Hinter Halle 3 beginnt die CeBIT

27.10.1989

Im Wunderland der Messen, gemeint ist natürlich die Bundesrepublik, besucht beinahe jeder Mittelständler die Show-Veranstaltungen der Computerindustrie. Doch der Schein trügt. Beispiel SYSTEMS: Der Ärger beginnt schon mit dem Messekonzept - die Industrieautomation (Stichwort: C-Techniken) läßt sich nun einmal als Themenschwerpunkt nicht ausgrenzen. Und dann soll man den Leuten nicht einreden, diese Messe sei auf "Systeme", auf integrierte Lösungen ausgerichtet. Das war einmal. Die "alte" SYSTEMS fand heuer noch in den Hallen 1 bis 3 statt, dahinter begann der Komponenten-Basar, sprich: "die CeBIT".

Das akute Problem der Münchner Messegesellschaft besteht darin, daß sie ungewollt das Gute will - und gleichwohl Unfrieden sät; das akute Problem der Dame DV-Industrie dagegen ist, daß sie sich bewußt in die Schizophrenie treiben läßt - Harakiri-Kandidaten alle beide.

Messe-Manager Gerd vom Hövel macht - Riem im Sinn - aus der Platznot eine Tugend und preist das Small-is-beautiful-Konzept der SYSTEMS. In der Beschränkung (Bürokommunikation: ja; aber keine Großstände, kein CIM, keine Kids) zeige sich - Spitze gegen Hannover - der Messemeister. Doch viele Aussteller meutern, wollen mehr - wenn auch ohne Mehrkosten. So setzen die DV-Firmen ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel. Denn es ist ein offenes Geheimnis, daß sich viele Anbieter teure Messen eigentlich nicht mehr leisten können.

Insbesondere die etablierten Hersteller stecken in der Klemme: Gegen den Trend zu Standards läuft nämlich gar nichts. Der Druck geht von öffentlichen Auftraggebern und großen Unternehmen aus. Zunehmend gefragt sind Konzepte, die Inkompatibilitätsgrenzen überwinden, Lösungen, die nicht mehr von Hardware- und Betriebssystembindungen geprägt sind. Schlimm für IBM & Co.: Die Produkte werden austauschbar. Im PC-Markt ist dieser Prozeß bereits in vollem Gange.

Dramatische Veränderungen zeichnen sich auch im Mainframe- und Minicomputerbereich ab: Datenverarbeitung am Arbeitsplatz wird immer mehr das Normale, was in der Folge Zentralrechner-Installationen, die noch auf Lochkarten gebaut sind (Beispiel: IBM 1370), zu Investitionsruinen verkommen läßt.

Apropos Ruinen: Es bleibt die Frage, ob Riem als Supermesseplatz überhaupt gebraucht wird. Der Commodity-PC auch 1995 noch eine Besucherattraktion? Software für Fliesenleger und Steuerberater: Eyecatcher again? Der Computer als Telefon: Ach, wie aufregend!

Es dürfte nicht dazu kommen. Ohnehin wird sich alles noch einmal schrecklich ändern in dieser Branche - pro Anwender, versteht sich.