Devise für l982: "Weitermachen - wenn auch besser"

18.12.1981

1981 erlebte die Datenverarbeitungsbranche als ein Krisenjahr. Die Einbrache etlicher Hersteller waren den Betroffenen zufolge hauptsächlich auf antizyklisches Verhalten der Benutzer zurückzuführen. Hätten diese früher gerade bei konjunkturellen Talfahrten in die Datenverarbeitung investiert, so würden sie heute von den Vorständen mit Kostenkontrollen konfrontiert und hielten sich demzufolge zurück. Rainer Hartmann, Leiter DV und Informationstechnik, ist überzeugt, daß im kommenden Jahr die große Sparwelle einsetzen wird. Rudolf Nechutnis glaubt zwar, daß für die Informationsbranche weiterhin die Sonne scheinen wird, mahnt jedoch die Hersteller zu Selbstbeschränkung: "In Wachstumsmärkten mit vielseitiger Technik für anspruchsvolle Problemlösungen kann nicht Jeder alles verkaufen." Und Professor Dr. Hans Pärli gibt für 1982 die Devise aus: "Weitermachen - wenn auch besser."

Prof. Dr. Hans Pärli

Geschäftsführer, mbp Mathematischer Beratungs- und Programmierungsdienst GmbH, Dortmund

Es stimmt wohl, 1981 war in der Tat ein unruhiges Jahr für die Datenverarbeitungsbranche. Es sei aber schon hier angemerkt, daß ich in den 25 Jahren, in denen ich mich in und mit der DV-Branche herumschlage, noch kein übermäßig ruhiges Jahr erlebt habe. Außerdem hat es die Branche so an sich, daß viele ihrer wirklichen Revolutionen sich im stillen abspielen, das heißt erst im nachhinein so richtig wahrgenommen werden.

Von dieser Vorbemerkung einmal abgesehen, ist es natürlich richtig, daß der Wettbewerb unter den Hardwareherstellern einerseits und zwischen Vertretern der verschiedenen Typen der automatisierten Datenverarbeitung andererseits eher noch zunehmen wird. Auch sonst werden sich die Tendenzen der jüngeren Jahre wohl fortsetzen: Die "Mainframe"-Datenverarbeitung wird sich nach wie vor guter Gesundheit erfreuen; die

verteilte Datenverarbeitung wird mehr und mehr ihren ideologisierten Charakter verlieren und als ein mögliches Verfahren unter anderen angesehen werden. Das Büro der Zukunft wird unaufhaltsam näher kommen, jedoch keineswegs so abrupt, wie viele das sich naiverweise vorzustellen scheinen. Die Telematik steht mittlerweile unmittelbar vor der Tür (und hält für alle Fälle schon einmal einen Fuß dazwischen). Eine Negativ-Prophezeiung will ich hier ganz konkret wagen: Die IBM wird auch im kommenden Jahr existieren und bei bester Gesundheit sein. Alles andere ist Wunschdenken und/oder entspringt dem Neid.

Und der Anwender? Ich glaube, das dieses ach so mündige Wesen von der Entwicklung, wie ich sie angetippt habe, durchaus profitieren kann. Er darf freilich nicht erwarten, daß ihm alles in den Schoß gelegt wird, sondern muß sich schon ein wenig bemühen.

Er muß sich informieren, unterrichten und weiterbilden. Er muß, das hängt mit dem Vorigen zusammen, den bestmöglichen Gebrauch von seinen DV-Ressourcen machen; sich

"Ideologie" zu leisten, wird er überwiegend nicht das Geld haben. Das bedeutet im besonderen auch, daß der Anwender auch in allgemein schlechteren Zeiten (in ADV) investieren muß. Er darf auf keinen Fall aufhören in seinem Bestreben zu rationalisieren.

Wesentliche Fortschritte sind zu erwarten im Bereich des Büros und auf dem Gebiet von CAD/CAM.

