Satire

CW-Wert

24.11.2000

Noch in diesem Jahrhundert wird die Intelligenz von Maschinen diejenige von Menschen überholen, prognostiziert Raymond Kurzweil. Maschinen sind dafür berüchtigt, dass sie es genau nehmen. Daher müssten sie zu jenen Haarspaltern gehören, die unter Berufung auf die Kalenderlogik darauf beharren, noch bis Silvester im 20. Jahrhundert zu existieren. Dann wäre Kurzweils Prognose schon in den kommenden Wochen zu überprüfen. Doch der Visionär wähnt sich - wie so viele Menschen - längst im neuen Jahrtausend, für das er sich offenbar eine Verschmelzung der Menschen mit Nanocomputern erhofft, die uns ein Billiardenfaches unserer jetzigen Intelligenz bescheren soll. Was würden die Menschen mit diesem gewaltigen Zuwachs wohl anfangen? Vermutlich auf höherem Niveau so rechthaberisch streiten wie jetzt.

Aber vielleicht braucht es die Nanotechniker gar nicht, damit Maschinen unsere Intelligenz überrunden. Vielleicht ist das längst geschehen. Tricksen Videorecorder und PC uns nicht täglich aus? Denken wir diesen Gedanken zu Ende: Welchen Grund hätten wirklich intelligente Geräte, uns Emotionsbündeln wohlgesonnen zu sein, uns gar zu dienen? Ist es nicht plausibler, dass Computer, Geldautomaten und Handys sich via Netz eine völlig eigene Kultur schaffen, in der die Menschen lediglich dazu da sind, den Einschaltknopf zu drücken oder neugierige Geräte spazieren zu tragen? Aber vielleicht würden wir dann die Intelligenzbestien einfach ignorieren, und uns stattdessen endlich um die wichtigen Seiten des Lebens kümmern: etwa im warmen Bett kuscheln und uns auf die ersten Schneeflocken freuen.