Der lange Weg zu offenen Systemen

15.01.1993

Aufgrund der jahrzehntelangen Dominanz der Mainframes ist immer wieder aus dem Blickfeld geraten, dass Datenverarbeitung kein Selbstzweck ist. Erst der Siegeszug der PCs hat das eigentliche DV-Ziel, die Optimierung von Geschaeftsprozessen, wieder ins Bewusstsein gerueckt. Anwendungen wie Lotus 1-2-3 haben gezeigt, dass Datenverarbeitung kein Kult ist, der von RZ-Priestern zelebriert werden muss.

In dieser Situation traten vor etwa fuenf Jahren zwei unterschiedliche Konzepte miteinander in Konkurrenz, die darauf abzielten, durch Standards die immer komplexer werdenden DV- Umgebungen in den Griff zu bekommen. Die IBM versprach ihren Kunden eine System-Anwendungs-Architektur (SAA) fuer eine einheitliche, integrierte DV-Umgebung vom PC bis zum Mainframe - allerdings nur innerhalb der IBM-Welt.

Hinter diesem Ziel verbarg sich jedoch eine weitergehende Absicht. Die IBM wollte sich mit dem SAA-Konzept ihre auf Grossrechnertechnik beruhende Vormachtstellung sichern, die sie durch das Entstehen von heterogenen DV-Landschaften gefaehrdet sah. Als Mittel der SAA-Realisierung dienten deshalb eine Reihe proprietaerer Schnittstellen- und Softwarestandards sowie Management- und Entwicklungskonzepte made by IBM.

Das Alternativkonzept der IBM-Wettbewerber sah vor, DV- Komponenten so zu verbinden, dass der Anwender seine Hardware- Entscheidungen herstellerunabhaenig treffen kann. Diesem Ansatz lag weniger die Liebe zu den Usern zugrunde als die Erkenntnis, dass kein anderer Anbieter die Macht der IBM besitzt, beim Kunden Monokulturen aufzubauen. Die Folge war, dass die Produzenten heterogene Systemwelten durch herstelleruebergreifende, sprich: offene, Standards unterstuetzen mussten.

Das SAA-Konzept gilt inzwischen als gescheitert, die IBM muss erstmals in ihrer Firmengeschichte Verluste hinnehmen und Mitarbeiter entlassen. Die Open-Systems-Anbieter stehen trotz konjunktureller Probleme relativ gut da. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich viele Anwenderunternehmen langfristig finanzielle Vorteile von Downsizing und Client-Server-Umgebungen erhoffen, auch wenn sie erst einmal kraeftig investieren muessen. gfh