Finanzierungs-Strategien für den Mittelstand

Geld von der Gemeinschaft kann das Überleben sichern

20.07.1990

Weit über 200 Milliarden Mark werden die Europäischen Gemeinschaften bis 1994 für Wirtschaftsförderung in ihren zwölf Mitgliedsländern ausschütten. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen (EG-Kürzel: "KMU") können durch diesen Geldsegen ihre Wettbewerbsfähigkeit entscheidend verbessern. Hans-J. Richter* gibt Tips für eine gezielte Antragstellung.

Eine bewährte Finanzierungs-Strategie erfolgreicher Unternehmen lautet: Zuerst einmal die vielfältigen Finanzierungs- und Förderungsmöglichkeiten der Europäischen Gemeinschaften konsequent ausschöpfen. Die entsprechenden Programme sind stets langfristig angelegt. So stellt die EG bis 1993 ein Fördervolumen von umgerechnet 25 bis 30 Milliarden Mark für regional nicht gebundene Projekte bereit. Hinzu kommen über 200 Milliarden Mark aus dem EG-Strukturfonds mit dem Förderprojekte in besonders entwicklungsbedürftigen Regionen der Gemeinschaft finanziert werden.

Förderprogramme zur Aus- und Weiterbildung

Die offiziellen Ausschreibungsbedingungen der meisten Programme sehen eine bevorzugte Förderung der KMU vor. Die Initiative muß freilich stets von den Unternehmen selbst ausgehen Die Chancen stehen gut, an EG-Fördertöpfen zu partizipieren. Rund 95 Prozent aller EG-Unternehmen erfüllen die KMU-Kriterien: maximal 150 Beschäftigte bei einem betrieblichen Anlagevermögen bis zu 15 Millionen ECU (zirka 30 Millionen Mark).

-"FORCE": Im Rahmen dieses Aktionsprogrammes zur Förderung der beruflichen Weiterbildung stehen in den nächsten drei Jahren rund 180 Millionen Mark zur Verfügung. Bevorzugt gefördert werden innovative Projekte kleiner und mittlerer Betriebe die "grenzübergreifende Partnerschaften'' zum Ziel haben. Die Initiative kann zum Beispiel von Personalchefs oder Ausbildungsleitern ausgehen. Die Zuschüsse: bis zu 200 000 Mark pro Projekt.

- "Förderprogramm zum Austausch junger Arbeitskräfte in der Gemeinschaft": Hier bezahlt die EG Berufsanfängern und jüngeren Arbeitnehmern (Alter: 18 bis 25 Jahre, bevorzugt Nicht-Akademiker) Begegnungsprogramme und Praktika in EG-Unternehmen mit Reisekosten-Zuschüssen bis zu 75 Prozent und sonstigen Leistungen für Unterkunft, Verpflegung und Sprachkurse.

- "COMETT" forciert mit Zuschüssen die europaweite Zusammenarbeit zwischen Fachhochschulen, Hochschulen und der Wirtschaft zum Beispiel durch die Vergabe transnationaler Praktika für Studenten und Nachwuchs-Fachkräfte (Ausstattung bis 1994: rund 500 Millionen Mark). Der grenzüberschreitende Austausch von Fachkräften läßt sich pro Jahr mit bis zu 25 000 Mark bezuschussen, Studenten-Praktika werden mit bis zu 12 000 Mark gefördert.

Antragsberechtigt sind sowohl Einzelpersonen als auch Unternehmen, Verbände und Bildungseinrichtungen.

- "PETRA": Dieses "Aktionsprogramm für die Berufbildung Jugendlicher" unterstützt unter anderem innovative betriebliche Ausbildungsmodelle, grenzüberschreitende Kooperationen mit - wie es heißt - "europäischer Dimension" sowie von Jugendlichen selbst verwaltete Initiativen und Projekte mit Zuschüssen bis etwa 100 000 Mark.

Eine ausführliche Darstellung dieser und anderer Programme zum Thema Aus- und Weiterbildung (mit den Kontaktadressen der davon beteiligten Trägerorganisationen) verschickt kostenlos das Informationsbüro des Europäischen Parlaments, Bonn-Center, Bundeskanzlerplatz, 5300 Bonn 1.

Innovationsförderung für KMU durch "SPRINT"

Dieses Aktionsprogramm sieht folgende Maßnahmen vor:

-Zuschüsse zur Finanzierung grenzüberschreitender Kontakte (Besuch von Fachmessen, Kooperationsverhandlungen etc.)

- Finanzierung von Innovationsprojekten, bei denen ein "Gemeinschaftinteresse nachgewiesen werden kann,

- Förderung von Informations-Dienstleistungen (Erstellung von Marktstudien, Nutzung von Datenbanken etc.)