Schwieriger wird es weiterhin für die DV-Leiter, denen noch eindringlicher als vorher vor Augen geführt werden wird, daß sie keinen statischen "Erbhof" gepachtet haben, sondern daß Datenverarbeitung ein dynamischer Prozeß ist. Auch ist die Zeit vorbei, wo für sie die Datenverarbeitung tatsächlich automatisch war; ihre Dienstleistungen müssen zunehmend im eigenen Unternehmen verkauft werden. Nach bestehen hier andererseits - und zwar mehr als anderswo - Sachzwänge. So ist die ganze ADV das Ergebnis eines irreversiblen Vorgangs. Schon der Wechsel eines Herstellers, obwohl ein nicht gänzlich unmöglicher Vorgang, ist oft nur sehr schwer möglich. In viel stärkerem Maße gilt das natürlich für einen Wechsel des ganzen Systems (zentral/dezentral/Netz), was mir persönlich bei manchen allzu frischen Vorhersagen und Einschätzungen nicht recht bedacht zu sein scheint. Zugegeben - überall dort, wo's nicht so gut läuft, kann ein Wechsel nur gut sein (sofern man die richtigen Fachleute heranläßt). Aber sonst: Weitermachen, wenn auch besser, ist das Gebot des Jahres.

Rainer Hartmann

Leiter EDV und Informationstechnik, Geha-Werke GmbH, Hannover (IBM 4341, 4331)

Die Tendenz wird im Jahre 1982 dahin gehen, daß personalmäßig nicht aufgestockt wird, wenn es nicht unbedingt sein muß. Ferner wird die Hardware-Seite kapazitätsmäßig auch nicht stark erweitert werden. Die Unternehmen werden versuchen, die Zahl der Mitarbeiter zu halten - es sei dem betriebsindividuell stehen Projekte im Haus, die schon vorher geplant wurden und neues Personal erfordern. Man wird allgemein mit einer Stagnation rechnen müssen. Die wirtschaftliche Lage sieht nicht so aus, als wären große Expansionsraten zu erwarten. Auf dem Hardwaresektor ist es möglich, daß der

mittlere Datenverarbeitungsbereich von dieser Stagnation profitieren wird. Die Hardware-Hersteller müssen in diesem Bereich eine etwas längere Planung gewährleisten. Dadurch wird Unsicherheit bei den Anwendern abgebaut. Es könnte auch bedeuten, daß die meisten Firmen in den nächsten Jahren nur die Anlagen installieren, die vorher schon geordert wurden.

Im unteren Bereich ist eine Umorientierung nicht auszuschließen. Die Anwender, die sowohl eine größere EDV-Zentrale betreiben, als auch versuchen, Intelligenz zu verteilen, werden mehr in Richtung eines Herstellers gehen und von dem großen Mix Abstand nehmen. Die Softwareseite wird jedenfalls sehr stark auf Kostenersparnis untersucht werden. Die Unternehmen installieren nicht so leicht wie bisher irgendein Softwarepaket. Die Verlagerung der Kosten innerhalb des Hard- und Softwarekomplexes geht eindeutig zu Lasten des Softwareanteils.

Daß es dieses Jahr einigen Herstellern an den Kragen ging, davon sind die Anwender nicht so stark betroffen. Andere Hersteller haben nach wie vor vernünftige Zuwachsraten zu verzeichnen. Ich glaube nicht, daß das Desaster, das sich bei einigen Herstellern gezeigt hat, branchentypisch ist und sich der Anwender dadurch irritieren läßt. Das Budget wird mehr aufgrund der allgemeinen Rezession gestrafft werden und die Geschäftsführung nicht mehr alles genehmigen. Die Gehaltsentwicklung bewegt sich im Rahmen der Tarifabschlüsse, die für das Jahr 1982 zu erwarten sind. Die DV-Abteilung wird sich mit den Gehältern zurückhalten müssen, da der Abstand zwischen EDV und den anderen Abteilungen nicht mehr so groß wie früher ist.

Zusammenfassend ist zu sagen: Die DV-Branche ist nicht krank. Die Hersteller, die es getroffen hat, haben es sich selbst zuzuschreiben. Sonst hätte es doch eine Lawine nach sich ziehen müssen, was durchaus nicht der Fall ist. Der Entwicklung in der DV kann gelassen entgegengesehen werden, nur die allgemeine Wirtschaftslage sieht nicht so gut aus.

