Führender IBM Manager widerspricht Hug

Amerika hat es nicht besser

28.03.1997

Noch im vergangenen Herbst war sich Edmund Hug sicher, einen Grund für die Krise des "Standorts Deutschland" gefunden zu haben: Der damalige IBM-Geschäftsführer, inzwischen in die europäische Zentrale von Big Blue gewechselt, sah ein signifikantes Defizit in der strategischen Ausrichtung heimischer IT-Infrastrukturen.

Hug bemängelte anläßlich einer Pressekonferenz zum Thema Electronic Commerce den Konservativismus deutscher Unternehmen sowie fehlendes finanzielles Engagement in innovative Technologien. E-Commerce, Globalisierung der Kommunikation und unternehmensweite Groupware-Konzepte seien der deutschen Firmen Sache nicht. Hierzulande würde zudem deutlich weniger in IT-Infrastruktur investiert als etwa in USA oder auch in Asien.

Wird der Blick etwas globaler, verändert sich die Perspektive: In einem CeBIT-Gespräch verneint Steve Mills, General Manager Software Solutions der IBM, erkennbare IuK-Defizite in Europa und Deutschland. Eher sei es umgekehrt: In den USA existiere, nicht zuletzt genährt durch die dortige Computerpresse, ein gewisser "Hunger nach Wahnsinn" in der Computerszene, eine Sucht nach den immer neuesten Produkten. Das Phänomen des Home-Computers habe einen ungesund starken Einfluß auch auf die Struktur der Business-IT.

US-Anwender forderten, im Büro mit der gleichen Ausstattung wie zu Hause arbeiten zu können, so Mills. Dies verursache den IT-Verantwortlichen zunehmend Kopfschmerzen, enorme Kosten für Updates und Administration. Viele US-amerikanische CIOs wünschen sich nichts sehnlicher als eine strategische IT-Ausrichtung und stringente Implementationen, so Mills.

Eine unterentwickelte IT-Strategie oder fehlende Investitionen erkennt Mills für Europa nicht. Der europäische Konservativismus zeige sich allerdings darin, daß Firmen ein wenig zu ausschließlich auf den Return on Investment und zu wenig auf neue Business-Chancen sehen. Trotzdem sei auch in der Alten Welt eine schnelle Adaption innovativer Konzepte wie etwa E-Commerce zu erkennen. Auch die Integration von Groupware-Funktionalitäten, der Einsatz von Web-Browsern und Web-Servern hinkten in Europa nicht hinter dem Welt-Standard her.

Der Versuch auch kleiner Unternehmen, ihre Märkte über das Internet zu globalisieren - in den USA häufig zu beobachten -, sei allerdings in Europa noch selten anzutreffen. Die gesamte Netzwerk-Infrastruktur und das Internet würden - bedingt durch regulierte TK-Märkte - im Vegleich zu den USA noch weniger stark im Brennpunkt stehen wie im TK-liberalisierten Amerika.

Überraschenderweise sei in Deutschland vor allem die öffentliche Hand an E-Commerce und Internet-Lösungen interessiert. Auch gebe es auf administrativer Ebene einen regen Austausch zwischen Deutschland und USA.

Also: Deutschland als DV-technologisches Enwicklungsland Fehlanzeige - sorry, Herr Hug. Allerdings stehe die IT weltweit vor einer bedeutenden Transforma- tion, so Mills. Die Vernetzung sämtlicher IT-Ressourcen, die globale Kommunikation erhöhe die Notwendigkeit von Transaktionen der "großen Art". Ein verteiltes Multiplattform-Environment, das zuverlässig sein muß, sei in viel höherem Maße gefragt als etwa bei einem Client-Server-Paradigma, das lediglich eine Abteilung umfasse.

Die Sicherheitsanforderungen von Geschäftstransaktionen im Netz, Thin Clients sowie der globale Zugriff auf Unternehmensanwendungen führten vielmehr zur Notwendigkeit großer Daten-Server und damit zu einer Rezentralisierung der IT. Statt dem (Wintel-)Ansatz "Kleiner Server - applikationsintensiver Client" werde zukünftig das Modell "Thin Client - mächtiger Daten-Server" vorherrschen. "Die Services der IT liegen schon bald nur noch auf dem Server, nicht mehr auf aufgemotzten Clients. Daß diese Entwicklung", so Mills, - prognostiziert etwa auch in den Analysen von Bloor Research - "uns als IBM nicht ungelegen kommt, darf vorausgesetzt werden.

*Manuel Okroy ist freier Journalist in München.