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Autogiganten starten größten Online-Marktplatz

28.02.2000
Ford, GM, Daimler-Chrysler, Oracle, Commerce One und Cisco in einem Boot

MÜNCHEN (kg) - Ford Motor Co. und General Motors (GM) wollen ihre Online-Marktplätze für Zulieferer der Automobilindustrie, "AutoXchange" beziehungsweise "TradeXchange", zu einem Unternehmen zusammenlegen und Daimler-Chrysler mit ins Boot holen. Die drei Auto-Konzerne werden an der neuen Company, für die bislang weder Name noch Management-Team bekannt gegeben wurde, zu gleichen Teilen beteiligt sein. Minderheitsanteile gehen zudem an die Technologie-Partner des Joint Ventures Oracle, Commerce One und Cisco Systems. Das Projekt soll offiziell am kommenden Mittwoch vorgestellt und noch im ersten Quartal 2000 endgültig abgesegnet werden.

Die neue Online-Handelsplattform wird nach Ansicht von Brian Kelley, Fords Vice-President für E-Commerce-Projekte, zum weltweit größten virtuellen Warenumschlagplatz, für den in absehbarer Zukunft auch ein Börsengang geplant sei. Wallstreet-Experten zufolge wird die Marktkapitalisierung des Unternehmens in wenigen Jahren bei 30 bis 40 Milliarden Dollar liegen. Der Jahresumsatz des E-Commerce-Marktplatzes, der sich aus Transaktionsgebühren, Werbeeinnahmen und Serviceleistungen zusammensetzt, werde sich auf mindestens drei Milliarden Dollar belaufen. Nach der Inbetriebnahme soll die Website ein Einkaufsvolumen von rund 240 Milliarden Dollar jährlich abwickeln: Davon entfallen 87 Milliarden Dollar auf GM, 80 Milliarden Dollar auf Ford und 73 Milliarden Dollar auf Daimler-Chrysler.

Die virtuelle Business-to-Business-Handelsbörse soll allen Zulieferern, Partnern und Händlern der drei Auto-Konzerne offen stehen. Diese können eine Vielzahl von Transaktionen tätigen, darunter Katalogeinkäufe, Ausschreibungen, Preisangebote, Online-Beschaffung und Auktionen. Zudem sollen Managementfunktionen für die Versorgungskette bereitstehen, wie etwa Kapazitätsplanung, Nachfrageprognosen, Produktionsplanung, Transaktionsautomatisierung in der Supply-Chain, Finanzdienstleistungen sowie Zahlungssystem und Logistik. Bei diesen Zusatzfunktionen geht es vor allem um Kostensenkung. GM-Vertreter hatten zur TradeXchange-Gründung im November 1999 verkündet, der virtuelle Handelsplatz könnte bis zu 90 Prozent der für die Auftragsabwicklung anfallenden Kosten einsparen.

Mit diesem Joint Venture reagieren die Automobilhersteller nach eigenen Angaben auf den Wunsch der Zulieferer und Händler nach nur einem Handelsplatz. Mit der Beteiligung von Daimler-Chrysler, das bislang keinen eigenen E-Commerce-Marktplatz betreibt, wollte die Amerikaner dem Entstehen eines rein europäischen Konkurrenten vorbeugen.

Die zunächst erfolgende Zusammenlegung der Ford- und GM-Aktivitäten hat eine Technologie-Auslese zur Folge. Softwaregigant Microsoft und das auf Supply-Chain-Management spezialisierte i2 Technologies, die für GMs TradeXchange Produkte zur Verfügung gestellt hatten, sind aus dem Rennen. Statt dessen liefert künftig Oracle - wie schon für Fords AutoXchange - seine "8i"-Datenbank für den gemeinsamen E-Commerce-Marktplatz. Ford bringt außerdem seinen Netzwerk-Partner Cisco und GM seinen TradeXchange-Partner Commerce One mit an Bord.

Mit dem Datenbank- und ERP-Spezialisten Oracle und dem E-Procurement-Experten Commerce One sitzen damit zwei Konkurrenten im selben Boot. Nach einem Bericht des Brancheninformationsdienstes "Computerwire" sieht Oracles COO (Chief Operating Officer) Ray Lane darin jedoch keinen Nachteil. In den nächsten Wochen sollen die verschiedenen Komponenten beider Unternehmen für den Betrieb des Online-Marktplatzes zusammengestellt werden. Dabei können beispielsweise die benötigten Beschaffungs-, Katalog-Management- oder Auktionsfunktionen sowohl von Commerce One also auch von Oracle kommen. "Für die Anwender bleibt das bedeutungslos. Sie erfahren gar nicht, ob es sich um Systeme von Oracle oder Commerce One handelt," erläuterte Lane. Beide Firmen werden für die Anbindung von Backend- und ERP-Systemen (Enterprise-Resource-Planning) mit der Integrationssoftware von Web Methods arbeiten. Außerdem wird einiger Aufwand in Neuentwicklungen fließen, damit Oracle- und Commerce-One-Komponenten reibungslos zusammenarbeiten.

Es wird erwartet, dass Daimler-Chrysler eine bislang nicht näher bestimmte Bargeldsumme in die Partnerschaft mit einbringt. Des weiteren soll der deutsch-amerikanische Automobilkonzern ebenfalls zwei eigene Technologie-Partner beisteuern. Nach einem Bericht des "Wall Street Journal" handelt es sich bei dem einen um SAP.

Auch andere Fahrzeughersteller sollen sich an dem neuen Unternehmen beteiligen können. So hätten Renault SA, Nissan Motor Co. und Toyota Motor bereits ihr Interesse bekundet. Honda Motor Co. hat sich nach eigenen Angaben noch nicht entschieden.

Den Anlegern gefiel die Strategie der Autogiganten: Am vergangenen Freitag stieg die Aktie von Commerce One um 19 Prozent auf 213,06 Dollar. Oracle legte um 14 Prozent auf 70,62 Dollar zu. GM notierte bei 77,06 Dollar (+ 1,81 Dollar), Ford bei 42,93 Dollar (+ 0,81 Dollar) und Daimler-Chrysler bei 63,50 Dollar (+ 1,56 Dollar).