LinkedIn-Studie zum KI-Einsatz im Arbeitsalltag

Mitarbeiter wollen – Arbeitgeber bremsen

20.09.2023
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Mitarbeiter wollen sich den Herausforderungen rund um KI stellen und haben keine Angst vor neuen Technologien, Bremser sind eher die Arbeitgeber, die sich in Ignoranz und Trägheit üben.
Während Arbeitnehmer mehrheitlich bereit für den Wandel im Bereich künstlicher Intelligenz sind, herrscht bei Arbeitgebern noch Zurückhaltung.
Während Arbeitnehmer mehrheitlich bereit für den Wandel im Bereich künstlicher Intelligenz sind, herrscht bei Arbeitgebern noch Zurückhaltung.
Foto: Thinglass - shutterstock.com

2035 werde kein Job mehr ohne den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) auskommen, erklärte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil kürzlich. Mehr als die Hälfte der deutschen Arbeitnehmer (55 Prozent) rechnet laut einer aktuellen Studie von LinkedIn allerdings deutlich früher - nämlich in den kommenden fünf Jahren - damit, dass KI ihren Arbeitsalltag erheblich verändern wird. Zwei von fünf Befragten (43 Prozent) erwarten diese Entwicklung sogar schon im nächsten Jahr.

Die gute Nachricht: Von typisch deutscher Zurückhaltung oder gar "German Angst" kann hierbei keine Rede sein, denn 78 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland freuen sich darauf, mithilfe von KI beispielsweise produktiver zu werden, schneller Zugang zu Informationen und Wissen zu erlangen. Dementsprechend glauben 36 Prozent, dass ihre Arbeit durch KI einfacher wird, was sich positiv auf ihre Jobzufriedenheit auswirkt, sowie 37 Prozent, dass sie sich dadurch stärker auf Aufgaben konzentrieren können, die ihnen mehr Spaß machen.

Zurückhaltende Europäer, fortschrittliche Asiaten

Doch die Freude ist nicht ungetrübt, denn noch setzt erst ein Drittel der deutschen Unternehmen (33 Prozent) KI-Tools ein. Ähnlich verhält es sich in den europäischen Nachbarländern Italien (33 Prozent) sowie Frankreich und den Niederlanden (beide 32 Prozent).

Barbara Wittmann, LinkedIn: „Mitarbeiter stellen sich den Herausforderungen rund um KI, in dieser Hinsicht gibt es keine „German Angst“.
Barbara Wittmann, LinkedIn: „Mitarbeiter stellen sich den Herausforderungen rund um KI, in dieser Hinsicht gibt es keine „German Angst“.
Foto: Linkedin

Dem stehen Länder wie die USA (58 Prozent), Indien (68 Prozent) und Indonesien (71 Prozent) gegenüber, die bei der Einführung von KI deutlich weiter sind. Insgesamt sagt gerade einmal ein Fünftel der Befragten in Deutschland (19 Prozent), dass KI-Tools bei ihnen bereits Teil des Arbeitsalltags und ihrer Prozesse seien.

Arbeitgeber bieten keine Trainings an

Während Arbeitnehmer also mehrheitlich bereit für den Wandel im Bereich künstlicher Intelligenz sind, herrscht bei Arbeitgebern noch Zurückhaltung und eine gewisse Trägheit entsprechende Tools oder gar Trainings zur Verfügung zu stellen: So hat knapp jeder Zweite (46 Prozent) das Gefühl, dass sein Arbeitgeber ihn nicht dazu motiviere, Fähigkeiten im Bereich KI zu entwickeln. Und in 55 Prozent der Unternehmen gibt es bislang keine Trainings oder Richtlinien für den Einsatz von KI-Tools.

Für Arbeitnehmer ist dies ein Problem, denn über die Hälfte von ihnen (51 Prozent) will zwar lernen, KI bei der Arbeit zu nutzen, weiß laut eigener Aussage aber nicht wie. Die Folge: 44 Prozent der Befragten fürchten, dass sie mehr zum Thema KI wissen sollten, als sie es derzeit tatsächlich tun - 34 Prozent haben sogar das Gefühl, dass ihre Kollegen ihnen einen Schritt voraus sind.

Verunsicherte Mitarbeiter

Das führt zu Unsicherheiten, die in manchen Fällen so weit gehen, dass die Befragten schon einmal behauptet haben, ein KI-Tool verwendet zu haben, obwohl dies nicht stimmte (30 Prozent), oder mehr zu wissen als es tatsächlich der Fall ist, weil sie kompetent erscheinen wollten (32 Prozent). Zwei von fünf Arbeitnehmern (39 Prozent) würden sich zudem nicht auf einen Job bewerben, wenn KI in der Anzeige erwähnt wird, selbst wenn sie für die Rolle qualifiziert wären.

