Risikofaktor Softwarepatentierung

19.03.2002
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Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

Die Brisanz der Softwarepatentierung verdeutlicht auch das Angebot der Allianz AG: Eine Haftpflichtversicherung für Patente aller Art wird nur großen Konzernen angeboten, beispielsweise aus der Pharma- oder der Hightech-Industrie. Kleineren und mittleren sowie explizit Softwareunternehmen steht die Police jedoch nicht zur Verfügung. Weitere Angaben zu dem Produkt wollte der Münchner Konzern nicht machen, weder zu den Kosten noch zur Strategie gegenüber Softwarepatenten. Ähnlich zurückhaltend nimmt sich das Angebot der Gerling-Versicherung aus: Das Risiko durch Softwarepatente lasse sich derzeit noch nicht kalkulieren, daher würden derartige Versicherungen auch nicht angeboten, heißt es.

Guido Funke, Chef der Risqon Underwriting GmbH, sieht in Softwarepatenten ein „reales Risiko“ für kleine Softwarehäuser. Das Unternehmen aus Bergisch Gladbach bewertet Spezialrisiken für Versicherungskonzerne und beschäftigt sich auch mit dem Thema Softwarepatentierung. Reine Patentversicherungen würden gegenwärtig so gut wie keine angeboten, schätzt Funke den Markt ein.

Besonders deutlich wird die Gefahr für Freiberufler und kleine Softwarefirmen anhand der Unterschiede des bislang für Programme geltenden Urheberrechts und einem Patent: In letzterem Fall wird in Prozessen fast immer ein Verschulden des vermeintlichen Patentverletzers unterstellt. Der Grund hierfür liegt darin, dass Patente jederzeit zumindest theoretisch recherchierbar sind, was der Natur dieses Schutzrechts entspricht. Man hätte ja nachsehen können, so der gängige Vorwurf. Im Urheberrecht muss hingegen dem Beklagten nachgewiesen werden, dass er fahrlässig fremde Rechte verletzt hat. „Die Möglichkeiten, sich bei einer Patentklage zu entlasten, sind relativ gering und wesentlich schwieriger als im Urheberrecht“, beurteilt Funke die Situation.

Patentprozesse werden teurer

Zudem geht der Risqon-Chef davon aus, dass die Zahl der Prozesse und der Bedarf an anwaltlicher Beratung zunehmen werden, wenn die Softwarepatente einmal den offiziellen Segen haben. Es sei wesentlich leichter, jemanden aufgrund eines Patents zu verklagen, als wenn man sich lediglich auf das Urheberrecht stütze. Auch ist hier laut Funke bei Patent- und Markenklagen der Regelstreitwert höher, weshalb die Anwalts- und Gerichtskosten für Softwerker steigen werden.

Öffentliche Bekenntnisse für und wider Patente sind angesichts der rechtlichen Brisanz auch bei großen Softwarekonzernen Mangelware: „Für eine Entwicklungseinschätzung in Sachen EU-Richtlinie ist es derzeit noch zu früh“, schreibt etwa die SAP AG auf Anfrage. Außerdem gebe der Konzern keine Auskunft, ob er das Instrument einer Patenthaftpflichtversicherung nutze oder nicht.