Customer-Relationship-Management/Kein CRM ohne Business Intelligence

Die Analyse bringt den Mehrwert

15.03.2002
Kundenorientierung und Berichtswesen - diese Schlagworte kursieren seit vielen Jahren in der Welt des E-Business. Verbindet man beide Ansätze miteinander, entsteht das Zauberwort des analytischen CRM, was sich frei mit Vertriebscontrolling übersetzen lässt. Unternehmen können aus dieser Kombination einen konkreten Nutzen ziehen.

Ökonomisches Ziel des Customer-Relationship-Management (CRM) ist es, die Kundenprofitabilität im Rahmen des gesamten Lebenszyklus eines Kunden zu optimieren. Dies soll durch effektive Maßnahmen beim Identifizieren der Kunden, beim Optimieren des Kundenwerts und bei der Sicherung des Kundenbestands erreicht werden. In der Phase der Identifizierung gilt es, die Investitionskosten für die Suche möglichst gering zu halten, indem die für das Unternehmen profitablen Kunden schnell gefunden werden. Im weiteren Verlauf des Kundenlebenszyklus ist es erforderlich, durch geeignete Maßnahmen wie Cross-Selling oder Up-Selling möglichst viel aus dem Produkt- oder Dienstleistungsportfolio des Unternehmens an den Kunden zu verkaufen. Schließlich sollen umfassende das heißt kundenspezifische Vertriebs-, Marketing- und Service-Aktivitäten dafür sorgen, die profitablen Kunden möglichst lange an das Unternehmen zu binden.

Weniger, dafür profitablere KundenVoraussetzung für eine erfolgreiche und langfristige Kundenbeziehung ist die genaue Kenntnis über Verhaltens- und Bedürfnisstrukturen seitens der Kunden. Dabei ist es allerdings auch wesentlich, die ökonomischen Potenziale im Auge zu behalten, was zum Teil eine erhebliche Ausdünnung der Kundenstruktur zur Folge haben kann. Letztlich dient CRM als Option zur Steigerung der Kundenprofitabilität. Dies basiert stets auf dem Gedanken, dass nicht nur Produkte, sondern auch Kunden einen Lebenszyklus bei Unternehmen durchlaufen.

Über den Customer Lifetime Value (CLV) ergibt sich der Kundenwert, den die Geschäftsbeziehung maximal haben kann. Somit müssen durch CRM Maßnahmen getroffen werden, die es dem Unternehmen ermöglichen, diesen Kunden während des gesamten Lebenszyklus möglichst viele, aber passende Produkte und Dienstleistungen zum Kauf anzubieten. Durch den CLV-Ansatz kann auf einfache Weise nachvollzogen werden, warum es sich viele Unternehmen leisten, den Beginn einer Kundenbeziehung auch mit Verlust zu starten. Dazu gehört nicht nur die kostenlose Überlassung von Girokonten an Studenten, sondern auch von Software, die den Kauf bestimmter anderer Produkte oder Leistungen nach sich zieht.

Diese Ziele vor Augen hilft CRM-Software, Kommunikationsstrategien zu entwerfen und umzusetzen, Kundendaten aus sämtlichen Interaktionskanälen zu sammeln und die Marketing-, Vertriebs- und Servicemitarbeiter mit besseren Informationen zu versorgen. Um hier den Wald bei all den Bäumen noch sehen zu können, bedürfen solche operativen CRM-Prozesse der sorgfältigen Planung und Kontrolle ihrer Kosten-Nutzen-Beiträge. Die Jahre, in denen Füllhörner über neue Trendthemen ausgeschüttet wurden, sind vorbei. Auch im CRM müssen die Effizienz der Prozesse und die Effektivität der getroffenen Maßnahmen gemessen werden und als Feedback für Verbesserungen bereitstehen: Dies erfüllt Business-Intelligence-Software, die Kennzahlen zu Berichten aufbereitet und Analysemöglichkeiten bereitstellt.

Eine Black Box nützt keinem etwasEin anderer Aspekt ist ganz pragmatisch: Was nützen die detailliert gesammelten Kundendaten in CRM-Applikationen, wenn man nicht einfach an sie herankommt? CRM-Software, die Daten in einer "Black Box" verschließt und nur für die eigene Anwendung bereitstellen kann, verschenkt Nutzenpotenziale, da gerade die Mischung mit anderen im Unternehmen anfallenden Daten interessante Informationen generiert. Dies haben alle CRM-Anbieter erkannt und erweitern momentan kräftig die eigenen Analysemöglichkeiten oder schließen Partnerschaften mit Business-Intelligence-Spezialisten ab, die eine direkte Schnittstelle für CRM-Datenbestände anbieten.

Wichtige Business-Intelligence-Funktionen auf der Basis der kundenzentrierten Datensammlung sind:

Reporting: Basisfunktion ist der Aufbau eines Berichtswesens, das anhand von Kennziffern regelmäßig oder adhoc Antworten auf Geschäftsfragen geben kann. Technologische Grundlage ist für neue Installationen eine Web-Architektur zur Erzeugung, Verteilung und Darstellung der Reports.

