Datenverarbeitung in der Fußball-Bundesliga:

DV-Defensivspieler wollen sich in den Angriff einschalten

07.10.1988

Die Fußball-Bundesliga ist in puncto Datenverarbeitung (DV) eine Dreiklassen-Gesellschaft. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt: Nur wenige Clubs sind in Sachen DV perfekt am Ball, viele agieren aus dem defensiven Mittelfeld heraus, und manche Vereine stehen gar im Abseits. Gründe für das DV-Defizit: Die meisten Vereine bestreiten in Sachen Finanzen ein Auswärtsspiel bei ihren Steuerberatern, scheuen Investitionskosten, lösen sich nur zögernd von alteingesessenen Traditionen, und besitzen kaum DV-Know-how. So gibt der Geschäftsführer des FC St. Pauli Hamburg, Manfred Campe, offen zu: "Wir gehen zu Fuß, was EDV betrifft, und haben einen kräftigen Nachholbedarf."

Geht es nach dem Willen von Campe, brechen beim FC St. Pauli bald DV-Zeiten an. Der frischgebackene Geschäftsführer möchte mit Ausnahme der Buchhaltung, den gesamten Betrieb der Geschäftsstelle peu a peu auf DV umstellen. "Computer", so Campe, "wird in diesem Verein bald kein Fremdwort mehr sein." Seiner Meinung nach ist es für jeden Erstliga-Verein ein dringendes Bedürfnis, sich in Richtung DV zu entwickeln. Als Bundesligist könne man sich heute, so der Wahl-Hamburger, keine Traditionen mehr leisten, die betriebswirtschaftlich untragbar seien.

Relikte aus grauer Bürovorzeit hat der Betriebswirt in seinem Club bereits bei der Mitgliederverwaltung und Beitragserfassung ausgemacht. Campe: "St. Pauli rechnet die Beiträge noch per Hand und eine Sekretärin ist oft Stunden damit beschäftigt, Adressaufkleber zu tippen." Dieser Zustand werde aber, so Campe, bald der Vergangenheit angehören, wenn über Textverarbeitung und Dateiprogramme Standardbriefe und Adressen automatisch gedruckt würden.

Doch bei Textverarbeitung und Mitgliederverwaltung allein will es der gebürtige Münchner nicht bewenden lassen. Zwar soll auch weiterhin die Finanzbuchhaltung über den Steuerberater und die Genossenschaft des steuerberatenden Berufs, die Datev, laufen, doch möchte Campe zukünftig mit Hilfe eigener Buchhaltungssoftware einen aktuellen Überblick über offene Posten und Forderungen haben. Campe: "Als Geschäftsführer brauche ich eine laufende Liquiditäts- und Budgetüberwachung. Die Listen der Datev kommen aber erst am 15. des folgenden Monats, ich benötige jedoch den Tagvergleich, denn ich muß am Morgen wissen, wo der Verein steht."

Trotz aller DV-Visionen weiß Campe eines ganz genau: Finanziell muß er auf dem Teppich bleiben, will er kein Eigentor schießen. Denn der Geldbeutel des Vereins läßt keine teueren DV-Einkäufe zu. Der Geschäftsführer: "Die Investition darf mich in der Liquidität nicht umhauen. Ich rechne mit 15 000 Mark für das ganze. Mehr kann und will ich nicht ausgeben." Um aus seinem Budget möglichst viel herauszuschlagen, schaut sich Campe derzeit in der Hansestadt nach gebrauchter Hardware um, die zum Zwecke der späteren Erweiterung möglichst offen sein sollte.

Mit Problemen dieser Art schlägt sich der Generalsekretär des Lokalrivalen Hamburger SV, Dirk Albrecht, nicht mehr herum. Der HSV lebt in Sachen DV heute wie die Made im Speck, ohne selbst in Equipment und Software investiert zu haben. Albrecht: "Wir haben solche Dinge nie gekauft, sondern immer über Sponsorenverträge abgewickelt." Auf diese Art und Weise hat es der HSV zu einem Zentralrechner von Wang mit Terminals und drei PCs von Sharp, dem momentanen Werbepartner, gebracht. Albrecht stolz: "In unserer Geschäftsstelle steht heute komfortabelste Hard- und Software im Wert von einer knappen halben Million Mark."

Dabei sah 1984 alles noch ganz anders aus. Der Generalsekretär erinnert sich: "Als ich damals mein Amt antrat, habe ich nur handgestrickte Schreibmaschinen vorgefunden." Heute kann sich der HSV den "Luxus" erlauben, die Anlage von Wang zur Textverarbeitung zu nutzen, während die Mitgliederverwaltung und Buchhaltung über die Computer von Sharp erledigt wird. Dazu Albrecht: "Die Buchhalterin schreibt ihren Brief auf Wang und bucht auf Sharp."

