Wie Arbeitgeber vorgehen müssen

Auf der Suche nach Mitarbeitern mit KI-Know-how

16.05.2023
Von 

Gregory Herbert ist Senior Vice President und General Manager EMEA bei Dataiku.

Die größten Hindernisse bei der Einführung von KI sind die Einstellung von Mitarbeitern mit KI-Kenntnissen und die Identifizierung geeigneter Geschäftsmodelle.
Da Bewerber mit KI-Know-how ganz schwer zu bekommen sind, müssen Arbeitgeber kräftig in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investieren.
Da Bewerber mit KI-Know-how ganz schwer zu bekommen sind, müssen Arbeitgeber kräftig in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investieren.
Foto: FAMILY STOCK - shutterstock.com

Talente, die sowohl über technologische KI-Kenntnisse verfügen als auch wissen, wie diese unternehmerisch genutzt werden, sind rar gesät. Was also tun? Unternehmen sollten erstens mit Bedacht KI im eigenen Such- und Besetzungsprozess einsetzen und zweitens intern auch Fachexperten ohne IT-Expertise weiterbilden. Denn laut einer XING-Studie benötigt mindestens jedes zweite Unternehmen drei bis sechs Monate, um eine Führungsposition zu besetzen.

Jedes zehnte Unternehmen rechnet mit bis zu neun Monaten. Verursacht wird dies durch verschiedene Faktoren, wie beispielsweise interne Genehmigungssysteme oder die Vorauswahl der Bewerber und Bewerberinnen, die immens viel Zeit kostet. Gerade in einer Zeit, in der viele Unternehmen versuchen, Kosten zu sparen, sind solche langen Such- und Besetzungsprozesse problematisch.

KI als Faktor X im Such- und Besetzungsprozess

Mit Hilfe von KI hat ein Unternehmen mehr Möglichkeiten, schnell und gezielt die richtigen Mitarbeiter zu finden. KI kann der Personalabteilung helfen, die passenden Bewerber mit den erforderlichen Fähigkeiten und der nötigen Erfahrung zu ermitteln. Außerdem können laufende KI-Systeme interessierten Kandidaten Stellen vorschlagen - zum Beispiel auch bei der Suche mit Chatbots, wie etwa über Bing und Neeva - und die Arbeitsleistung von Bewerbern prognostizieren.

Ein weiterer Pluspunkt: KI erleichtert das Erstellen von Stellenanzeigen. Neben LinkedIn bietet auch Google die Möglichkeit, über Docs automatisch eine Stellenbeschreibung durch KI erstellen zu lassen. Mit Hilfe der KI-Integrationen von Google kann man ein Thema eingeben und die KI schreibt einen ersten Entwurf. Dieser Entwurf kann dann in Bezug auf Tonfall, Textlayout und Formulierung weiter angepasst werden.

Die Grenzen von ChatGPT

Auch Gesprächsnotizen können mithilfe von KI in einen Text umgewandelt werden. Ähnlich wie bei ChatGPT oder den neuen KI-Tools von Microsoft können Personalabteilungen mit Hilfe solcher Gesprächsnotizen nach Bewerbungsgesprächen und Assessment-Runden mit wenig Aufwand relevante Unterlagen für den weiteren Bewerbungs- oder Rekrutierungsprozess erstellen.

Unternehmen, die diese KI-Technologie umfassend in ihre HR-Prozesse einbinden wollen, sollten jedoch auf eine Reihe von Problemen vorbereitet sein. Dabei geht es nicht nur um ethische Fragen, die mit dem Einsatz von KI-Systemen unvermeidlich einhergehen. Ebenso sollten die Grenzen von KI-Tools nicht außer Acht gelassen werden.

Gefragt ist Fingerspitzengefühl

Wenn KI-Systeme auf früheren, durch Voreingenommenheit geprägten Einstellungspraktiken beruhen, könnte diese Voreingenommenheit noch verstärkt werden. Es bedarf daher umfassender Tests und Schulungen, die von tradierten Bias-Mustern abweichen. Es ist auch denkbar, dass Bewerber darauf bestehen, mit Menschen statt mit KI zu interagieren.

Deshalb sollten HR-Teams das Potenzial von KI-Tools für ihre Arbeitsprozesse bewusst erkennen und nutzen. Aber eben nicht um jeden Preis und nicht in jedem Kontext. Generell gilt: Bei bestimmten Touchpoints im Recruiting ist immer Fingerspitzengefühl gefragt.

Governance-Regeln als gute Unterstützung

Hinzu kommt: Viele Unternehmen versuchen, Mitarbeiter mit außergewöhnlichen KI- und Geschäftsfähigkeiten einzustellen. Diese Leute sind jedoch rar gesät. Nach Angaben des Beratungsunternehmens QuantHub werden für jeden Data-Science-Kandidaten drei offene Stellen angeboten. Wenn sich Unternehmen ausschließlich auf die Einstellung oder Auslagerung von Datenwissenschaftlern verlassen, werden sie mit großer Wahrscheinlichkeit Verzögerungen bei KI-bezogenen Transformationsprogrammen erleben. So verpassen Unternehmen die Möglichkeit, ihre eigenen Fachleute weiterzubilden und interne Talentlücken zu schließen.

Die Lösung: Eine gemeinsame KI-Plattform einführen. Aus vielen Gründen ist Governance der Schlüssel zum Erfolg im Kampf um Talente. Erstens kann eine gemeinsame Governance verhindern, dass unerfahrene Benutzer kostspielige Fehler machen. Zum anderen sind sich Manager möglicherweise nicht im Klaren über den Umfang und das Ausmaß der KI-Kenntnisse ihrer Mitarbeiter, insbesondere im Bereich KI/ML, wo sie möglicherweise nicht mit allen verwendeten Techniken oder Technologien vertraut sind. Eine Governance-Plattform, die reale Daten über die Leistung der Data-Teams sammelt, ermöglicht die datengestützte Identifizierung von aufstrebenden KI-Talenten.

Weiterbildung ist ein Muss

Eines ist sicher: In Zukunft wird es immer einfacher werden, künstliche Intelligenz zu nutzen, um geeignetes Personal zu finden. Allerdings müssen Unternehmen bedenken, dass es fast unmöglich ist, mit Hilfe von KI Ergebnisse zu erzielen, wenn die eigenen Mitarbeiter nicht über das entsprechende Fachwissen verfügen. Die Einbindung von Fachleuten ist der Schlüssel zur Risikominderung und zur Steigerung des ROI.

Ein gutes Weiterbildungsprogramm kann 10- bis 100-mal mehr Fachexperten, auch ohne IT-Expertise, in die KI-Entwicklung einbinden, indem es Schulungen für Fachexperten anbietet. Wenn ein KI-Qualifizierungsprogramm gut funktioniert, entsteht ein positiver Kreislauf, in dem Unternehmensanalysten KI-Kenntnisse erwerben und einen Mehrwert schaffen können, wodurch das Bewusstsein für den Wert von KI steigt.

Unternehmen, denen dies gelingt, sind in der Lage, einen nachhaltigen Strom von KI/ML-Talenten zu generieren und den ROI in vielen Geschäftsbereichen und Funktionen zu steigern. Einige Manager befürchten vielleicht, dass die Weiterbildung die Fluktuation von Talenten erhöht, aber das Gegenteil ist oft der Fall. Fachkräfte haben mehr Informationen über Fähigkeiten und Talentmärkte als je zuvor.