Web

CIA: Compaq Europa geht direkt am Channel vorbei

07.12.1999
Skandal im Sparbezirk

Von CW-Redakteur Jan-Bernd Meyer

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Eine schöne Bescherung hat Compaq für seine Vertriebspartner in petto: Wenn alle Details geklärt sind, werden Privat- wie Geschäftskunden direkt und unter Umgehung des Distributionskanals über das Internet beim PC-Primus einkaufen können. Die Lieferung an die Kunden soll ein noch zu ernennender Logistikpartner erledigen.

Sowohl schwindende Margen im PC-Geschäft als auch die Gesetze des Internet-Commerce zwingen Compaq dazu, seine indirekte Vertriebsstrategie auch in Deutschland gründlich zu überdenken. Zwar bestritt die mit Problemen kämpfende PC-Macht aus Texas gegenüber der COMPUTERWOCHE, ihre Systeme nun direkt zu verkaufen zu wollen. Allerdings konzedierte Compaq, im Dialog zwischen Hersteller und Kunden schalte man mit dem neuen Geschäftsmodell seine Vertriebspartner aus.

Einen Namen hat das neue Vertriebsmodell auch schon. Hinter dem etwas irritierenden Akronym "CIA" verbirgt sich, was Compaq seinen Partnern gerne auf die Fahne schreiben würde: "Channels for the Internet Age". Compaq erwischte seine Partner mit der Ankündigung des neuen Vertriebsmodells offensichtlich kalt: Entsprechende Bitten der COMPUTERWOCHE um Stellungnahmen wurden zunächst abgelehnt. Compaq hatte den Kanal erst 18 Stunden vor der offiziellen Pressemitteilung informiert.

Sobald ein Unternehmen gefunden ist, das für den PC-Hersteller die Logistik übernimmt, soll das neue Vertriebsmodell in Szene gesetzt werden. Compaq glaubt, daß ab dem dritten Quartal 2000 Endkunden vorkonfigurierte Systeme auf Compaqs Internet-Homepage bestellen können. Ab diesem Zeitpunkt werden die Preise für PCs und Intel-Server sowohl bei Compaq selbst als auch bei den Vertriebspartnern identisch sein. Consumer-Produkte und hochwertige Server wie die Alpha- und Tandem-Systeme werden allerdings nicht in das Vertriebsmodell integriert.

Damit fährt Compaq die Händlerspanne seiner Partner, also etwa der großen Distributoren Computer 2000 und Ingram Macrotron oder der Systempartner wie Bechtle und Compunet, auf Null herunter. Der Kanal soll künftig nicht mehr daran verdienen, Hardware durchzuschleusen, sondern nur noch für zusätzliche Dienstleistungen kassieren. Sollte aber ein Partner für Compaq ein Geschäft in die Wege leiten, so wird der PC-Hersteller diesem eine Provision zahlen.

Wer der oder die Logistikpartner für Compaq sein werden, wird in einer Ausschreibung geklärt. Im Prinzip kommen, sagte Compaqs Channel-Manager Christian Mertens, für diese Aufgabe nur wenige Firmen in Frage. Diese müßten zum einen gewährleisten, daß die Geräte innerhalb von vier bis fünf Tagen beim Kunden ausgeliefert sind, und zum anderen in der Lage sein, gemeinsam mit Compaq ein Configure-to-Order-Modell (CTO) zu realisieren. Diese Bestückung der Systeme nach Kundenwunsch dürfte vor allem von großen Distributoren wie C 2000 und Ingram Macrotron zu leisten sein. Sollte tatsächlich einer von ihnen Compaqs Logistikpartner werden, ergäbe sich daraus die aparte Situation, daß die anderen bisherigen Compaq-Distributoren direkt bei ihrem Konkurrenten beziehen müßten.

Compaqs größter Dienstleistungspartner Compunet mit seinem Logistik-Know-how im Auslieferungslager Kerpen käme für diese Herausforderungen ebenfalls in Frage. Zu denken wäre gegebenenfalls auch an ein branchenneutrales Unternehmen wie UPS, das allerdings in Bezug auf CTO Schwächen haben dürfte. Selbstkritisch räumte Compaq ein, in Sachen Logistik alles andere als stark zu sein, weswegen dieser Part an jemand anderen vergeben werden müsse.

Compaq reagiert mit dem neuen Vertriebsmodell auch auf die fatale Margensituation im Geschäft mit PCs. So konnte das Unternehmen in Deutschland zwar in der jüngeren Vergangenheit den Verkauf von Desktop-Systemen nach Stückzahlen um weit über 50 Prozent steigern, doch seine Bruttomarge ("Gross Margin") beträgt nur rund vier Prozent. Nach Abzug der Betriebskosten schreibt Compaq deswegen mit seinen PC-Systemen Verluste. Diese mißliche Situation trifft im Prinzip auf alle PC-Hersteller - außer den Direktvertreibern Dell und Gateway - zu. Es besteht somit dringender Handlungsbedarf.