Gastkommentar

Die Oma und das Internet

21.01.2000
Thomas Siegner, Vertriebs- und Marketing-Leiter der Softlab GmbH, München

Kennen Sie den Werbespot mit der Oma und dem Internet? Amerikanische Touristen fotografieren in der italienischen Provinz ein altes Haus. Eine landestypische Oma kommt heraus und mit den Touristen ins Gespräch. Die Oma hat ein Olivenöl-Business. Oh, die Amerikaner sind auch im Business. Sie haben drei Businesses in Ohio. Ohio, sagt die Oma, da mache ich auch Business. Die Amerikaner sind verdutzt, aber das E-Business macht es möglich: Die Oma ist mit ihrem Olivenöl im Internet! Dann die Pointe: E-Business = IBM! Gut gemacht, IBM!

Was uns dieser Spot sagen soll? Wenn sogar die Oma aus der italienischen Provinz mit ihrem Olivenöl im E-Business ist, dann wird es für alle Zuschauer dieses Werbespots auch langsam Zeit. Einen Moment! Mag sein, die Oma ist im Internet, aber ist sie damit auch im E-Business? Sie will doch wohl weniger ein paar Amerikaner aus Ohio auf ihre Homepage bekommen als vielmehr ihr Öl nach Amerika. So wie das Hauptproblem all der E-Buchläden nicht darin besteht, den zukünftigen Leser zu einer Bestellung eines Buches, sondern das bestellte Buch zum zukünftigen Leser zu bringen.

Alle sind auf einmal im E-Business. Es scheint nur noch E-Business zu geben. Aber das ist ein Marketing-Märchen. Jeder bleibt in seinem Geschäft, und wenn er das nicht beherrscht, nützt der Zusatz "E" nicht seinem Umsatz, sondern nur dem seines Lieferanten. Auch wenn das Internet manches Business erst zum Geschäft macht, grundlegend bleibt die jeweilige Kernkompetenz, worin immer sie bestehen mag.

Auf den Olivenölflaschen unserer E-Oma wird auch in Zukunft nicht "virtuell akquiriert" stehen, sondern "kalt gepresst".