Von API bis Two-Speed-IT

Glossar für die digitale Transformation

01.02.2017
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.

Big Data

Wohl jeder, der in den vergangenen Jahren eine Big-Data-Konferenz besucht hat, dürfte mit dem Zitat "Daten sind das neue Öl" konfrontiert worden sein. Fest steht, dass heute nicht nur strukturierte Daten, wie sie in Datenbanken vorzufinden sind, sondern auch unstrukturierte Daten, wie sie etwa von Sensoren, RFID-Tags, Smart-Metering-Systemen oder auch im Social Web erzeugt werden, für Geschäftsvorfälle aller Art nutzbar gemacht werden können. Dieser Datenschatz liegt noch weitgehend brach. Jetzt geht es darum, ihn so zu bearbeiten, dass sich präzise Aussagen etwa zu Marktentwicklungen, Geschäftseinflüssen, Leistungsparametern, Kundeninteressen und vielem mehr treffen lassen.

Je stärker Unternehmen digital durchdrungen sind und ihren Datenschatz heben, desto größer wird der Wunsch, möglichst verlässliche Daten für die Unternehmenssteuerung zu erhalten. Das "Data-driven Enterprise", in dem möglichst keine Entscheidung fällt, die nicht durch Daten abgesichert ist, wird Realität. Die Idee ist durchaus nicht neu: In Banken und Versicherungen gehört das Risiko-Management von jeher zum Geschäft. Beim Kredit-Scoring etwa wird abgeschätzt, ob ein Kunde kreditwürdig ist, und Versicherungen prognostizieren anhand von Data Mining und vielfältigen statistischen Methoden potenzielle Schäden und Kosten. Produzierende Unternehmen errechnen die künftige Auslastung ihrer Fabriken, Fluggesellschaften das zu erwartende Passagieraufkommen und Händler den Bedarf für Waren.

Neu ist indes die Welle an neuen Technologien etwa aus den Bereichen Künstlicher Intelligenz und Machine Learning, die Analysetechniken auf ein neues Level bringt. Somit heben drei Faktoren Big Data auf ein völlig neues Niveau: die Fülle an strukturierten und unstrukturierten Daten, die auf Auswertung warten, eine rasant angewachsene Rechenpower, auf die jedes Unternehmen - wenn nicht im eigenen RZ, dann in der Cloud - Zugriff hat sowie jede Menge hochmoderne, leistungsfähige Analysetools. Deep Learning, Cognitive Computing und semantische Services verschiedenster Art ermöglichen es Kontexte herzustellen, die Anwendern bislang verschlossen waren. Nahezu jeden Tag kommen etablierte Unternehmen und Startups mit neuen Tools und Services heraus, die in irgendeiner Form Aspekte der menschlichen Intelligenz nachahmen und sogar perfektionieren.

Blockchain

Mit der besonders disruptiven Blockchain-Technologie werden sichere, direkte Transaktionen im weltweiten Web ohne Einbindung von Intermediären möglich. Dabei kann es sich beispielsweise um Verträge, Testamente, Transportpapiere oder Finanztransaktionen handeln. Nutzen wir etwa im Zahlungsverkehr heute noch die kostenpflichtigen Angebote vertrauenswürdiger Vermittler wie Banken, Kreditkartenunternehmen oder PayPal, könnte die Blockchain irgendwann dafür sorgen, dass sich Lieferanten und Konsumenten direkt und für jedermann nachvollziehbar im Netz verbinden, ohne dass ein Third-Party-Player nötig ist.

Die Blockchain basiert technisch auf einer dezentralen Datenbank, die in einem Peer-to-Peer-Netzwerk von Computern verteilt ist, also allen gemeinsam oder auch niemandem gehört. Sie wird auch als "Digitales Hauptbuch" (Digital Ledger) bezeichnet. Da dieses System von keinem Angreifer mehrheitlich zu kontrollieren ist, lässt es sich auch nicht manipulieren oder hacken. In diesem Netzwerk können Parteien an einer Blockchain-basierenden Lösung teilhaben und den Regeln dieser Blockchain folgen. (Einfach erklärte Details zur Blockchain finden interessierte Leser hier)

Was die Blockchain letztendlich für die weltweiten Märkte bedeuten wird, ist noch völlig unklar. Man stelle sich etwa eine Versicherung vor, die mit einem Autofahrer tarifliche Regeln vereinbart. Das Fahrverhalten wird dann über die Blockchain analysiert, die Beiträge ändern sich ständig je nach Fahrstil. Vorsichtige Fahrer werden belohnt, risikobereite Fahrer zur Kasse gebeten. Solche "Smart Contracts", deren Einhaltung kein Aufseher überwachen muss, sind in vielen Branchen und Nutzungsszenarien denkbar.

Ein oft genanntes Beispiel ist auch das "Brooklyn Microgrid" in New York, wo zehn Haushalte entlang der President Street die Bewohner auf der anderen Straßenseite mit Strom versorgen, der über Solarpanels gewonnen wird. Abrechnung und Bezahlung werden ohne zwischengeschalteten Versorger direkt zwischen Erzeuger und Empfänger abgewickelt - über die Blockchain. In diesem Szenario ist die Vermittlung über Stadtwerke, Energieversorger oder Strombörsen überflüssig. Auch der Zustand der Photovoltaik-Installationen oder von Smart Metern könnte über die Blockchain kontrolliert werden.