"Durch den rasanten Fortschritt im Bereich künstlicher Intelligenz ist die Arbeitswelt weiterhin im Umbruch und stellt Arbeitnehmer vor neue Herausforderungen. Doch statt German Angst, zeigen sich die Beschäftigten in Deutschland aufgeschlossen und bereit, KI-Fähigkeiten zu erlernen", so Barbara Wittmann, Country Managerin bei LinkedIn DACH.

Auch Arbeitgeber sind hilflos

Das Problem sei, dass viele von ihnen nicht so recht wissen, wie und wo sie anfangen sollen, und fühlen sich überfordert - das sei angesichts der Innovationsgeschwindigkeit wenig überraschend. Und auch Unternehmen tun sich schwer, ihre Mitarbeiter bei der Anwendung und Weiterbildung im Bereich künstlicher Intelligenz zu unterstützen.

Ein Blick über den Tellerrand könne Arbeitgebern helfen, zu verstehen, wie andere Unternehmen KI einsetzen und welche Aspekte oder Vorgehensweisen möglicherweise sinnvoll adaptiert werden können. "Bei all der Neugier um künstliche Intelligenz zeigten die LinkedIn-Daten aber ebenfalls den hohen Stellenwert, den sogenannte Soft Skills wie beispielsweise Kommunikationsfähigkeit, strategisches Denken oder Führungsqualitäten auch in Zukunft weiterhin haben werden", so Wittmann.

Wichtig: KI-Kompetenzen aufbauen

Wie können sich Arbeitnehmer nun dem Thema KI nähern, auch wenn der Einsatz solcher Tools in ihrem Unternehmen nur langsam vorankommt? Die LinkedIn-Managerin hat dazu vier Tipps:

Sich Durchblick verschaffen: Wo kommt KI heute schon zum Einsatz und wie kann man Tools einsetzen, um sich monotoner Aufgaben zu entledigen? Wer nicht mehr nur so tun will, als ob er oder sie sich mit KI auskennt, sollte Antworten auf diese und weitere Fragen suchen. Es gibt dafür inzwischen zahlreiche Ressourcen, von Büchern über Onlineartikel bis hin zu Podcasts. Ein guter Ausgangspunkt sind auch eine Reihe von LinkedIn Learning Kursen zum Thema Künstliche Intelligenz, wie How to Research and Write using generative AI oder What is generative AI, die bis Ende des Jahres kostenlos zugänglich sind.

Den Experten zuhören: Wer noch mehr wissen will - nicht nur zu KI selbst, sondern auch zu den Folgen für Gesellschaft und Arbeitswelt - kann zudem entsprechenden Experten auf diesem Gebiet folgen, wie etwa der KI-Forscherin Feiyu Xu, der Daten-Expertin Mina Saidze oder dem Arbeitsmarktexperten Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.

Tools ausprobieren: Viele KI-Tools sind inzwischen öffentlich und oft kostenlos oder zumindest für wenig Geld zugänglich. Arbeitnehmer sollten diese Chance nutzen und einfach einmal ausprobieren, welche Möglichkeiten und Unterstützung diese bieten. Aber Achtung: mit vertraulichen Informationen, ob privater oder beruflicher Natur, sollten die Tools besser nicht gefüttert werden.

Soft Skills weiterentwickeln: Zwei von fünf Befragten (37 Prozent) sind überzeugt, dass sie sich künftig vor allem durch ihre Soft Skills von KI differenzieren können. Umso wichtiger ist es jetzt, in diese zu investieren. So sollten Arbeitnehmer beispielsweise ihre Kommunikationsfähigkeit, Kreativität, strategisches Denken oder Führungsqualitäten stärken.

Weltweite Befragung

Das Marktforschungsinstitut Censuswide hat im Auftrag von LinkedIn zwischen dem 23. und 29. August 2023 29.896 Arbeitnehmer in 18 Ländern - Australien, Brasilien, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Malaysia, Niederlande, Philippinen, Saudi-Arabien, Singapur, Spanien, den USA und die Vereinigten Arabischen Emirate - zu dem Einsatz von KI in der Arbeitswelt befragt. In Deutschland nahmen 2.060 Arbeitnehmer an der Befragung teil. Censuswide ist Mitglied und beschäftigt Mitglieder der Market Research Society, die den ESOMAR-Grundsätzen folgt.

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