Satire

CW-Wert

07.05.1999

Wo liegt der signifikante Unterschied zwischen Liebesbriefen und erotischen E-Mails? Erstere sammelt man/frau, schlingt ein blaßblaues Satinbändchen darum und verschließt sie im Innern eines Rosenholzkästchens. Letztere werden auf die Festplatte gespeichert oder zumindest ein paar Wochen lang nicht aus der Mailbox gelöscht.

Wie romantisch das sein kann, beweisen Meg Ryan und Tom Hanks derzeit im Kino. Außerdem ist es praktisch und sicher. Ha, Irrtum! Aus den USA ereilt uns gerade die Nachricht, daß der E-Mail-Verkehr der Eheleute immer häufiger als Beweismittel in Scheidungsverfahren dient. Abgefeimte Schlampen und arglistige Macho-Schweine versteigen sich dazu, die Festplatte ihres Partners nach verräterischen Mail-Spuren zu durchsuchen. Den Namen, der einst so süß in ihren Ohren klang, überantworten sie einer fühllosen Suchmaschine, die jede Äußerung des künftigen Ex-Gatten in den einschlägigen Newsgroups und Chat-Foren aufspürt.

Na, bricht Ihnen gerade der kalte Schweiß aus beim Gedanken daran, wie sie kürzlich im Cyber-Plausch mit "Carmen" aus Castrop-Rauxel über den Reiz des außerehelichen Geschlechtsverkehrs schwadroniert haben - rein theoretisch selbstverständlich? Könnte es sein, daß der ausgedruckte Beweis Ihrer libertinären Geisteshaltung gerade eben aus der Handtasche Ihrer Frau auf den Schreibtisch eines Anwalts wandert? Tja, der Computer vergißt nichts und verzeiht nichts; das hätten Sie als Jahr-2000-Spezialist eigentlich wissen müssen.