KOLUMNE

Keine Garantie fuer IBM-Wohlverhalten

05.02.1993

Just als John Akers mit seinem Ruecktrittsangebot den Platz frei machte fuer einen neuen Chief Executive Officer (CEO), der moeglicherweise nicht aus dem IBM-Management, sondern von aussen kommt, begann der Wert der IBM-Aktie wieder zu steigen. Das ist nun wirklich der Gipfel der Unverbesserlichkeit - als ob mit Akers Ausscheiden die Katastrophe bereits abgewendet sei. Es ist aber auch muessig darueber zu streiten, ob der Edelkarrierist ein solch abruptes Ende seiner CEO-Laufbahn verdient hat. Fest steht, dass das unruehmlichste Kapitel der IBM-Firmengeschichte mit dem Namen John Akers verbunden bleibt: Big Blue, das hat die Aktion der "outside directors" gezeigt, ist nicht mehr Herr im eigenen Hause.

Dies - und nur dies - muss den IBM-Anwendern zu denken geben. Eine Garantie fuer Hersteller-Wohlverhalten, die Investitionen der Kunden zu schuetzen, gibt es nirgendwo, und jetzt eben auch nicht mehr bei der IBM. Doppelte Ironie: Der Mainframe-Marktfuehrer erkennt, dass er der Gefangene seiner eigenen Produktpolitik geworden ist - es den Anwendern beizubringen, steht nicht mehr in seiner Macht. "SAA hin oder her", schrieben wir in der CW-Kolumne vom 20.Juli 1990, "es bleibt allein Sache der IBM, das System /370 zu schuetzen oder sterben zu lassen. Sie wird tun, was sie im Interesse ihrer Aktionaere fuer richtig haelt."

Der Kommentar war voreilig - heute waere er ungenau, um nicht zu sagen: Er wuerde den Tatsachen nicht gerecht. SNA, SAA, AD/Cycle, OS/2, OS/400 etc. hin oder her - die neue IBM-Fuehrungsspitze muss(!) tun, was die Aktionaere im Interesse der IBM fuer richtig halten. Ueber das "Was" duerfte es keine Diskussionen geben. Wende oder Ende? Die Akers-Nachfolger kommen um einschneidende Massnahmen nicht herum. Mit einem weiteren Personalabbau ist es nicht getan. Fuer die IBM-Mitarbeiter waere es ratsam, die falsche Hoffnung fallenzulassen, durch die immer noch loyale Kundenbasis (siehe Thema der Woche, Seite 7) die eigenen Interessen wahren zu koennen.

Traurig genug, aber die DV/Org.-Spezialisten bei den IBM-Kunden stehen vor einer weit schwierigeren Aufgabe. Die Versprechungen der IBM bezueglich SNA, SAA, AD/Cycle, OS/2, OS400 etc. hin oder her: Sie muessen tun, was im Interesse ihrer Unternehmen liegt, ohne sich der Unterstuetzung der Unternehmensleitungen sicher sein zu koennen. Dass es nicht selten der Vorstand war, der es mit IBM wie Eva mit der Schlange hielt, ging im Glanze der blauen Aera voellig unter. Geschaeftsfuehrer gaben in den 70er Jahren gruenes Licht fuer MIS (Management Information Systems), wie sie jetzt gruenes Licht fuer Outsourcing geben: Ueberredete frueher, Enttaeuschte heute - ohne wirklich durchzublicken. Der Kehraus bei IBM koennte eine heilsame Wirkung haben.