Die Wiesn im Web: O’surft is!

19.09.2002
Hannover hat die CeBIT , München das Oktoberfest . Neulingen wird dringend angeraten, sich vor einem Wiesn-Besuch im Internet zu informieren.

Am Samstag, dem 21. September, bricht in München um zwölf Uhr ein zweiwöchiger Ausnahmezustand an: Der Oberbürgermeister prügelt im Schottenhamel-Zelt einen Zapfhahn (traditionell mit drei Schlägen) in ein unberührtes Holzfass - danach gibt es kein Halten mehr, weder für das Bier noch für Eingeborene oder Touristen. Das Oktoberfest auf der Theresienwiese ist eröffnet, und die oberbayerische Metropole erlebt ihren jährlichen kollektiven Rausch.

Wegen der Terroranschläge vom 11. September fiel die Wiesn im vergangenen Jahr übersichtlich aus. Nur knapp 50.000 Hektoliter Bier flossen durch bayerische, deutsche, amerikanische, australische und italienische Kehlen. Der Rekord liegt indes bei mehr als 66.000 Hektolitern im Jahr 2000, umgerechnet rund acht Millionen verkaufte Maß Bier. Nun hoffen die Wirte und Schausteller, wieder an die einstige Größe anknüpfen zu können.

Ohne das Internet sind derartige Großveranstaltungen - immerhin wird mit mehr als sechs Millionen Besuchern gerechnet - heutzutage kaum noch denkbar. Neben Stadt- und Zeltplänen, FAQs, Online-Sprachkursen, Statistiken, Speisekarten (halbes Hendl für über acht Euro), Unterkünften (mit ebenfalls saftigen Aufschlägen), Chat-Foren oder Webcams wird alles ins Internet geholt, was auch nur ansatzweise mit dem Volksfest zu tun hat. Schließlich müssen italienische Gäste wissen, wo sie ihr Wohnmobil in diesem Jahr parken dürfen. Zudem finden sich hier die Links zu den Festzelten, damit man seine Wunschplätze auf Jahre im Voraus reservieren kann.

Auch kommerzielle Anbieter haben die Anziehungskraft der Wiesn entdeckt und Seiten ins Web gestellt, deren Sinn sich häufig erst nach der dritten Maß erschließt. Die Festzelte per Webcam zu betrachten, hat auf Dauer nur für schlichte Gemüter einen gewissen Reiz. Alternativ kann man sich während der Wiesn „tagesaktuelle Event-Tipps“ auf das WAP-Handy senden lassen, damit man weiß, was in München nach 23:30 Uhr geboten wird. Wer allerdings zu dieser vorgerückten Stunde noch in der Lage ist, ein WAP-Handy zu bedienen, hat den tieferen Sinn des Oktoberfests nicht verstanden. Für die typische Blasmusik muss man auf andere Seiten ausweichen; bei Löwenbräu etwa lassen sich MP3-Dateien herunterladen, um seinen Kollegen im Büro zu demonstrieren, dass man sich nachhaltig für das bayerische Brauchtum einsetzt.

Den Münchnern voraus sind jedoch wie so häufig die Schwaben. Am gleichen Tag wie die Wiesn wird in Stuttgart der „Cannstatter Wasen“ eröffnet, allerdings schon um elf Uhr. Und auch beim Bierpreis liegen die Stuttgarter in Führung: Der Liter kostet auf dem Wasen etwa 7,20 Euro und damit rund 50 Cent mehr als in Bayern. „Wer ko, der ko“, sagt der Münchner und nimmt noch einen tiefen Schluck.