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EU streitet über Datenspeicherung

08.09.2005

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Pläne zur massenhaften Speicherung von Telefon- und Internet-Daten haben neuen Streit in der EU angefacht und Proteste der Industrie ausgelöst. Bei einem Treffen im englischen Newcastle lagen die europäischen Innen- und Justizminister am Donnerstag in der Frage, welche Verbindungsdaten künftig wie lange gespeichert werden sollen, nach wie vor weit auseinander. Der Branchenverband BITKOM bezifferte die Kosten allein für die deutschen Unternehmen "auf weit mehr als 200 Millionen Euro allein im ersten Jahr".

Der britische Innenminister und Ratsvorsitzende Charles Clarke drang auf eine Einigung im Ministerrat binnen vier Wochen, weil die Speicherung der Verbindungsdaten für die Fahndung nach Terroristen wichtig sei. Dieses Datum sei angesichts der Meinungsverschiedenheiten aber kaum noch zu schaffen, meinte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries. Sie verwies auf einen einstimmigen Bundestagsbeschluss, wonach solche Daten höchstens sechs Monate gespeichert werden dürften. Bundesinnenminister Otto Schily trat hingegen für "mindestens ein Jahr" Speicherzeit ein.

Neben der Dauer der Speicherung ist auch der Umfang der Datensammlung umstritten. Schily wandte sich dagegen, auch alle erfolglosen Anrufversuche aufzuzeichnen. Der schwedische Justizminister Thomas Bodström bestand hingegen auf einer solchen Vorschrift. Seine deutsche Amtskollegin Zypries äußerte Verständnis für entsprechende Wünsche: "Wer regelmäßig 'Tatort' guckt, der weiß, dass da ein Fahndungsinteresse besteht."

Die Minister der 25 EU-Staaten berieten in Newcastle auch mit Industrievertretern über Kosten und technische Möglichkeiten der Speicherung. Die Branche wies darauf hin, dass viele Punkte noch ungeklärt sind. "Es hält sich hartnäckig das Missverständnis, die Unternehmen müssten ohnehin vorliegende Daten einfach nur länger aufbewahren. Das ist falsch", sagt BITKOM-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder in Berlin. Der gemeinsame Plan von Frankreich, Großbritannien, Irland und Schweden sehe vor, dass sämtliche Telefon- und Internet-Verbindungen protokolliert werden müssen.

Sollten die EU-Pläne Wirklichkeit werden, müssten die Unternehmen zusätzlich bislang nicht verarbeitete Daten erheben. Hierzu gehören laut BITKOM auch Informationen über erfolglose Anrufversuche, Daten über den Standort eines Mobiltelefons während eines Gesprächs sowie die Protokollierung aufgerufener Webseiten im Internet. Der EU-Plan lässt offen, ob die Kunden oder der Staat - und damit die Steuerzahler - für die Speicherkosten aufkommen sollen: "Aber das kommt aufs Gleiche raus", meinte die Justizministerin.

Nach einer repräsentativen Befragung der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag des Unternehmens COLT Telecom sind 47 Prozent nicht damit einverstanden, dass ihre Telekommunikationsdaten über einen längeren Zeitraum detailliert gespeichert werden. Gleichzeitig lehnen es 78 Prozent der Befragten ab, die dabei entstehenden Kosten zu tragen. (dpa/tc)