"Es waechst zusammen, was zusammengehoert"

15.04.1994

Die Totenruhe bekannter Politiker ist in den letzten Wochen mehr als nur gestoert worden. Brandt, Wehner und Strauss - Gott hab sie, Affaeren hin oder her, selig - wurden fuer Wahlkampfzwecke regelrecht exhumiert und missbraucht. Deshalb soll zur Abwechslung an dieser Stelle einmal nicht von Skandalen die Rede sein, sondern vielmehr der Brandtsche Geist fuer TK- und DV-Zwecke wiederbelebt werden.

Wer erinnert sich nicht daran, als der Ex-Kanzler im Vorfeld der Vereinigung beider deutscher Staaten bedeutungsvoll sagte: "Es waechst zusammen, was zusammengehoert." Ein Ausspruch, der auch auf das zutrifft, was den Unternehmen jetzt kommunikationstechnisch bevorsteht. Daten und Sprache, bislang, wie frueher die beiden deutschen Staaten, hermetisch voneinander getrennt, wachsen jetzt unweigerlich zusammen.

Nun wissen wir nach anfaenglicher Euphorie alle nur zu gut, dass es mit den Vereinigungen so eine Sache ist. Weil's an den Geldbeutel und haeufig auch um Vorurteile geht, existiert die Mauer in vielen Wessi- und Ossi-Koepfen weiter. Gleiches gilt fuer die Lager der Daten- und Sprachkommunikation. Der kalte Krieg, der seit jeher das Klima zwischen beiden Fraktionen weitgehend praegte, weicht nur langsam der Entspannung. Nach wie vor werden die Demarkationslinien zwischen den Abteilungen streng gezogen und Besitzansprueche hinsichtlich Kompetenzen, Organisation und Budgets mit groesster Vehemenz verteidigt.

Besonders schwer tun sich die Datenverarbeiter mit dem Umstand, dass die Sprache ueber Verfahren wie ISDN und spaeter ATM mehr und mehr in ihr Reich der Daten Einzug haelt. Der letzte Schutzschild gegen die oft belaechelten Nachrichtentechniker fiel, als sich die Telekom dem Druck der Europaeischen Kommission beugte und Anfang 1993 die Corporate-Network-Verfuegung erliess. Damit war ueber Unternehmensgrenzen hinaus der Weg fuer den Transport von Sprache in den bis dahin traditionellen Datenleitungen frei.

Die Politik der Abschottung ist damit endgueltig passe, denn wer am Markt bestehen will, kann sich den Luxus altbackener Organisationsstrukturen nicht mehr leisten. Jetzt gilt es, schlechtestenfalls Kompromisse zu finden, besser aber beide Bereiche in eine Verantwortlichkeit zu legen. Damit werden die Unternehmen nicht nur modernen IT-Technologien, sondern auch der aktuellen Produktentwicklung gerecht, die Voice und Informationen mehr und mehr verschmilzt.

Wohl solchen Companies wie zum Beispiel der WestLB, zu deren Philosophie die integrierte Kommunikation laengst zaehlt. Dort ist nach dem Mix von Daten und Sprache organisatorisch und technisch schon zusammengewachsen, was zusammengehoert. Auch wenn den Verfechtern beider Lager die Haare zu Berge stehen, Bit bleibt eben Bit, egal ob in Daten- oder Sprachverfahren.