

Eine Signaturkarte bekommt man von einem der 15 in Deutschland tätigen Trust-Center. Die Anbieter unterscheiden zwischen der fortgeschrittenen sowie der qualifizierten Signatur, wobei es bei der qualifizierten Signatur noch darauf ankommt, ob sie von einem akkreditierten Anbieter stammt. Die höchsten Anforderungen werden an die qualifizierte Signatur eines akkreditierten Anbieters gestellt. So wird genau auf die Einhaltung des Signaturgesetzes geachtet, und die technischen Voraussetzungen des Anbieters werden ständig überprüft. Dafür verspricht dieser Signaturtyp Rechtssicherheit. Für die fortgeschrittene Signatur sind dagegen keine Sicherheitsnachweise erforderlich. Zwar lässt sich auch damit die Authentizität von Dokumenten gewährleisten, ein Rechtsanspruch darauf ist mit der fortgeschrittenen Signatur jedoch nicht durchzusetzen.

Bei der Datev bekommt man Karte und Lesegerät zurzeit für fünf Euro im Monat. Dies sei jedoch ein Sonderangebot, mit dem man neue Kunden anlocken möchte, räumt ein Datev-Mitarbeiter ein.