Hat ERP-Wartung durch Dritte eine Zukunft?

29.11.2007
SAP will seine Konzerntochter vor allem wegen der Verstrickung in den Konflikt mit Oracle loswerden. Doch die Frage, ob ERP-Wartung durch Dritte überhaupt eine Geschäftschance birgt, steht wieder im Raum.

Noch steht nicht fest, an wen SAP die Firmentochter TomorrowNow verkauft, doch hat der Konzern deutlich gemacht, dass er Wartungsangebote für fremde Geschäftsapplikationen nicht als lukrativen Geschäftszweig ansieht. Die Strategie, über preiswerte Wartungsangebote Nutzer von Oracle-Programmen auf die SAP-Umgebung zu ziehen, ist nicht aufgegangen.

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TomorrowNow bietet Nutzern von Softwareprodukten der zum SAP-Rivalen Oracle gehörenden Hersteller Peoplesoft, J.D. Edwards und Siebel Wartungsdienste an, die wesentlich günstiger sind als die vom Hersteller selbst. SAP hatte TomorrowNow nicht nur wegen der Wartungsservices gekauft, vielmehr sollten die Kunden aus dem Oracle- ins SAP-Lager gelockt werden. "Die Anwender der älteren Oracle-Programme hatten kein Interesse an einem Upgrade und hatten längerfristig vor, auf ein anderes System zu wechseln", erläutert David Bradshaw, Principal Analyst beim britischen Marktforschungsunternehmen Ovum. "Sie mussten, da die Oracle-Software nicht mehr unter die Standardwartung fiel, höhere Wartungsgebühren abführen." Auf solche wechselwilligen Unternehmen stützte die SAP ihre Abwerbungsversuche.

Billige Wartung für alte Software

Drittwartungsfirmen wie TomorrowNow können günstigere Preise bieten als der Hersteller, da alte Software vergleichsweise wenig Unterstützung erfordert und nur noch wenige Fehler durch Patches zu beseitigen sind. In der Regel benötigen Anwender am meisten Support vom Hersteller, wenn sie eine neue Lösung einführen.

Die Rechnung der Walldorfer ging indes nicht auf. SAP zufolge wirft die Tochter keine Profite ab, was der Konzern denn auch als Hauptgrund nennt, sich von TomorrowNow zu trennen. Weit mehr zu den Verkaufsabsichten bewogen haben dürfte SAP aber, dass die Tochterfirma Auslöser eines für das Image des deutschen Konzerns äußerst schädlichen Rechtstreits mit Oracle ist. Der amerikanische Softwareriese hatte SAP in den USA wegen des Diebstahls von Daten verklagt.

Rechtsstreit mit Oracle

SAP hat zugegeben, dass TomorrowNow-Mitarbeiter Fehler begangen haben. Wartungstechniker hatten mit den Zugangsdaten eines Wartungskunden nicht nur für diesen, sondern für viele andere Klienten Informationen und Patches von für Softwarekunden aufgestellten Support-Servern von Oracle heruntergeladen und auf TomorrowNow-Servern gespeichert. Ob dies ausreicht, um SAP wegen Datendiebstahls zum Schadenersatz zu verpflichten, wird sich erst zeigen.

Laut SAP hat die Firmentochter diese Praktiken aufgegeben. Nunmehr gelangen für die Softwarewartung erforderliche Oracle-Daten direkt und ohne Sammel-Download auf die Rechner der jeweiligen Firma, die ihre Systeme von der SAP-Tochter warten lässt.

Durch die Trennung von der Wartungstochter kann sich SAP zwar nicht der juristischen Verantwortung entziehen, sich aber zumindest etwas aus der Schusslinie bringen. Ob es überhaupt zu einem Prozess kommen wird, ist noch offen. Im Oktober nächsten Jahres sollen beide Seiten zunächst versuchen, den Streit außergerichtlich beizulegen. Vor allem SAP wird daran gelegen sein. Oracle hingegen dürfte keine Gelegenheit auslassen, den Erzrivalen vorzuführen.

Drittwartung für SAP R/3?

Wenn, wie SAP sagt, TomorrowNow keine Gewinne abwirft, stellt sich die Frage, ob das Geschäft mit Drittwartung überhaupt trägt. "Drittwartung ist in Deutschland bis auf TomorrowNow praktisch kein Thema", beobachtet Lynn-Kristin Thorenz, Beraterin bei Pierre Audoin Consultants (PAC) in München. Möglicherweise ändert sich das aber in der Zukunft und könnte insbesondere SAP schaden. "Wenn das letzte R/3-Release aus der Standardwartung fällt, könnte die Nachfrage nach Drittwartung zunehmen", erwartet Christian Hestermann, Analyst bei Gartner. SAP verlangt für ältere Releases höhere Wartungsgebühren, um Kunden, die sich bisher gegen Upgrades gewehrt haben, zum Modernisieren ihrer Softwarelandschaft zu zwingen. Viele der jetzt in Angriff genommenen SAP-Umstellungen von R/3 auf ERP 6.0 finden statt, weil für das weitverbreitete Release 4.6C seit 2007 nicht 17, sondern 19 Prozent vom Lizenzpreis an jährlichen Wartungsgebühren abzuführen sind. Grundsätzlich können SAP-Anwender über kundenspezifische Wartung alte Programme ewig betreiben, doch dies ist dann noch deutlich teurer als die besagten 19 Prozent.

Quasimonopol auf Wartung

Für SAP und andere Softwareanbieter käme Wettbewerb im Wartungsgeschäft höchst ungelegen: Die Hersteller von betriebswirtschaftlicher Software erwirtschaften einen großen Teil ihres Umsatzes mit jährlich anfallenden Supportgebühren. Die Walldorfer verdienten im Geschäftsjahr 2006 rund 2,8 Milliarden Euro mit Softwarelizenzen, aber bereits 3,2 Milliarden Euro mit Wartung. Auch SAP-Konkurrent Infor erzielt die Hälfte seiner Einnahmen damit. Und anders als beim Lizenzpreis sind die Softwarehäuser kaum bereit, Nachlässe bei den Wartungskonditionen zu gewähren. Sie würden damit ihre Gewinnmargen reduzieren, was an der Börse schlecht ankäme. Würden Konkurrenten ihr Quasimonopol auf Wartungseinnahmen aufbrechen, könnte dies eine Talfahrt für die Softwareriesen einleiten.

Gartner geht offenbar davon aus. Zum einen prophezeien die Analysten sinkende Softwarepreise, zum anderen zählen sie das Geschäft mit Drittwartung sogar zu den sieben wichti-gen Softwaretrends der nächsten Jahre. Welchen Einfluss der TomorrowNow-Prozess auf diese Entwicklung hat, wird sich zeigen.

Was aus TomorrowNow wird, ist ungewiss. Einen potenziellen Käufer gibt es jedenfalls schon: Rimini Street aus Las Vegas, die wie die SAP-Tochter alternative Wartung für Peoplesoft-, J.D.-Edwards- und Siebel-Kunden bietet, hat Interesse bekundet. Rimini-Chef Seth Ravin kennt das Kaufobjekt gut: Er hatte Tomorrow-Now mitgegründet. (fn)