Natürlich weist der Fachmann für Marketing daraufhin, daß die Situation beim HSV unternehmerisch eigentlich nicht sinnvoll sei, aber "wir schmeißen doch nicht", so Albrecht, "eine vorhandene Anlage weg, nur weil wir einen neuen Sponsor haben." Apropos Sponsor: Auch der FC Bayern München ist auf diese Weise zu seiner Hardware-Ausstattung in der Geschäftsstelle gelangt, wobei die Münchner auf die Formulierung Trikot-Werbepartner-Vertrag Wert legen.

Landauf, landab ist bekannt, daß der deutsche Rekordmeister für Commodore Werbung läuft. Eben jenes Unternehmen hat vor zwei Jahren zehn PCs bei den Bayern installiert, die, so Geschäftsführer Karl Hopfner, über ein Netz von Schneider & Koch verbunden sind. Mit Ausnahme der Finanzbuchhaltung wickelt der letztjährige Vizemeister über dieses System das Mitgliederwesen, die Spielstatistiken, die Erstellung des Bayern Magazins, die Verwaltung der Jahreskarten und die Spielabrechnung ab.

Mit Ausnahme des HSV gibt es in der ersten Liga noch zwei weitere Vereine, die auf einen Alleingang in puncto DV setzen: der VfB Stuttgart und Borussia Mönchengladbach. Sie führen sowohl die Finanz- und Mitgliederverwaltung, als auch die Lohnbuchhaltung selbständig im eigenen Hause auf Hardware der IBM durch. Wie von dem zweiten Vorsitzenden der Borussia, Helmut Grashoff, zu erfahren war, läuft in der Gladbacher Geschäftsstelle Software, die der Landessportbund von Nordrhein-Westfalen entwickelt hat.

Im Gegensatz dazu setzen die Schwaben auf ihrer Anlage der mittleren Datentechnik mit fünf Terminals individuell auf die Bedürfnisse des Vereins zugeschnittene Software ein. Sie deckt nach Angaben des VfB die komplette Finanzbuchhaltung, Mitgliederverwaltung, die Rechnungsschreibung und deren Versand, den Kartenverkauf und die -bestellung einschließlich der Dauerkarten ab.

Die Stuttgarter haben sich aus mehreren Gründen für das DV-Heimspiel entschieden. Erstens reichte die Kapazität und das Software-Repertoire der PCs von Atari - die seit 1980 im Einsatz waren - nicht mehr aus. Zweitens dauerte den Schwaben die Auswertung der Datev zu lange, da sie nicht online mit dem Rechenzentrum verbunden waren. Und drittens wollten das vorsichtige Präsidium keine Daten mehr außer Haus geben.

Gäbe es eine DV-Bundesliga-Tabelle, würden neben dem VfB Stuttgart, Borussia Mönchengladbach, der HSV und die Bayern um die Führung streiten. Bleibt die Frage, wo steht der Meister SV Werder Bremen und so renommierte Bundesligisten, wie Eintracht Frankfurt oder der 1. FC Köln? Die Bremer schicken sich an, in der DV-Tabelle die Abstiegszone zu verlassen. Dazu Wolfgang Barkhausen, Geschäftsführer bei Werder: "Wir stellen in der Geschäftsstelle auf PCs um."

Derzeit nehmen die Angestellten des Meisters an einem Grundlehrgang teil, der von Siemens veranstaltet wird. Der Konzern liefert sowohl die Hard- als auch die Software für das System, das spätestens Ende des Jahres betriebsbereit sein soll. "Die schwierige und lästige manuelle Arbeit hat uns bewogen, auf DV umzusteigen", erklärt Barkhausen die Entscheidung zugunsten der DV, "denn momentan wird die Mitgliederverwaltung noch per Hand durchgeführt." Künftig will Bremen dann die Textverarbeitung und Mitgliederverwaltung mit Hilfe der Siemens-PCs und einem zentralen Rechner bewältigen, auf den die Mitarbeiter je nach Befugnis zugreifen können. Später soll, geht es nach dem Willen von Barkhausen, noch die Finanzbuchhaltung nachfolgen. Die Beiträge und Spielergehälter rechnet Werder derzeit über die Datev und die Sparkasse Bremen ab.

Ebenfalls über die Datev und einen speziellen Kundendienst, den die Stadtsparkasse Köln für Vereine anbietet, wickelt der 1. FC Köln seit Jahresbeginn seine Geschäfte ab. "Zuvor", so berichtet der Geschäftsführer Wolfgang Schänzler, "haben wir alles manuell über eine mechanische Buchungsmaschine abgerechnet."