Kennzahlen je nach PerspektiveAnalyse: Mehrdimensionale Sichtweisen auf den Kunden, zum Beispiel nach Absatzkanälen, Absatzgebieten oder nach demografischen oder regionalen Gruppen ermöglichen die detailliertere Auswertung der anfallenden Daten. Werkzeuge mit Olap-Funktionalität (Olap = Online Analytical Processing) erlauben das freie Navigieren in diesen Daten mit Möglichkeiten der Verdichtung und des Detaillierens - alles ohne manuelle Generierung von Anfragen an die Datenbank, sondern direkt am Bildschirm und einfach zu bedienen. Kennzahlen sind dabei nahezu in Echtzeit abrufbar oder können automatisiert überwacht werden, damit wesentliche Entwicklungen den Entscheidungsträgern auf deren Ausgabemedien (Handy, Pager, E-Mail) direkt übertragen werden. In Form von analytischen Applikationen werden Datenstrukturen, Datenbeschaffungsroutinen und typische Auswertungen bereits vorgedacht und als Vorlagen mitgeliefert. Auf diese Weise sollen sich schnellere Implementierungszeiten realisieren lassen, da Applikationen nur noch angepasst und nicht mehr komplett neu aufgebaut werden müssen.

Planung: Neben der Planung von Kampagnen und anderer operativer CRM-Prozesse sollte die CRM-Software auch in die Vertriebsplanung mit einbezogen werden. Eine Zielplanung, beispielsweise für Umsatz oder Absatz, benötigt unter anderem Kopier-, Verteil- oder Aggregationsfunktionen für Daten. Ferner sollte der Planungsprozess von den Werkzeugen unterstützt werden, da er häufig verteilt und rollierend abgewickelt wird.

Data Mining: Ausgebildete Spezialisten können mit fortgeschrittenen Verfahren der Statistik und künstlichen Intelligenz interessante Muster in Datenbeständen extrahieren, die ganz neue Erkenntnisse über den Kunden generieren können. Pure Rechenleistung und ausgeklügelte Algorithmen erlauben es heute, sehr große Datenbestände maschinell nach Zusammenhängen zu durchforsten. So können "natürliche" Kundensegmente, Modelle zur Klassifizierung von Kunden oder auch Abhängigkeiten in Warenkörben automatisiert gefunden werden.

Eine besondere Variante des Data Mining kommt bei CRM-Prozessen über das Internet zum Einsatz: Web Mining. Hier werden Data-Mining-Methoden auf Daten angewendet, die beispielsweise Aussagen über das Nutzerverhalten auf Web-Seiten herausfinden und so Fragen beantworten wie: "Welche Produkte werden von welcher Kundengruppe angeschaut und gekauft?", "Welche Informationen interessieren welche Zielgruppe am meisten?" oder "Wie führe ich potenzielle Käufer am schnellsten durch die Website zu den sie interessierenden Produkten?"

Data-Mining-Methoden sind zwar die komplexesten Methoden in der Anwendung, liefern aber auch die interessantesten Ergebnisse. Zu den typischen Zielen zählt dabei die Prognose des Kundenverhaltens. Mit ihrer Hilfe soll der Spielraum möglicher Entwicklungen abgegrenzt werden, um das Risiko angesichts der Unsicherheit im Kundenverhalten abzuschätzen.

Bessere Vorhersagen mit Data MiningEs gibt zahlreiche Einsatzgebiete von Data Mining im CRM-Umfeld:

-Response-Wahrscheinlichkeit auf Direkt-Mailings: Durch die Auswertung typischer Charakteristika von Kunden, die auf direkte Angebote reagiert haben, können künftige Aktionen auf solche Kundengruppen beschränkt werden. Der erzeugte "Lift" in der Response-Quote sorgt für eine steigende Effektivität im Direkt-Marketing.

-Vorhersage Lifetime Value: Durch die Analyse der bisherigen Transaktionen eines Kunden, verbunden mit weiteren Informationen wie demografischen Daten und des Verhaltens ähnlicher Kunden, kann ein Lifetime Value näherungsweise berechnet werden.

-Churn-Wahrscheinlichkeit: Vor allem Telekommunikationsanbieter und Finanzdienstleister berechnen die Abwanderungswahrscheinlichkeit von Kunden, die anhand von typischen Mustern in den Transaktionen und Erfahrungsdaten vorhergesagt werden kann. Verbunden mit einer Analyse der bisherigen Profitabilität der Kundenbeziehung und einem prognostizierten Lifetime Value kann so individuell entschieden werden, ob und mit wie viel Aufwand Aktionen zur Kundenbindung betrieben werden sollen.

-Vorhersage Bonität: Auf Basis lernender Systeme werden aus historischen Daten vor allem bei Direktversendern Bonitätsvoraussagen gemacht, um betrügerische Bestellungen nicht zu bedienen.