Spezial-Datenbanken werden subventioniert

Bereits seit Anfang der achtziger Jahre fördert die EG den Aufbau und die Nutzung von Datenbanken sowie entsprechende Informations-Dienstleistungen. Ein PC mit Datex-P-Anschluß ermöglicht den Zugang zu diesem Informationspotential, für EG-Unternehmen meist kostenfrei oder zu günstigen Pauschalgebühren. Einige Beispiele:

- "Info 92" informiert seit Mitte 1989 in allen Sprachen der Gemeinschaft (außer Griechisch), wöchentlich aktualisiert, über Entscheidungen und Entwicklungen zum Thema EG-Binnenmarkt. Hier lassen sich Informationen über technische Normen, Steuerrichtlinien oder Fördermaßnahmen der Gemeinschaft abrufen. Die menügesteuerte Datenbank ist auch per Bildschirmtext erreichbar.

- "Celex" enthält Informationen zum EG-Recht. Neben bereits geltenden Rechtsvorschriften und Urteilen des Europäischen Gerichtshofs werden auch künftige Entwicklungen berücksichtigt. Die Datenbank informiert über alle Finanzhilfe-Programme der EG und über die Förderkriterien.

Ausführliche Unterlagen zum Thema EG-Datenbanken verschickt kostenlos die Abteilung Kundenservice der European Commission Host Organisation (ECHO), Postbox 2373, L-1023 Luxemburg, Telefon 00352/ 48 80 41, Fax 00352/48 80 40. ECHO vermittelt überdies den Zugang zur Ausschreibungsdatenbank der EG, veranstaltet Kurse in Sachen Online-Recherche und vermittelt spezialisierte Informations-Broker und Berater.

"Euro-Info-Center": Guter Rat muß nicht teuer sein

Das KMU-orientierte Informationsnetz des "Euro-Info-Center verfügt EG-weit über rund 200 Beratungsstellen, hierzulande mit Kontaktbüros in Verbänden, Industrie- und Handelskammern, Banken sowie Unternehmensberatungen. Die über ein Mailbox-System verbundenen "Euro-Schalter" beschaffen auf Anfrage alle aktuellen unternehmensrelevanten Details zum Thema Binnenmarkt. Sie veranstalten Seminare, verschaffen Zugang zu wichtigen Datenbanken und informieren über bestimmte Finanzierungsinstrumente.

Über aktuelle Anschriftenverzeichnisse der bundesdeutschen "Euro-Schalter" verfügen der Deutsche Industrie und Handelstag, Adenauerallee 148 5300 Bonn 1, Telefon 02 28/10 54 36, Fax 02 28/10 41 58 sowie das Rationalisierungs Kuratorium der Deutschen Wirtschaft, Heilwigstraße 33, 2000 Hamburg 20, Telefon 040/ 48 20 87, Fax 040/48 20 32.

Kredite zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit

Zur Erhaltung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen vergibt die EG über verschiedene Institutionen Kredite zu günstigen Konditionen. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang zunächst die "Europäische Investitionsbank" (EIB): Die EIB ist als EG-Institution für den Mittelstand vor allem als Garant sogenannter "Globaldarlehen'' interessant. Sie vereinbart auf Antrag mit den Hausbanken privater Investoren in Industrie- und Dienstleistungsunternehmen Kreditlinien in Höhe von 20 bis 50 Prozent der jeweiligen Projektkosten. Die Laufzeiten betragen in der Regel acht bis zwölf Jahre, tilgungsfrei bis zu zwei Jahren .

Eine weitere Geldquelle ist das "Neue Gemeinschafts-Instrument für Anleihen und Darlehen" (NGI). Das NGI dient ausschließlich zur langfristigen Finanzierung betrieblicher Investitionen kleiner und mittlerer Unternehmen. Mit zinsgünstigen Krediten gefördert werden unter anderem Investitionen in Kommunikationstechnik, Innovation, Modernisierung, aber auch in immaterielle Güter wie Patente, Lizenzen und Know-how. Die Darlehen (Finanzierungsanteil: bis zu 50 Prozent) wickelt in der Regel die Hausbank ab, wo auch die Anträge zu stellen sind.

Details über Vergabekriterien und Konditionen können vorab bei der Europäischen Investitionsbank, 100 Boulevard Konrad Adenauer, L-2950 Luxemburg, Telefon 00352/43 7 91, oder bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Generaldirektion II/NGI-Referat, Rue de la Loi 200, B-1049 Brüssel, Telefon 00322/ 235 11 11 angefordert werden.

