Der ERP-Mittelstand sucht seine Nische

27.11.2003
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

ERP-Investitionen Analysten rechnen für die nächsten Jahre nicht mit höheren ERP-Investitionen. Laut einer Umfrage des Beratungshauses Raad Consult vom Herbst dieses Jahres unter knapp 1000 SAP-Anwendern werden die IT-Budgets auch im nächsten Jahr schrumpfen. Der Rückgang um 2,8 Prozent falle höher aus als ursprünglich angenommen. Anfang des Jahres hatten die Analysten eine Schrumpfung um 1,5 Prozent prognostiziert. Die verstärkte Investitionszurückhaltung sei darauf zurückzuführen, dass sich 2003 offenbar nicht alle Sparmaßnahmen umsetzen ließen. Statt wie geplant um 5,5 Prozent, sanken die IT-Budgets 2003 nur um 3,5 Prozent. Deshalb werden die Unternehmen weiter sparen, prognostiziert Nils Niehörster, Geschäftsführer von Raad Consult.

Mittlerweile sei auch das während der Insolvenzphase verloren gegangene Vertrauen der Kunden zurückgekehrt, berichtet Kobek. Allerdings habe es etliche Monate beharrlicher Überzeugungsarbeit gekostet. Eine offene Kommunikation und viele Gespräche hätten die Anwender letzendlich dazu bewogen, Brain die Treue zu halten. Man habe keine Kunden verloren, behauptet der Manager. "Jedoch muss sich Brain jeden Tag neu beweisen."

"In Sachen Information hat Brain seine Hausaufgaben erledigt", bestätigt Christian Meisel, IT-Leiter der Rexnord-Kette und Sprecher der Fachgruppe Brain-Anwender im IBM-Anwenderverband Common, der die I-Series-, ehemals AS/400-Plattform, betreut. Auch die Versprechen im Rahmen der Produktentwicklung seien mit dem Release 2.2 eingehalten worden. Die Behauptung, dass Brain keine Kunden verloren habe, stimme jedoch nicht. Er kenne eine Reihe von Anwendern, die zwar noch die ERP-Lösung von Brain einsetzten, aber ihre Wartungsverträge gekündigt hätten.

Diesen Kunden sei die 20-prozentige Erhöhung der Wartungsgebühren für das ältere Release 1.2 zu viel gewesen, berichtet Meisel. Zwar lasse sich dieser Schritt insofern nachvollziehen, als eine kleinere Brain-Organisation nicht mehr in der Lage sei, viele Release-Stände parallel zu betreuen. "Der Umstieg auf eine aktuelle Version ist jedoch nicht trivial." Gerade bei langjährigen Brain-Anwendern sei die Software hochgradig an individuelle Kundenbedürfnisse angepasst.

Die Nische ist das Ziel

Dieses Customizing, das letztendlich Migrationen erschwert, ist ein Pfund, mit dem die mittelständischen ERP-Anbieter wuchern können. Es sei der große Vorteil, dass fast jeder Kunde eine individuell an seine Bedürfnisse angepasste Software bekommt, erläutert Rüdiger Spies, Vice President für den Bereich Enterprise Applications bei der Meta Group. Aufgrund ihrer geringen Größe könnten die Softwareanbieter flexibel und schnell im Markt agieren, ergänzt Nils Niehörster, Geschäftsführer des Beratungshauses Raad Consult. Anwender müssten nicht erst einen Entwicklungsantrag stellen, der wenn überhaupt erst nach Monaten genehmigt werde. Bei den mittelständischen ERP-Anbietern könnten die Kunden viel direkter den Kurs beeinflussen, "als bei einem Tanker wie SAP".