Rudolf Nechutnis

Leiter Rechnungswesen/Organisation, Maschinenfabrik J. M. Voith GmbH, Heidenheim

Unsere Kosten für Organisation und Datenverarbeitung (einschließlich umfangreicher technisch-wissenschaftlicher Anwendungen und Rechnerleistungen für NC-Programme) sind vom Geschäftsjahr 72/73 zum Geschäftsjahr 80/81 real um zirka 35 Prozent gestiegen. Die entsprechenden Kennzahlen vom Umsatz liegen jeweils unter ein Prozent.

Diese von vielen DV-Chefs verpönten Kennzahlen sagen allein zwar noch nichts über die Wirtschaftlichkeit der Datenverarbeitung eines Unternehmens aus.

Sie lassen aber in einer längeren Zeitreihe und im Vergleich mit anderen Kennzahlen (zum Beispiel für Vertriebs- und Verwaltungskosten) durchaus Rückschlüsse auf das Kostenbewußtsein im Unternehmen zu. Von uns werden auch im Jahre 1982 - wie in den letzten zehn Jahren - erhebliche Anstrengungen im Hinblick auf wirtschaftliche Führung des DV-Bereiches erwartet. Das schließt nicht aus, daß wir in Einzelfällen noch strengere Maßstäbe als bisher anlegen, um der gesamtwirtschaftlichen Situation Rechnung zu tragen. Dabei können durchaus Prioritäten verschoben werden, um zu einer kurzfristigen Realisierungschance mit nachweisbarer Kostensenkung für das laufende Geschäftsjahr zu gelangen.

Projekte ohne exakt quantifizierbaren Nutzen haben allerdings überhaupt keine Chance verwirklicht zu werden, wenn damit ausgabewirksame Kosten verbunden sind. Im Klartext: Die Begründungen schnellere und bessere Information, Erhöhung der Transparenz und Integration Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit müssen mit ihrem Nutzen quantifizierbar in Werten - nicht in Minuten - sein.

Die wirtschaftliche Entwicklung der Hard- und Softwarebranche im laufenden Jahr und ihre Zukunftsaussichten sind für unsere Entscheidungen keine Einflußgrößen, wohl aber die Entwicklung einzelner Unternehmen als Hinweis auf ihre mittel- und langfristige Existenzsicherung.

So erinnert das anläßlich der letzten SYSTEMS zu beobachtende CAD/CAM-Angebot in fataler Weise an ähnliche Vorgänge um MIS, dezentrale Datenverarbeitung, Textverarbeitung vor einem Jahrzehnt im CeBIT. Hoffentlich sehen wir sie 1983 noch einmal alle wieder - 1985 sicherlich nicht.

Die totale Information dank universeller Vernetzung aller Kommunikationstechniken ist bis jetzt nur in Aufsätzen und Seminaren gelöst worden.

Noch stehen sich die Hersteller dabei teilweise innerhalb ihrer eigenen Produktreihen im Wege. Von wirklich problemlosen Schnittstellen zwischen den Herstellern ganz zu schweigen. Solange diese Problemfälle für die Praxis nicht gelöst sind, werden verantwortungsvolle Anwender lieber das Erreichte pflegen und verbessern, als gutes Geld in noch nicht praxisgerechte Hard-und Software zu stecken.

Anwender, die auf Grund von Ankündigungen im voraus die Katze im Sack ordern, gibt es zwar auch noch, aber ihre Zahl ist beträchtlich kleiner geworden. Manche Hersteller werden es bei ihren Absatzmengen spüren.

Insgesamt gesehen bleibt die Informationsverarbeitung ein Wachstumsmarkt - sowohl hardwareseitig als auch ganz besonders bei der Software. Aber in Wachstumsmärkten mit vielseitiger Technik für anspruchsvolle Problemlösungen kann nicht jeder verkaufen und schon gar nicht jeder alles verkaufen.