Wie die Bestseller-Autoren Don und Alex Tapscott in ihrem Buch "Die Blockchain-Revolution" schreiben, wird auch das Internet of Things, in dem "Billionen von Transaktionen" abgewickelt und dokumentiert werden, von der Blockchain-Technologie beeinflusst. "Stellen wir uns vor, dass vernetzte Glühbirnen Strom von einer Stromquelle ersteigern - das wird wohl kaum über bestehende Kanäle abgerechnet werden", so die Autoren im Gespräch mit "brand eins".

Chief Digital Officer (CDO)

Eine Reihe von Unternehmen haben den digitalen Wandel in die Hände eines eigens berufenen Chief Digital Officer (CDO) gelegt, der auf Vorstandsebene oder einem Level darunter agiert. Sie verstehen die Digitalisierung als ganzheitliche Aufgabe, die den gesamten Konzern betrifft und an den oft bestehenden Grenzen der Abteilungssilos nicht haltmachen darf. In anderen Unternehmen übernimmt der CIO diese Rolle. Das gelingt am besten dann, wenn er im Unternehmen von jeher in Management-Entscheidungen involviert war und das Standing eines strategischen Vordenkers hat.

Nicht selten gibt es aber gar keinen offiziell Beauftragten für die digitale Transformation. Verantwortlich sind die Fachbereiche, denen aber oft die übergreifende Perspektive fehlt. Im Marketing etwa wird über den eigenen Tellerrand kaum hinausgeblickt, ist der Chief Marketing Officer (CMO) doch meist froh, wenn er die Herausforderungen des Digitalen Marketings in den Griff bekommt. Der Chief Financial Officer (CFO), traditionell in vielen Unternehmen mitverantwortlich für die IT, denkt vor allem an die Kosten, weniger an strategische Optionen. Auch Personal-, Produktions-, Entwicklungs- oder Vertriebschefs werden vor allem ihren Verantwortungsbereich im Auge haben.

Neben CDO und CIO ist häufig auch der Chief Technology Officer (CTO) in der Rolle des obersten Digitalisierers. Auch CEOs gefallen sich in der Rolle des Chefdigitalisierers. GE-Chef Jeffrey Immelt etwa findet sich ständig in den Schlagzeilen mit der Aussage, seinen Konzern in die weltgrößte Softwareschmiede umbauen zu wollen. Ähnlich äußert sich Siemens-Boss Joe Kaeser.

Cloud Computing

Der digitale Wandel erfordert flexible, schnell anpassbare IT-Infrastrukturen. Viele große Unternehmen verfolgen deshalb heute eine "Cloud-first"-Strategie. Mitarbeiter, Kunden und Partner sollen Cloud-Dienste jederzeit von überall auf verschiedenen Endgeräten abrufen können - zu kalkulierbaren Kosten, datenschutzkonform und unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen. Letzteres ist der Grund dafür, dass die meisten Unternehmen auf Private- und Hybrid-Cloud-Infrastrukturen vertrauen, um die Kontrolle über ihre Anwendungen und Daten nicht aus der Hand zu geben.

Die Vorteile von Cloud Computing sind vielfältig. Operative Agilität etwa überzeugt viele CIOs: Cloud-Dienste können bedarfsgerecht skaliert werden. Software-Updates, auch Sicherheits-Patches, werden zentral eingespielt, der Wartungsaufwand sinkt massiv, was zu Kosteneinsparungen führt. Wichtig sind vor allem die Collaboration-Möglichkeiten: Weltweite Teams können zentral auf Dokumente und Daten zugreifen, gemeinsam daran arbeiten und Dritten zeigen, was sie verändert haben.

Viele Digitalisierungsszenarien, etwa im Bereich Internet of Things (IoT), sind überhaupt erst mit Cloud-Infrastrukturen umsetzbar. Die Robert Bosch GmbH ist dabei, ein weltweites Netz an Cloud-Rechenzentren für IoT-Szenarien aufzubauen. Die Rechenkapazität wird benötigt, um beispielsweise Connected-Car-, Smart-Home- oder Industrie-4.0-Projekte umzusetzen. Die Offerte umfasst zunächst PaaS-Angebote einschließlich Frameworks und Container-Technologien. Kunden sollen damit Szenarien wie Geräteverwaltung oder das Management von Maschinen und Gateways abwickeln. Auch die Zugriffsverwaltung, das Management von Software-Rollout-Prozessen, die Anbindung von Drittsystemen und Datenanalyse sollen mit der IoT-Cloud-Infrastruktur bewältigt werden können. Industrieunternehmen wie Bosch, aber auch Siemens und General Electric treten mit solchen Angeboten in Wettbewerb zu etablierten IT-Anbietern wie IBM, Microsoft, SAP oder Amazon Web Services, die jeweils auch PaaS-Dienste für IoT anbieten.

Interessant ist die Frage, mit welcher Konsequenz sich Unternehmen mit ihren Daten Public-Cloud-Infrastrukturen anvertrauen werden. Kosteneinsparungen etwa im Bereich der IT-Infrastruktur und des -Personals wirken verlockend, auch sind die Infrastrukturen in der Regel robuster und zuverlässiger. Dagegen spricht allerdings die Frage, ob Unternehmen wirklich im ganz großen Stil ihre sensiblen Daten Providern wie AWS, Microsoft oder Salesforce überantworten und somit die Kontrolle über die Backend-Infrastruktur aus der Hand geben wollen - ohne vollständige Transparenz darüber, was mit den eigenen Daten geschieht. Zudem steigt die Abhängigkeit von einzelnen Cloud-Anbietern, und wenn eine Multi-Cloud-Strategie verfolgt wird, der Integrations- und Management-Aufwand.