Ambitionen, neben der Text- und Mitgliederverwaltung, auch die Finanzbuchhaltung auf der eigenen Anlage von Nixdorf zu betreiben, hegt man in Köln nicht. Einzig den Kartenverkauf möchten die Geißböcke in die Nixdorf-Software aufnehmen, doch stellt sich laut Schänzler die Frage, "ob sich dieser Aufwand lohnt, denn maximal sind pro Saison nur drei Heimspiele ausverkauft."

Mit drei Sturmspitzen tritt die Eintracht aus Frankfurt in der DV an. Sie spielt sich im Direktpaß über eine Standleitung mit der Datev in Nürnberg die Bälle der Mitglieder- und Finanzverwaltung zu. Ferner setzt der DFB-Pokalsieger laut Geschäftsführer Peter Röder Schreibautomaten von Triumph Adler zur Textverarbeitung sowie Soft- und Hardware von Olivetti für den Verkauf von Dauerkarten ein.

Großer Regisseur auf dem Spielfeld der Finanzverwaltung ist die Datev. Von 15 befragten Bundesligisten bedienen sich elf Erstligisten entweder über die Steuerberater oder über Direktleitungen der Datev-Dienste.

Die Genossenschaft der Steuerberater hat nach Angaben des Pressereferenten Rüdiger Ehlermann in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Fußball-Bund eine spezielle Branchenlösung für Vereine mit Fußball-Profiabteilung entwickelt. Ehlermann über die Software: "Da sind alle betriebswirtschaftlichen Schmankerl drin, die bei einem Verein mit Gemeinnützigkeit und Profitum passieren."

Insgesamt arbeiten, so Ehlermann, rund 3500 Vereine in der Bundesrepublik über ihren Steuerberater mit der Datev. Noch mehr Clubs sind laut Hans-Dieter Horstmeier, Leiter der KDS Datenverarbeitung GmbH in München, seiner Organisation angeschlossen. Die KDS verwaltet derzeit für rund 5600 Vereine Daten der Bereiche Mitglieder- und Verbandsverwaltung, sowie Finanzbuchhaltung. Darunter befinden sich auch die Bundesligisten 1. FC Nürnberg und VfL Bochum. Beiden nimmt das Münchner Rechenzentrum die Beitragserfassung und Mitgliederverwaltung ab.

Zwar ist Hannover 96 kein Neuling in der Bundesliga, aber wie aus der Geschäftsstelle zu hören war, in Sachen DV. Die Niedersachsen haben ihr Mitgliederwesen und die Textverarbeitung seit dem 1. Juli diese Jahres selbst in ihre Computerhände genommen. Begeistert äußert sich eine Angestellte: "Wir profitieren sehr von der neuen Anlage, denn wenn ich zum Beispiel die Vereinsjubilare wissen will, dann drücke ich nur noch eine Taste, und schon weiß ich Bescheid."

Bald wollen die Hannoveraner auch die Fäden der Finanzbuchhaltung direkt aus der Vereinsniederlassung zur Datev spinnen. Die Leitungen sind bereits gelegt, und die Computer stehen bereit, so eine Sprecherin. In einem ähnlichen DV-Stadium wie die 96er ist auch Bayer 05 Uerdingen. Die Krefelder verfügen über drei Rechner, einen für Textverarbeitung und Mitgliederverwaltung, einen für den Ausdruck der Dauerkarten und einen Tragbaren für das Stadion.

Gemessen an dem DV-Equipment der Bundesligagrößen, HSV, VfB Stuttgart, Bayern und Gladbach nehmen sich die Verhältnisse in Hannover und Uerdingen bescheiden aus. Immerhin würden beide Vereine mit ihrer Ausstattung in einer DV-Tabelle auf einem gesicherten Platz im Mittelfeld rangieren. Die Präsidien dieser Clubs, und dies gilt auch für Werder Bremen, haben die Zeichen der Zeit erkannt und damit begonnen, sich auf dem Feld der DV warmzulaufen.

Zum Armenhaus der Bundesliga bezüglich vereinsinterner DV zählen momentan noch die Stuttgarter Kickers, der 1. FC Kaiserslautern, der Karlsruher SC, der VfL Bochum und St. Pauli. Aber - das hat die .Anfrage der Computerwoche in den Geschäftsstellen ergeben - alle Vereine wollen in Kürze aus dem Abseits treten und in das Trikot der DV schlüpfen. Klaus Fuchs, Geschäftsführer des 1. FC Kaiserslautern: "Der Verein steht der Bürokommunikation aufgeschlossen gegenüber. Wir werden jetzt die Weichen in Richtung Datenverarbeitung stellen."