Rechnet sich RFID nur für den Handel?

18.05.2004
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Allerdings betonte der IT-Experte auch, dass die Funkfrequenzerkennung kein Selbstläufer sei: "Am Anfang erinnerte es stark an Jugend forscht", räumt er ein. Die Lesegenauigkeit beim Item Level Tagging lag zu Beginn des Pilotversuchs unter 30 Prozent, weshalb die begleitende Barcode-Kennzeichnung unverzichtbar erschien. Inzwischen ließ sich die Erkennungsrate aber auf 95 Prozent anheben, indem die Artikel nicht schneller als in "Schrittgeschwindigkeit" an den Erfassungsgeräten entlanggezogen und von störender Strahlung weitgehend abgeschirmt werden.

Wie Bentrup mitteilte, haben Kaufhof und Gerry Weber jeweils ihre "Selbstkosten" getragen. Trotzdem hofft der Bekleidungskonzern, in weniger als zwei Jahren einen Return on Investment erzielen zu können. Für eine fundierte Wirtschaftlichkeitsberechnung fehle derzeit jedoch ein standardisiertes Modell.

Stichwort RFID

Die deutsche Übesetzung des Begriffs Radio Frequency Identification (RFID) lautet korrekt: Identifizierung mit Hilfe von Funkwellen. Es handelt sich um eine "Auto-ID-Technik", mit der sich Wagenladungen, Paletten, Umverpackungen oder einzelne Produkte so kennzeichnen lassen, dass sie automatisch und berührungslos Rückmeldungen über ihre Bewegung oder ihre Konsistenz geben. Dazu sind vier Komponenten notwendig:

- Speicherchips mit Sendeantenne (aktive mit oder passive ohne eigene Energiequelle),

- Geräte zum Beschreiben und Auslesen der gespeicherten Informationen,

- Software, die zwischen beiden vermittelt, und

- eine Infrastruktur für die Auswertung. In den sechs, über den Globus verteilten Auto-ID-Labs  arbeiten Wissenschaftler, IT-Anbieter und Anwenderunternehmen gemeinsam an der Definition einer Referenzumgebung für den RFID-Einsatz. Unter dem Titel "Savant" existiert bereits eine Spezifikation für die Middleware. Zur Standardisierung des Electronic Product Code (EPC), eines Object Naming Service (ONS) und der an XML orientierten Physical Markup Language (PML) hat sich die EPC-Global Inc. formiert. Problematisch bleibt die Standardisierung der Sendefrequenz. In Europa sind derzeit 13,56-Megahertz-Tags mit einer Reichweite von bis zu einem Meter am gebräuchlichsten. Der Trend zeigt allerdings in Richtung Ultrakurzwellen-Chips, die über mehrere Meter gelesen werden können. Doch hier haben sich Europa (869 Megahertz) und USA (915 Megahertz) noch nicht auf eine Wellenlänge geeinigt -

geschweige denn die westliche und die östliche Hemisphäre.

Die Soreon-Analysten lehnen sich hier weit aus dem Fenster: In ihrer auf Interviews mit 40 Anwenderunternehmen basierenden Studie ermittelten sie den RoI, indem sie den durchschnittlichen jährlichen Cashflow durch die Anfangsinvestitionen dividierten. Für das Anwendungsbeispiel "Case Level Tagging bei einem Textilhersteller" erhielten sie so einen negativen Return: Die Kosten überstiegen den Gewinn um 23 Prozent, für das Item Level Tagging lag der Wert sogar bei minus 63 Prozent.

Infrastruktur vernachlässigt

Trotzdem sehen die großen Hersteller in erster Linie die Vorteile der RFID-Technik. Volker Heidorn, Global Customer Supply Manager bei Kraft Foods, nannte vor allem das Messen und Vermeiden von Lagerengpässen, die Bestandsoptimierung, die Möglichkeit zur Rückverfolgung von Produkten und die Diebstahlsicherung. RFID könne als Frühwarnsystem für neue Auffüllkonzepte dienen, sofern Bestellprozesse wie Arbeitsabläufe des Verkaufspersonals angepasst und die Rahmendaten, beispielsweise Mindestbestandmengen, sauber definiert würden.