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IBM gibt SCO contra

28.07.2003

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - IBM hat Ende vergangener Woche seine Vertriebsmannschaft über seine Haltung zu den jüngsten Attacken der SCO Group in Sache Unix-Copyright informiert. Bob Samson, Vice President Systems Sales, schreibt an seine Leute (und damit auch an die Kunden von Big Blue): "Das scheint ein weiterer verzweifelter, unfairer und ungedeckter Angriff auf Linux zu sein, um aus Kunden Geld herauszupressen, ohne irgendeine faktische Basis dafür vorzuweisen." Im Folgenden heißt es, SCO habe noch immer nicht den Code indentifiziert, der gegen sein Copyright verstoße, noch habe es angeboten, diesen gegenüber der Linux-Gemeinde zu veröffentlichen.

SCO selbst gibt an, den betreffenden Code bereits rund 50 Leuten im Rahmen einer Stillschweigevereinbarung gezeigt zu haben. Zwar will das Unternehmen, das IBM auf drei Milliarden Dollar Schadenersatz verklagt und mit dem Entzug der Lizenz für AIX gedroht hat, öffentlich nicht näher ins Detail gehen. Bekannt ist aber, dass unter anderem die im aktuellen Produktions-Kernel 2.4.x verwendeten Komponenten für Read-Copy-Update (RCU), das Journal File System (JFS) sowie Unterstützung für NUMA (Non-Uniform Memory Access) von Unix System V abgekupfert sein sollen. IBM weist dies von sich.

Samson verweist in seinem Memo außerdem darauf, dass SCO schließlich selbst bis vor kurzem eine eigene Linux-Distribution unter GPL (GNU Gerenal Public License) vertrieben habe. "Diese garantiert eine kostenlose Copyright-Lizenz und legt fest, dass Nutzer das Recht haben, den Code weiterzugeben", so Samson. "SCO hat nicht erklärt, wie es angesichts dessen nun seine Ansprüche geltend machen will."

SCO sieht das allerdings etwas anders. Firmensprecher Blake Stowell erklärte, es gehe gar nicht um die GPL, denn SCO halte die Rechte an Unix und habe dessen Code niemals unter der Open-Source-Lizenz veröffentlicht. "Ein Produkt zu verteilen ist nicht das Gleiche wie zu einem Produkt beizutragen", so Stowell. Die bloße Verteilung von unter GPL lizenzierter Software reiche nicht aus, der Copyright-Inhaber müsse den Code bewusst als quelloffen freigeben. Rechtsexperten sind sich uneins, welche Seite im Recht ist.

Allzu viele Anwender lassen sich offenbar jedenfalls von SCOs Aktivitäten nicht abschrecken. Nach Messungen von Netcraft beispielsweise hat Linux allein in den vergangenen zwei Monaten 100 neue Unternehmens-Websites erobert. Als Migrationskunden nennen die britischen Marktforscher unter anderem Royal Sun Alliance, Deutsche Bank, Sunguard, T-Online und Charles Schwab. Als Gründe für die anhaltende Popularität von Linux mutmaßen die Experten, dass viele IT-Praktiker in Unternehmen SCOs Vorgehen noch gar nicht auf dem Schirm hätten beziehungsweise nicht an dessen Erfolg glaubten. Andere würden einfach einer zuvor festgelegten Migrationsstrategie folgen.

Netcraft verfolgt 24.000 Websites, die von 1500 großen Unternehmen betrieben werden. Deren Liste entnimmt das Institut der "Fortune 1000", der "Financial Times 500" sowie verschiedenen regionalen FT-Indizes. Damit sei es wahrscheinlich, dass die Netcraft-Liste weitgehend identisch mit 1500 Unternehmen sei, die SCO dieses Jahr bereits angeschieben hatte, um sie vor möglichen juristischen Folgen ihres Linux-Einsatzes zu warnen, so Netcraft. (tc)