-Zielgruppenmarketing: Nach einer Identifizierung von Kundensegmenten wird versucht, den spezifischen Interessen der Gruppen gerecht zu werden. Sonderangebote und Spezialkataloge werden so nur noch an relevante Kundengruppen gesandt.

Der Einsatz von Data Mining in den genannten Bereichen bedeutet weitaus mehr als das Anwenden eines einzelnen Analyseverfahrens. Data Mining ist Teil eines umfangreichen Prozesses, der von der Selektion und Aufbereitung von Daten über das Generieren interessanter Datenmuster (eigentliches Mining) bis hin zur Ergebnisrepräsentation und -interpretation reicht.

Konvergenz der SpezialistenDie Notwendigkeit von analytischen Aufgaben im CRM veranlasst Softwareanbieter, verstärkt entsprechende Funktionen mit anzubieten. Dabei ergibt sich eine Konvergenz von Business-Intelligence- und CRM-Software, da CRM-Anbieter entweder ihre Produkte um analytische Fähigkeiten generisch erweitern oder Partnerschaften mit Business-Intelligence-Spezialisten eingehen.

Während grundlegende Reporting-Fähigkeiten in CRM-Applikationen meist mitgeliefert werden, sieht es bei weitergehenden Planungs- und Analysemöglichkeiten schon schlechter aus. Business-Intelligence-Software erlaubt es, die anfallenden Datenmengen zeitnah und benutzerfreundlich auswerten zu können und zusätzlich Funktionen wie eine regelbasierte Überwachung von kritischen Werten mit Notifikationsfunktionen über verschiedene Ausgabemedien verfügbar zu haben.

Während Anbieter wie Applix, Microstrategy oder Epiphany von Anfang an auf die Integration von analytischen Funktionen in ihren Produkten Wert gelegt haben, ziehen andere Anbieter erst jetzt nach. So hat Siebel zur Stärkung der Analysefähigkeiten seiner CRM-Suite den Anbieter von Analysesoftware nQuire aufgekauft und will demnächst auch Adapter für Data-Mining-Produkte bereitstellen. Für den Zugriff auf Siebel-Daten sind weiterhin BI-Spezialisten wie Hyperion, Crystal Decisions, Information Builders oder Cognos zertifiziert, sodass Siebel-Kunden mehrere Wege beschreiten können. Thema hier ist vor allem auch die Integration der CRM-Applikation mit anderen Datenquellen des Unternehmens wie traditionelle und E-Business-Transaktionssysteme.

Den im CRM-Markt ebenfalls aktiven ERP-Anbietern wie SAP oder Peoplesoft, die ohnehin Business-Intelligence-Software in ihrem Portfolio haben, stellt sich die Integrationsfrage nicht. So basiert "Mysap CRM" wie andere "New-Dimension"-Produkte auf dem "SAP Business Information Warehouse" (BW), das eigene Auswertungs- und Analyse-Features bereithält. Zusätzlich werden für die Vertriebsplanung Möglichkeiten des BW-basierenden Planungsmodul "SEM-BPS" eingesetzt.

Vor allem Data Mining bleibt eine Domäne von Spezialanbietern wie SAS, IBM und SPSS. Viele CRM-Tools stellen direkte Schnittstellen zu diesen lange am Markt etablierten Softwareprodukten oder wollen dies demnächst tun. Darüber hinaus existieren auch Werkzeuge, die dediziert nur für bestimmte analytische Fragestellungen eingesetzt werden, beispielsweise Quadstone für Vorhersagemodelle von Kundenverhalten oder Accrue für die Analyse von Web-Daten. Doch auch beim Data Mining bauen CRM-Anbieter ihre eigenen Fähigkeiten aus: SAP hat in Version 3 des CRM-Moduls einige Data-Mining-Funktionen integriert, und Peoplesoft ergänzt seine CRM-Plattform "Peoplesoft 8" um Vorhersagemodelle.

Eine Insellösung darf nicht entstehenCRM als Management-Philosophie in Unternehmen ist sicher unbestritten. Ebenso, dass damit keine neue Insellösung entstehen darf, die vom Wohl und Wehe der Aktualisierung durch den Vertrieb abhängig ist. Ob man eine CRM-Lösung aus dem ERP-System ableitet, an das BI-Werkzeug anbindet oder ein separates Produkt mit beiden Welten integriert, ist dabei eine schwierige Entscheidung.

*Carsten Bange ist Geschäftsführer des Business ApplicationResearch Center (Barc), Dr. Heiko Schinzer ist Vorstand derAdministration Intelligence AG, beide in Würzburg.

Abb.1: Data Mining im E-CRM

Data Mining ist Teil eines CRM-Prozesses, der von der Datenauswahl über die Generierung von Datenmustern bis hin zur Ergebnisinterpretation reicht. Quelle: Barc

Abb.2: Prognose des Kundenverhaltens

Fragestellungen, Ziele und Methoden im Data Mining. Quelle: Barc