Wie die Credit Suisse ihren Web-Auftritt vereinheitlicht hat

Beim nächsten CMS wird alles anders

16.01.2004
ZÜRICH (qua) - Im zweiten Anlauf hat der Schweizer Bankkonzern Credit Suisse ein einheitliches Content-Management-System (CMS) für seinen Web-Auftritt eingeführt. Der vorangegangene Versuch, alle Anforderungen bereits vor der Implementierung zu definieren, misslang.

Südwestlich der Züricher Innenstadt, gegenüber der legendären "Goldküste", ist er in den Hang gebettet - ein gigantischer grünlich-grauer Glasquader, der unter anderem die E-Business-Einheiten der Credit Suisse beherbergt. Die etwa 110 Mitarbeiter dieses Bereichs sorgen beispielsweise dafür, dass der global agierende Finanzdienstleister im World Wide Web adäquat repräsentiert ist.

In vielen Unternehmen der westlichen Hemisphäre wurden in den vergangenen Jahren die Web-Auftritte nur so aus dem Boden gestampft - mit wenig Rücksicht auf strategische Planung, oft einzig mit der Vorgabe, schneller zu sein als die Konkurrenz. Als der E-Rausch dem immer noch anhaltenden Kater wich, besannen sich die Unternehmen darauf, dem Internet-Wildwuchs einen ordentlichen Schnitt zu verpassen.

"Out of the box" statt proprietär

So hatten auch bei der Credit Suisse einzelne Geschäftsbereiche ihre Site ins Netz geworfen und auf eigene Faust gepflegt. 1999 startete die Schweizer Großbank dann mit dem Projekt "CMS-ISI" den ersten Versuch eines einheitlichen Internet-Auftritts. Dazu gehörte selbstverständlich ein zentrales Content-Management-System.

Mit "Astoria/Eclipse" von Crystal Software kam zwar ein marktgängiges CMS-Werkzeug zum Einsatz, doch bei der Implementierung wollten die IT-Fachleute des Finanzdienstleisters alle individuellen Anforderungen erfüllen, so dass letztendlich ein durch und durch proprietäres System entstanden wäre. "Damals wurde eher eine Make- als eine Buy-Entscheidung getroffen", erläutert Max Greiner, Projektleiter im Competence Center E-Solutions der Credit Suisse. Darüber hinaus erwies sich der Versuch, zunächst alle Anforderungen zu sammeln und sie dann umzusetzen, als nicht praxistauglich.

Mitte 2001 gab es deshalb einen Paradigmenwechsel: Die Führungsverantwortlichen entschieden, ein Standard-Tool "out of the box" einzuführen, das sukzessive für die eigenen Bedürfnisse angepasst werden sollte.

Die grundlegenden Vorgabe war relativ einfach zu erfüllen: Das CMS-Werkzeug sollte die Extended Markup Language (XML) unterstützen, denn die Dokumentenbeschreibungs-Sprache erlaubt es, Inhalt und Layout durchgängig zu trennen. Da sie schon damals als Quasi-Standard galt, gab es reiche Auswahl an kompatiblen Softwarewerkzeugen. Ebenfalls nicht allzu schwierig war es, eine Software zu finden, die sich mit dem Applikations-Server "Bea Weblogic" vertrug. Ihn hatte die Credit Suisse bereits als Hausstandard definiert.

Weniger leicht ließen sich die Security-Vorgaben der Bank erfüllen. Beispielsweise war die Möglichkeit eines direkten Durchgriffs auf die operativen Systeme, wie ihn einige der marktgängigen Tools vorgesehen hätten, mit den Sicherheitsanforderungen eines Finanzdienstleisters nicht vereinbar.

Zu den weiteren Kriterien zählten das durchgängige Vieraugenprinzip innerhalb der Arbeitsvorgänge und die Mandantenfähigkeit der Software - ein Muss bei einer dezentralen Organisation, wie sie in der Credit Suisse gegeben ist. Last, but not least war Mehrsprachigkeit gefordert: Die Inhalte sollten Workflow-basierend von den internen Sprach- und Übersetzungsabteilungen bearbeitet werden können, damit sie sich gleichzeitig in Deutsch, Englisch, Italienisch und Französisch publizieren ließen.

Im November 2001 startete das neue Projekt oder besser: die beiden Projekte. Zunächst ging es darum, den vorhandenen Content zu "streamlinen", erläutert Greiner. Die auf ursprünglich 12000 Seiten verteilten Inhalte sollten reduziert und einem einheitlichen Look and Feel unterworfen werden. Parallel zu dieser Aufräumarbeit war die neue CMS-Plattform zu implementieren.

Die beiden Aufgaben wurden an zwei separate Projektteams vergeben: auf der einen Seite an die IT-Crew, die für die Technik und Architektur verantwortlich zeichnete und den Workflow implementierte, auf der anderen an die "Web Production", also die interne Web-Agentur der Bank. Ihr oblag die Zuständigkeit für die Templates sowie das Look and Feel der Site. Insgesamt waren zu Spitzenzeiten knapp 20 Mitarbeiter und externe Kräfte in das Projekt involviert.

