Regierung erwägt Aus für Huawei und ZTE

Keine Technik aus China in deutschen 5G-Netzen?

27.07.2022
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Was das russische Gas in der Energieversorgung ist, sind Huawei und ZTE im 5G-Mobilfunk: Deutschland ist davon abhängig. Deshalb erwägt die Regierung jetzt einen Bann der chinesischen TK-Ausrüster.
Die Bundesregierung erwägt offenbar, Huawei- und ZTE-Technik aus den deutschen 5G-Netzen zu verbannen.
Die Bundesregierung erwägt offenbar, Huawei- und ZTE-Technik aus den deutschen 5G-Netzen zu verbannen.
Foto: Paul McKinnon - shutterstock.com

Die Ampelregierung in Berlin erwägt einen Rauswurf von Huawei und ZTE aus den deutschen 5G-Mobilfunknetzen. Entsprechende Informationen wollen Spiegel und Handelsblatt aus dem Bundesinnenministerium vorliegen. So behält sich das Innenministerium laut Handelsblatt das Recht vor, die Netzbetreiber anzuweisen, kritische Bauteile von "nicht vertrauenswürdigen" Herstellern auszubauen - selbst dann, wenn diese schon in Betrieb sind. Zumal, wenn der weitere Einsatz die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland voraussichtlich beeinträchtigt.

Die Technik der 5G-Netze

Betroffen von einer solchen Entscheidung wären vor allem Telekom, Vodafone und O2/Telefónica. Die Mobilfunkanbieter fahren beim Ausbau ihrer Netze zweigleisig und setzen sowohl auf Equipment der europäischen Anbieter Nokia und Ericsson als auch auf die chinesischen Lieferanten Huawei und ZTE. Allerdings verbauen die Netzbetreiber bereits seit längerem im eigentlichen 5G-Kernnetz nur Equipment der europäischen Anbieter, Hintergrund sind die anhaltenden Diskussionen über die Sicherheit chinesischer Mobilfunkkomponenten. ZTE und Huawei kämen lediglich bei den eigentlichen Antennennetzen zum Einsatz.

Verteuert die Ampel jetzt noch den Mobilfunk?

Dennoch dürfte die Angelegenheit teuer werden, sollte Berlin auf einem Ausbau der Komponenten bestehen. So ist etwa bekannt, dass die Telekom an vielen Standorten 5G nicht neu aufbaut, sondern die bereits vorhandenen 4G/LTE-Komponenten durch eine Art Upgrade aufrüstet. Hierzu können nur kompatible Bauteile des ursprünglichen Lieferanten verwendet werden. Sollte also das Innenministerium einen offiziellen Bann für Huawei- und ZTE-Equipment aussprechen, müssten die Carrier an diesen Standorten ihre Technik grundlegend erneuern. Und dies dürfte sehr teuer werden. So kostet der Rauswurf von Huawei- und ZTE-Technik die USA wohl rund drei Milliarden Dollar. Dort verwendeten allerdings nur einige kleinere ländliche Mobilfunknetzbetreiber die Technik Made in China und nicht landesweit operierende Anbieter wie in Deutschland. Eine entsprechende Entscheidung der Bundesregierung, so wird in Branchenkreisen spekuliert, könnte negative Auswirkungen auf die Mobilfunktarife haben.

Viele Vorwürfe - keine Beweise

Die Diskussion um die Sicherheit der Mobilfunktechnik aus China ist nicht neu. Bereits seit Jahren kursieren seitens der USA und Australien Gerüchte über verbaute Hintertüren und Spionagesoftware in den Produkten von Huawei und ZTE. Bislang konnte jedoch keiner dieser Vorwürfe belegt werden - während die Enthüllungen von Edward Snowden durchaus den Verdacht belegen, dass die USA ihrerseits von ihren Herstellern verlangen, Backdoors einzubauen.

Die rechtlichen Grundlagen

Hierzulande gilt seit der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) 2021 eine Zertifizierungspflicht für kritische Bestandteile von Netzen. Allerdings hat das BSI als zuständige Behörde sein Zertifizierungsprogramm für 5G-Equipment erst zum 1. Juli 2022 eingeführt, so dass Ergebnisse noch ausstehen. Jedoch untersuchte das BSI bereits in der Vergangenheit Huawei-Produkte und konnte dabei keine verdächtigen Sicherheitslücken entdecken.

Bei der jetzigen Diskussion um ein Verbot von Huawei- und ZTE-Technik in den 5G-Netzen stützt sich die Bundesregierung jedoch nicht auf das TKG, sondern auf eine Hintertür im Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, das auch Bestandteil des IT-Sicherheitsgesetz 2.0 ist. Dort heißt es in §9b BSIG, dass die Regierung den Einsatz kritischer Komponenten untersagen kann, "wenn der Einsatz die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland voraussichtlich beeinträchtigt". So befürchten die Ampelkoalitionäre vor den aktuellen politischen Entwicklungen in und im Verhältnis zu China in eine zu starke Abhängigkeit in Sachen Mobilfunktechnik zu geraten. Dabei schwebt die Angst mit, dass die 5G-Netze plötzlich nicht mehr laufen könnten, weil aus China keine Ersatzteile mehr kommen. Oder ein doch verborgener Killswitch betätigt wird.

Was ist mit Private 5G?

Die Argumente und Befürchtungen sind zumindest nachvollziehbar. Doch wenn die Gefahr wirklich so groß ist, stellt sich noch eine andere Frage: Wie sieht es mit den Private-5G-Netzen aus, die zahlreiche Unternehmen derzeit aufbauen? Hier könnte beim Einsatz von Huawei- und ZTE-Equipment die Gefahr der Wirtschaftsspionage drohen. Und da die 5G-Netze mit Blick auf die Robotersteuerung für viele Unternehmen geschäftskritisch sind, könnte für die Wirtschaft eine ähnliche Abhängigkeit wie bei der Chipversorgung entstehen - sprich die Produktion steht, wenn Ersatzteile für 5G fehlen. Diese Überlegungen hat die Politik bisher noch nicht in ihre Erwägungen einbezogen.