CW-Roundtable: Wie Bachelor- und Master-Studiengänge die Informatik verändern

Abstriche an der Qualifikation

27.08.2004

CW: Der Großteil der Hochschulen fährt noch zweigleisig und bietet neben den Bachelor- und Master-Programmen den bisherigen Diplomstudiengang parallel an, so auch die Technische Universität München. Was soll das bringen?

NOSSEK: Zweistufige Programme mit dem berufsqualifizierenden Abschluss als Zwischenziel haben Konsequenzen für die Gesamtstruktur des Curriculums und für die Effizienz, wenn ich das höhere Ziel erreichen will. Bachelor plus Master ist sicher mehr Aufwand, als das Ganze in einem Studium zu machen. Wenn ich ein fünfstöckiges Haus bauen will, vorher das Fundament aber nur für drei Stockwerke anlege, habe ich beim Bauen des vierten und fünften Stockwerks am Fundament nachzubessern. Wenn ich das Fundament gleich auf fünf Stockwerke ausrichte, ist das effizienter. Deshalb gibt die Beibehaltung des einstufigen Diplomstudiengangs Sinn.

KERSTEN: Die Politik will aber, dass das Diplom bis 2010 abgeschafft und durch Bachelor- und Master-Studiengänge ersetzt wird.

NOSSEK: Es geht mir nicht um den Namen Diplom, sondern um das Angebot eines einstufigen Studiengangs. Amerikanische Universitäten wie das Massachusetts Institute of Technology (MIT), Stanford oder Princeton haben vor zehn Jahren begonnen, neben ihren klassischen Bachelor- und Master-Programmen einstufige Master-Programme einzuführen, wo man zum Abschluss beide Grade nach fünf statt nach sechs Jahren bekommt. Nach der Entscheidung für den einstufigen Studiengang, der auch "fast track" oder "accelerated program" genannt wird, gibt es die Möglichkeit für einen früheren Ausstieg oder Berufseinstieg nicht.

KERSTEN: Das ist aber nicht im Sinne des Erfinders.

NOSSEK: Deshalb wird in den USA auch die Auswahl, wer in das einstufige und wer in das zweistufige Programm geht, typischerweise im zweiten Studienjahr getroffen. Wir haben dieses Modell erfunden, ohne zu wissen, dass es bereits in den USA praktiziert wurde. Man muss die Leute entweder durch ein Eignungsfeststellungsverfahren vor Studienanfang auswählen - was wir auch in einigen Fächern tun - oder die wesentlichen Hürden im ersten und zweiten Semester haben. 65 Prozent der Abbrecher in meiner Fakultät Elektrotechnik und Informationstechnik gehen nach dem ersten Semester, 30 Prozent nach dem zweiten Semester, und dann bleiben nur noch fünf Prozent, die irgendwann später aufhören. Die Prüfungen finden am Ende des Vorlesungszyklus statt. Sie können nur einmal wiederholt werden - und zwar vor Beginn des nächsten Semesters. So vermeiden wir, dass Studenten drei, vier Jahre immatrikuliert sind, ohne eine einzige Prüfung geschafft zu