Unterstützen ließ sich die Credit Suisse sowohl in Sachen Architektur als auch bei der Einführung des Systems von der Münchner IT- und Management-Beratung Benmark GmbH, die sich bereits in anderen IT-Projekten der Bank bewährt hatte. Die Produktwahl fiel auf "Teamsite" von Interwoven. Das Softwarewerkzeug erfüllte alle beschriebenen Anforderungen. So unterstützt es beispielsweise einen reinen Push-Mechanismus vom Backend- zum Applikations-Server.

Step-by-Step-Ansatz hat sich bewährt

Die eigentliche Implementierung des CMS auf die zentrale Server-Platform war im Herbst 2002 abgeschlossen - nach etwa zehn Monaten Projektlaufzeit. Danach wurde das System peu à peu ausgerollt. Wie Christian Gröger, Principal Consultant bei Benmark, beteuert, nimmt die Migration einer Tochtergesellschaft oder eines Bereichs lediglich vier bis sechs Wochen in Anspruch. Bis zur Mitte dieses Jahres (2004) werde deshalb ein Großteil der gesamten Gruppe umgestellt sein - einschließlich der internationalen Web-Auftritte in den verschiedenen Ländern.

Müsste Projektleiter Greiner heute noch einmal beginnen, würde er denselben "Step-by-Step"-Ansatz wählen, sagt er. Die Chance, während der Laufzeit mit der Materie vertrauter zu werden und sich weiterzuentwickeln, sei entscheidend für den Erfolg gewesen. Doch hatte auch Greiner seine Lektion zu lernen - heute würde er die Anwender früher in das Projekt einbinden, um ihr Feedback rechtzeitig in die Arbeit einfließen zu lassen: "Das CMS verändert die Prozesse und die Organisation. Es ist wichtig, die Betroffenen früh zu beteiligen, um ihnen die Ängste zu nehmen."

Tatsächlich hat sich die Arbeit beim Redaktionsteam und in der Web-Produktion stark verändert: Wie Greiner bestätigt, laufen die Prozesse bei Freigabe und Veröffentlichung mittlerweile sehr viel schneller ab als zuvor. Einfacher wurde auch die Arbeit der Administratoren, weil das CMS ihnen einen großen Teil der Routineaufgaben abnimmt. Dadurch ließ sich der Wartungsaufwand deutlich reduzieren, so der Projektleiter.

Den Breakeven will der Bankkonzern Anfang 2004 erreichen. Wie hoch die Gesamtinvestitionen sein werden, will Greiner zwar nicht preisgeben. Aber er deutet immerhin an, dass das Budget "im einstelligen Millionenbereich" liege. Kostensparend wirkt sich dabei das Konzept der "Competitive Server Platform" (CSP) aus. Es sieht vor, dass unterschiedliche Applikationen dieselbe skalierbare Hardware- und Betriebssystem-Infrastruktur - in diesem Fall Sun Solaris - nutzen. Der Vorteil: Für das Projekt muss keine dedizierte Rechnerkapazität angeschafft werden. Zudem lässt sich der zu erwartende Mehrbedarf in einer solchen Umgebung leichter auffangen.

Noch bevor die Migration der nach heutigem Stand nur noch 6000 Internet-Seiten abgeschlossen ist, hat die Credit Suisse den nächsten Schritt in Angriff genommen: Auch für die Bearbeitung der Intranet-Seiten soll künftig das Interwoven-Werkzeug genutzt werden.

Steckbrief

Projektart: Einführung eines Content-Management-Systems und Vereinheitlichung des Web-Auftritts.

Branche: international agierende Universalbank.

Zeitrahmen: Konzept und Implementierung von November 2001 bis September 2002.

Stand heute: läuft produktiv.

Aufwand: Investition im einstelligen Millionenbereich, maximal 20 interne und externe Mitarbeiter zeitgleich.

Produkte: Content-Management-System "Teamsite" von Interwoven auf Sun Solaris mit Applikations-Server "Bea Weblogic".

Dienstleister: Benmark GmbH, München.

Umfang: für den Gesamtkonzern.

Ergebnis: einheitliche Content-Bearbeitung, gemeinsames Look and Feel, schlankere Prozesse, dadurch verkürzte Time to Market und reduzierte Kosten.

Herausforderung: Neuanfang nach gescheitertem Vorgängerprojekt.

Nächster Schritt: Umstellung der Intranet-Plattform.

Die Bank

Die Credit Suisse Group ist ein weltweit tätiges Finanzdienstleistungs-Unternehmen mit Hauptsitz in Zürich. Die Geschäftseinheit Credit Suisse Financial Services bietet Privatkunden sowie kleineren und mittelgroßen Firmen Finanzberatung, Bankprodukte sowie Vorsorge- und Versicherungslösungen der Winterthur an. Die Geschäftseinheit Credit Suisse First Boston unterstützt globale Institutionen und Unternehmen, staatliche Körperschaften und Privatkunden als Finanzmarkt-Intermediär. Die Gruppe beschäftigt weltweit rund 61300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Per 30. September 2003 verwaltete sie Vermögen in Höhe von knapp zwei Billionen Schweizer Franken.