Satire

CW-Wert

14.06.2002

Olé, oleoleolee, so schallte es aus dunklen deutschen Kellern. Kein Wort von Krise mehr nach dem 8:0-Erfolg der DFB-Auswahl über die Fußballgötter von der arabischen Halbinsel.

Mit Spiegelteleskopen suchten Fans und Presse den Horizont nach weiteren, äh, Schwalben ab, die den Sommer des deutschen Fußballs zurückbringen sollten. Ähnliches spielt sich derzeit im IT-Markt ab. Alle Naselang meldet sich jemand zu Wort, der die Talsohle durchschritten, die Wolken silbern umrahmt und den dunklen Tunnel irgendwo ganz hinten schwach erleuchtet wähnt, wobei sich die subjektive Wahrnehmung leider oft genug auf einen defekten Höhenmesser, eine modisch getönte Brille oder eine Flasche Bordeaux zurückführen lässt. Nun will niemand dem Cisco-Chef John Chambers unterstellen, ein Fashion Victim oder Trunkenbold zu sein. Aber es mutet doch seltsam an, wenn der Internet-Spezialist verkündet, in den kommenden drei bis fünf Jahren den Umsatz mit der heftig angeschlagenen Telekommunikationsbranche um 40 bis 50 Prozent steigern zu wollen. Auf Aussagen zum vierten Quartal des laufenden Geschäftsjahres ließ sich Chambers indes nicht festnageln - mit der Begründung, Cisco wolle nicht "langweilig vorhersehbar" sein. Ach, Mr. Chambers, diese Art von Langeweile könnten wir zur Not noch ertragen - zumindest leichter als aufregende Vorhersagen mit höchst zweifelhaftem Wahrheitsgehalt. Okay, die Pessimisten mit ihrer Weltuntergangs-Larmoyanz tragen sicher nicht dazu bei, das Investitionsklima zu verbessern; dummerweise klingen sie aber viel glaubwürdiger als die notorischen Gesundbeter. Die Taktik der Alles-halb-so-schlimm-Propheten ist einfach zu durchsichtig: Sie spekulieren auf den Doppelpass zwischen Marktstimmung und Börse. Doch der funktioniert nur, wenn die Prognosen auf Fakten beruhen. Wo bleibt also der 1:0-Sieg über die Faröer-Inseln?