Das letzte Hemd hat keine IT-Taschen

03.12.1993

Eine Null-Bock-Stimmung in bezug auf die Daten- und Informationstechnik macht sich bei vielen deutschen Anwenderunternehmen breit: Die einen wollen nicht, die anderen koennen nicht, eine dritte Gruppe benutzt beide Argumente als Ausfluechte. Die Rede ist von der Einfuehrung einer Client-Server- Umgebung, von offenen, verteilten und vernetzten Systemen. Das geht nicht ohne die Abloesung der traditionellen Master-Slave-DV, wie sie in der IBM-Welt durch das in direkter Linie von der 360 (1964) und der 370 (1971) abstammende 390-System repraesentiert wird, einer durch und durch zentralistischen, monolithischen Mainframe-Architektur, die mittlerweile technologisch hoffnungslos veraltet, deren Frist endgueltig abgelaufen ist.

Wie erklaert es sich dann, dass der Client-Server-Architektur der Durchbruch noch nicht gelungen ist? Die einen koennen nicht: Das hiesse doch, solche Unternehmen waeren informationstechnisch und auch sonst nicht mehr manoevrierfaehig. Das gibt es leider, aber dann eruebrigt sich jede weitere Diskussion. Das letzte Hemd hat keine Client-Server-Taschen. Die anderen wollen nicht: Es soll vorkommen, dass der Informationstechnik vom Management nur ein geringer Stellenwert eingeraeumt wird. Akzeptiert, aber wo die Dinge so liegen, hat man, was die DV betrifft, nahe am Outsourcing-Wasser gebaut - kein sehr beruhigender Gedanke. Bleibt, was der bayerische Humorist Karl Valentin einmal so ausgedrueckt hat: "Wollen haetten wir schon moegen, aber duerfen haben wir uns nicht getraut." Bleiben die Argumente, denen man den Alibicharakter nicht gleich anmerkt. Vielfach wird so getan, als koennten sich die DV-Spezialisten mit der Einfuehrung von Client- Server Zeit lassen. So deklarieren die Marktforscher der Gartner Group ihre Client-Server-Drucksachen nicht als Eilsendung: 1995 koenne es schon werden, bis es fruehestens losgehe mit groesseren Umschichtungen in Richtung Client-Server - kein Anlass zu Hektik also. Nun weiss man ja, was von derartigen Prognosen zu halten ist. Entscheider wissen, dass sie nicht warten koennen.

Die Client-Server-Sperre liegt denn auch nicht nur darin, dass in vielen Unternehmen der Rotstift regiert, sondern die Huerde besteht ueberwiegend aus proprietaeren Altlasten, die einen gleitenden Uebergang nahezu unmoeglich erscheinen lassen. Big Blue will aus der Verwirrung Kapital schlagen. Beispiel aus einer IBM-Anzeige: "Wenn man sich als Unternehmen ueber Wasser halten will, muss man einen klaren Kurs halten. Und um seine Unternehmensziele zu erreichen, sollte man auf die Wahl der DV-Loesung achten. Besonders dann, wenn es sich um das wichtigste Unternehmensgut Informationen handelt. Mainframes. Manchmal braucht man einfach Groesse."

Das nennt man Geschaeft mit der Angst - Panikmache, die leicht zu durchschauen ist: Der IBM selbst haben ihre Mainframes nichts genuetzt, manchmal braucht man eben einfach den schnellen Durchblick. Nun wird klar, worin auch die IBM-Oberen den einzigen Ausweg aus der Mainframe-Misere sehen: Client-Server. Es koennte sich raechen, dass sie die Mainframe-Kampagne zugelassen haben.