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Thema des Tages

All about Linux

12.10.1999
Thema des Tages

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Wenn der US-Linux-Distributor Red Hat, der Ende August sein fulminantes Börsendebüt an der Nasdaq gab, nun versucht, in Deutschland Fuß zu fassen, trifft er auf schon etablierte Wiederverkäufer freier Unix-Derivate. Auch in den USA sagt die Konkurrenz dem momentanen Börsenliebling den Kampf an. Der Open-Source-Bewegung dürfte damit weltweit eine Kommerzialisierung ins Haus stehen. Es gibt allerdings auch ein kleines Häufchen Aufrechter, die weiterhin die "reine" Open-Source-Fahne hochhalten...

Red Hat - die Vorzeige-Company?

Erfolg oder Mißerfolg von Red Hat gelten inzwischen als eine Art Indiz für den Zustand der weltweiten Open-Source-Szene. Wie nur wenigen Internet-Werten zuvor gelang dem Linux-Distributor Ende August ein kometenhafter Aufstieg an der US-Computerbörse Nasdaq. Nach einem ersten Kurs von 14 Dollar schnellte die Aktie auf mittlerweile über 80 Dollar hoch. Konsequenz: eine Marktkapitalisierung von inzwischen rund fünf Milliarden Dollar - bei einem Umsatz im letzten Geschäftsjahr von gerade einmal elf Millionen Dollar, roten Zahlen inklusive. Auch die Bilanz, die Red Hat unlängst für das zweite Quartal 1999/2000 kurz nach dem Börsengang veröffentlichte, war nicht gerade berauschend. So stiegen zwar die Einnahmen im Vorjahresvergleich um 95 Prozent auf 4,4 Millionen Dollar, allerdings auch die Verluste - von 100 000 auf 3,1 Millionen Dollar.

Red Hat und die anderen kommerziellen Linux-Anbieter leben derzeit offenbar noch hauptsächlich von der Phantasie der Anleger, die erwarten, daß mit Hilfe des Freeware-Betriebssystems die Monopolstellung von Microsoft geknackt werden könnte. Genau diesem (Vor-)urteil trat Red-Hat-Chef Robert Young vor Journalisten in München entschieden entgegen. Er sei mehr als 20 Jahre in der IT-Branche tätig und wisse sehr wohl, wie man Geld verdienen könne. "Wir werden erfolgreich sein", gab der gelernte Historiker, der sich seine Sporen über 15 Jahre lang im Computer-Leasing-Geschäft verdiente, als Devise aus. Dann folgte ein kurzer Grundkurs in Sachen Open Source: "Die Freigabe unseres Quellcodes - auch in Zukunft - ist ethische Geschäftsgrundlage von Red Hat. Damit können wir eine Qualität unserer Produkte sicherstellen, mit der wir jeden proprietären Anbieter um Längen schlagen und für eine entsprechende Kundenbindung sorgen."

Red Hat verfolgt also weiterhin die klassische Philosophie der Linux-Gemeinde, derzufolge interessierte Entwickler weltweit kontinuierlich an einer Verbesserung des vom Finnen Linus Torvald entwickelten Betriebssystem-Kernels arbeiten und Distributoren wie Red Hat nichts weiter tun, als den jeweiligen Status der Freeware in eigenen Releases mit spezifischer Oberfläche und Features zu bündeln, um Linux-Derivate damit kommerziell verwertbar zu machen.

Deutschland: Alles in Suses festen Händen

Allerdings treffen die Amerikaner vor allem hierzulande auf eine Open-Source-Szene, in der die Pfründe schon weitgehend verteilt sind. Während Red Hat weltweit als die Linux-Marke gilt und nach Schätzung von Insidern zumindest in den Vereinigten Staaten die meisten Installationen vorweisen kann, macht ein anderer Linux-Distributor im deutschsprachigen Raum bisher die besseren Geschäfte: die in Nürnberg ansässige Suse GmbH. Exakt 26,6 Millionen Mark Umsatz weisen die Franken für ihr am 31. März beendetes Geschäftsjahr 1999 aus. Und was noch wichtiger ist: Firmensprecher Christian Egle gibt klar zu erkennen, daß seine Company mit Linux richtig Geld verdient, und das schon seit längerem. Analog zu Red Hat hat Suse zudem begonnen, mit eigenen Dependancen in den USA, Tschechien und Großbritannien wichtige Auslandsmärkte zu erobern. "Wir haben in den USA eine größere Basis

als die, die sich Red Hat jetzt in Europa aufgebaut hat", kommentiert Egle die Konkurrenzsituation.

Eine Konsolidierung ist unausweichlich

Fest steht: die weltweite Linux-Gemeinde wird sich wohl auf einen erbitterten Kampf um Marktanteile einstellen müssen - für Verfechter des Open-Source-Gedankens eine eher gewöhnungsbedürftige Vorstellung. Denn sowohl in den USA als auch beispielsweise in Deutschland wird die Liste von Linux-Distributoren, die quasi im Windschatten ihrer großen Wettbewerber segeln, immer länger. Linux Systems, Cygnus Solutions, Linuxcare, Linux One, Corel und Caldera Systems lauten die derzeit bekanntesten Namen in den USA. Zwei davon, Caldera Systems und Linux One, haben noch für dieses Jahr ihren Börsengang angekündigt. Und TurboLinux, einst als Pacific High Tech mit Linux-Anpassungen an asiatische Sprachen gestartet und mittlerweile zum Clustering-Experten avanciert, vermeldet aktuell Finanzspritzen in mehrstelliger Millionen-(Dollar-)Höhe von Intel, Broadview und August Capital.

Im deutschen Linux-Markt sieht es nicht wesentlich anders aus. Hinter Platzhirsch Suse kämpfen Firmen wie Innominate und ID-Pro um die Plätze. Dahinter ein Heer von mittlerweile über 100 Linux-Dienstleistern, die wie auch immer gearteten Freeware-Service sowie -Support anbieten und sich zudem immer häufiger auch mit eigenen Tools als Linux-Anbieter verdingen. Mit mittlerweile 30 Linux-Anbietern alleine in den USA ist der Erfolg einzelner Firmen "inzwischen mehr als fraglich", heißt es in einer aktuellen IDC-Analyse. Erst recht, wenn den meisten ein Alleinstellungsmerkmal fehlt. Diese Einschätzung dürfte ohne weiteres auch auf Europa und damit Deutschland übertragbar sein.

Es geht auch anders: Debian

Von kommerziellen Avancen weitgehend unberührt fristet seit geraumer Zeit auch eine ganz andere Linux-Distribution ihr "Schattendasein" auf den Rechner echter Hardcore-Fans. "Debian"-Linux ist ein vollkommen nicht-kommerzielles Projekt mit echter Open-Source-Philosophie und weltweit verstreuter Entwicklergemeinde. Allerdings muß die Distribution, die im Gegensatz zur Konkurrenz auf jegliche proprietäre Bestandteile verzichtet, ohne die Marketing-Maschinerie der kommerziellen Anbieter auskommen. Das soll sich nun ändern: VA Linux Systems, SGI und der Open-Source-nahe Verlag O´Reilly & Associates werden die Debian-Distribution (zumindest in den USA) als 20-Dollar-"Bookware" - CD samt erklärendem Handbuch - in den Handel bringen. Das Buch (basierend auf den O´Reilly-Kompendien "Linux for Network

Administrators" und "Open Sources") wird übrigens auch als Download-Version ins Internet gestellt - unter der "Open Publishing License" genauso frei verfügbar wie die Debian-Software selbst.