Geschäftskontakte und Kooperationen anbahnen

Als erster Schritt zur Anbahnung internationaler Partnerschaften bietet sich die Inanspruchnahme des "BC-Net" an. Mit bereits über 400 Kontaktbüros - per PC vernetzt - fördert dieses Verbundgrenzüberschreitende Kooperationen speziell für den Mittelstand. Das Hirn des BC-Net ist der Brüsseler Zentralcomputer, der ständig mehrere tausend Kooperationsprofile vorhält, mit entsprechenden Kooperationswünschen abgleicht und so potentielle Partner europaweit vermitteln kann. Die Anschriften aller Beratungsstellen im BC-Net nennt das Presse- und Informationsbüro der EG Kommission, Zitelmannstraße 22, 5300 Bonn 1, Telefon 0228/53 00 90.

Zur Anbahnung internationaler Kooperationen und Business-Kontakte bietet sich auch der Besuch von Messen und Ausstellungen im europäischen Ausland an. Speziell für KMU hält die EG Fördermittel bereit, zum Beispiel für Reisekosten und Dolmetscherhonorare. Kontakt: Kommission der EG, Batiment Jean Monnet, Rue Alcide de Gasperi, L-2920 Luxemburg, Telefon 00352/43 0 11).

Unabhängig von dieser EG-Förderung subventionieren die Wirtschaftsministerien der meisten Bundesländer die Messebeteiligungs-Kosten mittelständischer Unternehmen mit Zuschüssen von 20 bis 80 Prozent. Zuschußfähig sind unter anderem folgende Ausgaben:

Mieten und Einrichtungen für die Stände, Honorare für Dolmetscher, der Transport von Exponaten sowie Versicherungen.

Auch der Zugang der KMU zu Informationen über EG-weite Ausschreibungen soll gefördert werden. Erstes Ergebnis dieser Bestrebungen ist die EG-Datenbank TED ("Tenders Electronic Daily"), die tagesaktuelle Informationen über öffentliche Ausschreibungen in über 80 Länden bereithält. Die Datenbank läßt sich online oder per Telex abfragen (Kosten pro Verbindungsstunde: zirka 60 Mark). Der Zugang ist auch über die oben erwähnten Euro-Info-Center möglich.

Nähere Informationen gibt vorab das Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2 Rue Mercier, L-2985 Luxemburg, Telefon 00352/499 28-1.

Unternehmen in wirtschaftlich besonders entwicklungsbedürftigen Regionen können Mittel aus dem "Europäischen Fonds für regionale Entwicklung" beantragen. Strukturhilfen sollen das Einkommensgefälle und infrastrukturelle Ungleichgewichte zwischen den einzelnen Regionen der Gemeinschaft verringern helfen.

Strukturfonds fördern Entwicklungsregionen

Förderungswürdig sind nicht nur "klassische" betriebliche Investitionen wie Fuhrparkerweiterung oder Kommunikationstechnik, sondern auch Dienstleistungen wie Marktforschung und Informationsbeschaffung. Die Mittel sind in der Regel auf nationaler Ebene zu beantragen. Sie stehen prinzipiell jedem in einem der Fördergebiete investierenden Unternehmen offen.

Vom Strukturfonds können Firmen auch indirekt profitieren, indem sie sich an einem entsprechenden Unternehmen in einer strukturschwachen Region beteiligen oder dort eine Tochtergesellschaft gründen. Zu diesen Regionen zählen unter anderem Berlin, Bremen sowie Teile Nordrhein-Westfalens und des Saarlandes, darüber hinaus der größte Teil der DDR. Ein Verzeichnis der Fördergebiete sowie Antragsunterlagen sind erhältlich beim Bundesministerium für Wirtschaft, Villemombler Str. 76, 5300 Bonn, Telefon 0228/615-1).

Erfolge im Euro-Geschäft sind ohne sprachliche Barrieren schneller und leichter zu erzielen. Deshalb haben Sprachkurse eine hohe Priorität. Damit sie nicht schon an den Kosten scheitern, stellt die EG bis 1994 unter anderem für berufsbezogenen "Fremdsprachenunterricht im Bereich der Wirtschaft" im Rahmen des Programms "Lingua" 400 Millionen Mark bereit. Auf Antrag werden bis zu 50 Prozent der Kurskosten bezuschußt. Antragsberechtigt sind Unternehmen und Berufsverbände. Die Kontaktadresse in der Bundesrepublik: "Lingua", c/o Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft, Postfach 20 02 08, 5300 Bonn 2, Telefon 02 28/57-1.

Abschließend noch zwei Hinweise: Die Kumulation von EG-Mitteln - also die Inanspruchnahme mehrerer Förderprogramme für das gleiche Projekt - ist im Prinzip möglich. Die Förderkriterien der im Einzelfall in Anspruch genommenen Programme sollten jedoch genau geprüft werden.

Die EG-Kommission hat als Ansprechpartner für die mittelständische Wirtschaft eine besondere Arbeitsgruppe eingesetzt, die "Task Force Klein- und Mittelunternehmen", 80 Rue d'Arlon, B-1040 Brüssel, Telefon 00322/235 63 22, Fax 00322/236 12 41. Sie wirkt als Interessenvertretung der KMU. +