ERP

Wenn das Softwareprojekt zum Nervenkitzel wird

22.05.2008
Von 
Daniela Hoffmann ist freie IT-Fachjournalistin in Berlin.

Pharmazell: ERP-Projektabwicklung unter Zeitdruck

Die Pharmazell GmbH aus dem oberbayerischen Raubling ging Anfang 2006 durch ein Management-Buyout aus dem Konzern Lubrizol/Noveon hervor. Mit 360 Mitarbeitern und drei weiteren Standorten in Dänemark und Indien stellt das Pharmaunternehmen Wirkstoffe her. Die Eigenständigkeit war gekoppelt mit der Bedingung, binnen sechs Monaten ein eigenes ERP-System aufzubauen - ein Projekt für die Überholspur, angesichts der harten Anforderungen an IT in der Pharmaindustrie durch verschiedene Vorschriften der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) und der EU (validiert nach GAMP4). Dazu gehören unter anderem die Rückverfolgbarkeit der Chargen und die Etikettierungspflicht der Fertigprodukte, die ebenfalls rückverfolgbar sein muss. "Normalerweise müsste für ein vergleichbares Projekt ein Zeitraum von neun bis zwölf Monaten geplant werden", sagt Anne Moebes, Projektleiterin für die ERP-Implementierung bei Pharmazell. Genau ein halbes Jahr nach der Lösung vom Mutterkonzern sollten die bisher genutzte J.D.-Edwards-Lösung und ein individualentwickeltes Laborsystem abgeschaltet werden.

Den ERP-Markt hatten die Raublinger schon kurz vor dem Buyout sondiert. Letztlich blieb die Wahl zwischen SAP und einer Branchenlösung namens "Tectura Life Sciences" auf Basis von Microsoft Dynamics NAV (Navision) vom Microsoft-Partner Tectura. "Für uns war entscheidend, dass Tectura damals schon eine Computervalidierung für die Prozesse anbieten konnte, im Gegensatz zu den Mitbewerbern", sagt Moebes.

Viele Anwender sind laut Karsten Sontow, Vorstand der Trovarit AG, nicht mit dem Verlauf ihres ERP-Projekts zufrieden. Rund ein Viertel davon zähle zu den leidenden Installationen.
Viele Anwender sind laut Karsten Sontow, Vorstand der Trovarit AG, nicht mit dem Verlauf ihres ERP-Projekts zufrieden. Rund ein Viertel davon zähle zu den leidenden Installationen.

Der größte zeitliche Aufwand lag beim Testen. "Zu Projektbeginn haben wir mit dem Partner eine Liste aller rund 90 Geschäftsprozesse erstellt. 46 davon waren intensiv zu testende Prozesse. Für eine Prozess-Reorganisation war leider einfach keine Zeit", erinnert sich Projektleiterin Moebes. Nach einem detaillierten Fahrplan wurde das ERP unter anderem für Einkauf, Verkauf, CRM, Logistik, Produktionsplanung, Qualitäts- und Labor-Management eingeführt. Selbst in der Branchenlösung waren laut Moebes viele Anpassungen notwendig. Als Projektleiterin auf der Anwenderseite hielt sie jeden Tag Kontakt zum Projektleiter auf Tectura-Seite, um reibungslose Abläufe zu gewährleisten. "Das war eine ganz schöne Belastung neben dem Tagesgeschäft - und viel Wochenendarbeit für die Key User", resümiert die Projektleiterin. Die Arbeit hat sich gelohnt: Es gelang dem Projektteam, die Einführung innerhalb der geplanten Zeit abzuschließen. (fn)