Satire

CW-Wert

25.07.2003

Wenn Ulla Schmidt und Horst Seehofer die Köpfe zusammenstecken, behalten sie hoffentlich eines im Blick: Der Patient 2003 ist mündig!

Früher ging der Erkrankte in die Praxis und sagte: "Ich habe einen Schnupfen." Der Arzt unterzog ihn daraufhin einer eingehenden Untersuchung inklusive Anamnese, Differentialdiagnostik und allerlei kaltem Gerät. Das Ergebnis lautete in der Regel: "Sie haben einen Schnupfen."

Dank Internet ist für den Arzt heute alles einfacher geworden. Der Patient kommt in die Praxis und beklagt eine Sinusitis, die im schlimmsten Fall auch eine persistierende Rhinitis sein könnte. Wegen der vermutlich geringen Spontanheilungsquote verlangt er ein nasales Steroid, einen Mastzellstabilisator oder ein Alpha-Sympathicomimetikum - schließlich droht im schlimmsten Fall eine nicht beherrschbare Rhinorrhoe.

Eine Gesundheitsreform sollte da-rauf reagieren, dass ein hoher Prozentsatz der Patienten nicht nur die Diagnose beherrscht, sondern auch Vorschläge für die Therapie unterbreiten kann. Damit schmilzt der Behandlungszeitraum, die Mediziner können erheblich mehr Patienten durch ihre Praxen schleusen, und die Honorare sollten deutlich sinken.

Übrigens ergeben sich auch für den Patienten Vorteile. Musste er früher gegenüber seinem Arzt - oder, schlimmer noch, der Sprechstundenhilfe - mit geröteten Wangen ein Hämorrhoiden-Bekenntnis ablegen, kann er nun über eine Entzündung der ateriovenösen Blutgefäßpolster unter der Enddarmschleimhaut dozieren. "Empfehlen Sie eine Hamamelis-Salbe, Verödung oder eine Gummibandligatur?" Wer so fragt, wird als kundiger Patient wahrgenommen, und nicht als dreister Kassenquerulant.