Game over?

19.04.2001

CW: Hat durch die Krise der Internet-Werte auch die deutsche Venture-Capital-Branche Probleme?

Jantz: Ja, jetzt glaube ich wirklich, dass wir eine Krise haben. Noch im November und Dezember vergangenen Jahres war ich der Meinung, dass wir das schon wegstecken werden, aber jetzt sehe ich erhebliche Probleme auf die Branche zukommen.

Waldemar Jantz
Waldemar Jantz

Wenn man sich umhört, dann sagt zwar keiner ehrlich, dass er Schwierigkeiten hat, sondern jeder blendet. Aber sieht man sich dann die Beteiligungen der verschiedenen Kandidaten an, dann weiß man, wie die Lage ist. Im Augenblick investiert fast keiner, sondern alle stehen auf der Bremse. Auch viele Gesellschaften, die während der letzten zwei Jahre Finanzierungsrunden zu relativ hohen Bewertungen gemacht haben, haben jetzt Probleme, eine weitere Kapitalrunde zu vernünftigen Konditionen hin zu bekommen.

CW: Wie wird sich die VC-Szene in den kommenden Monaten weiterentwickeln?

Jantz: Eine Reihe kleiner Wagnisfinanziers verschwindet dadurch, dass entweder die Großen sie schlucken, andere können einfach kein neues Kapital für Investitionen sammeln. Für die, die Geld haben, ist die Situation dagegen ideal, die suchen sich die guten Teams aus. Und die Bewertungen sind jetzt auch wieder vernünftiger.

CW: Einige Venture-Capital-Firmen sind selber an die Aktienmärkte gegangen, um sich Kapital zu beschaffen. Ist das sinnvoll?

Jantz: Ich denke nicht. Das Business-Modell ist dafür überhaupt nicht geeignet. Wenn der Kapitalgeber eine Reihe von Beteiligungen hat, die erst in drei bis fünf Jahren reif für den Aktienmarkt werden, wie will er dann den Analysten jedes Quartal eine Erfolgsstory liefern? Es geht häufig nur darum, Publicity zu bekommen. Ein guter VC hat außerdem den Börsengang gar nicht nötig. Es gibt genug institutionelle Anleger, die ihm das Geld nachwerfen. Und bei VC-Fonds ist das Business-Modell so gigantisch gut, das man auch ohne Börsengang reich wird. Target Partners zum Beispiel sitzt auf 350 Millionen Mark, und es gibt auch einige andere Kollegen wie Atlas, Earlybird, Wellington, Apax oder TVM, die in der letzten Zeit noch relativ große Fonds eingesammelt haben. Und dieses Kapital auch noch zur Verfügung haben. Man sieht sich allerdings jetzt die Investitionsmöglichkeiten sehr genau an und geht auch nicht mehr in so frühe und riskoreiche Engagements hinein, also keine Konzeptfinanzierungen. Aber die guten VC-Leute haben eigentlich verstanden, dass jetzt der richtige Zeitpunkt zum investieren gekommen ist. Diejenigen, die auf der Bremse stehen, haben wahrscheinlich zu viele Probleme mit existierenden Investments.

CW: Welche Unternehmen kommen in Frage?

Jantz: Uns interessieren vor allem die Ideen, die einen echten Technologie-Content zu bieten haben. Beim Thema UMTS sind Anwendungen spannend, die vorhandene Strukturen in die Mobile Welt integrieren. Man sollte dabei allerdings nur in Firmen investieren, die nicht darauf angewiesen sind, schon in zwei bis drei Jahren an die Börse zu gehen. Das gilt grundsätzlich für jede Art von Investition, obwohl sich der Aktienmarkt aus meiner Sicht irgendwann auch wieder für neue Dinge interessieren wird. Ich denke nur, dass die Zeiten für unausgegorene E-Commerce-Szenarien vorbei sind.

CW: Die Zusammenarbeit zwischen Geldgebern und Gründern klappt ja keineswegs immer reibungslos. Wie aktuelle Untersuchungen bestätigen, zeigt sich jeder zweite Jungunternehmer enttäuscht über das "fehlende operative Verständnis" der Investoren, und jeder vierte Gründer empfindet das Auftreten von Venture-Capital-Managern als arrogant.

Jantz: Das Problem ist, dass die Branche noch sehr jung ist. Die Leute, die in den letzten Jahren in die VC-Firmen gekommen sind, haben meist keine Industrieerfahrung, sie kennen also das operative Geschäft eines Unternehmens nicht. Bei manchen fehlt deshalb die Sensibilität für Probleme, die mit einer Unternehmensgründung verbunden sind. Einige geraten vielleicht auch durch das viele Geld in eine Situation, in denen ihnen die Sicherung durchknallt und sie sich gegenüber Unternehmen nicht sehr verständlich beziehungsweise schon sehr arrogant verhalten. Im schlimmsten Fall, wenn ein VC-Manager weder Erfahrung hat, noch sich in eine Sache reindenken möchte, kann dies das Beteiligungs-Unternehmen gefährenden. Viele der VC-Manager kannten nur eine Richtung, nach oben, und jetzt müssen sie lernen, dass viele der Investitionen sich doch nicht wie geplant entwickeln.

CW: Sind nicht vielleicht auch die Vorstellungen der Firmengründer unrealistisch?

Jantz: Mit Sicherheit, beide Seiten erwarten schlicht zu viel von einander. Da kommen Gründer zu uns, die sagen, wir haben hier einen tollen Businessplan, und jetzt hätten wir gern 30 Millionen. VC-Leute können aber auch nicht zaubern, und ich hab auch keine Kristallkugel im Büro stehen, mit der ich in die Zukunft blicken kann. Wir kochen alle nur mit Wasser, und es ist normal, dass 80 Prozent aller Engagements eines VC-Gebers entweder gar nicht oder nur durchschnittlich funktionieren.

CW: Sind strategische Partnerschaften eine Alternative zur VC-Finanzierung?

Jantz: Das ist im Moment zwar sehr in Mode, aber es stellt sich dabei immer die Frage: Wie abhängig werde ich von meinen Kunden? Corporate Venture hatte die letzten Jahre auch hohe Wachstumsraten, aber ich denke, das Interesse steigt deshalb auch, weil es schwieriger geworden ist, von normalen VCs Geld zu bekommen.

Zur Person: Waldemar Jantz, 45, ist seit mehr als 16 Jahren in der Venture-Capital-Branche. Von 1984 bis 1999 war er bei TVM Techno Venture Management, danach gründete er zusammen mit zwei Partnern Target Partners. Jantz vertritt die deutsche Venture-Capital-Branche auf europäischer Ebene als Direktor der European Venture Capital Association (EVCA). Bevor er sich mit Wagnisfinanzierung beschäftigte, arbeitete der diplomierte Betriebswirt im Bereich Technik und Marketing für zwei deutsche Computerfirmen.