Hannover Messe Industrie (HMI)

Prozesstechnik kann nicht ohne IT - und umgekehrt

02.05.2017
Von  und
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.

Dürr und Software AG kooperieren

Mithilfe einer Computersimulation können Gebäudepläne mit der geplanten Lackierstraße digital vorab abgeglichen und so auf mögliche räumliche Konflikte überprüft werden.
Mithilfe einer Computersimulation können Gebäudepläne mit der geplanten Lackierstraße digital vorab abgeglichen und so auf mögliche räumliche Konflikte überprüft werden.
Foto: Dürr AG

Eine strategische IoT-Partnerschaft im Bereich Industrie 4.0 schloss die Software AG während der HMI mit der Dürr AG aus dem schwäbischen Bietigheim-Bissingen. Dürr ist Maschinen- und Anlagenbauer, der Branchen wie den Maschinenbau, die Chemie- und Pharmaindustrie sowie die holzbearbeitende Industrie beliefert. Gemeinsam wollen die Partner eine Plattform entwickeln, deren Basis ein gemeinsam entwickeltes, offenes IoT-Framework ist, das wichtige Funktionen und Integrationsschnittstellen vordefiniert.

Die IoT-Plattform von Dürr soll es beispielsweise ermöglichen, Produktionsprozesse auf Basis von Echtzeitdaten (Big Data) digital zu steuern und zu analysieren. Auf Basis der neuen IoT-Plattform könnten Anwender den Betrieb ihrer Dürr-Lösungen optimieren und die Flexibilität und Reaktionsgeschwindigkeit der Produktion steigern. Mit den neuen digitalen Services streben die Schwaben Dürr zusätzliches Wachstum an. Ihre Partnerschaft sehen Dürr und die Software AG als ein Beispiel für "Industrie 4.0 - Made in Digital Germany". Ein Markting-Label, das die Software AG zur CeBIT 2017 initiiert hatte.

Partnerschaft zwischen IBM und ABB

Diese Kooperation zwischen Prozesstechnik- oder Automatisierungs-Unternehmen (OT) und IT-Konzernen war ein weiterer Trend auf der HMI. Gemäß dem diesjährigen Messe-Motto "Integrated Industry - Creating Value" scheinen die Unternehmen erkannt zu haben, dass sie im Wettlauf um ausgeklügelte Industrie-4.0 oder Digitalisierungs-Lösungen zusammenarbeiten müssen, weil sie im Alleingang fehlendes Know-how nicht schnell genug erlernen können.

Ein weiteres Beispiel für diesen Trend zur Kooperation waren in Hannover der Schweizer Elektrokonzern ABB und IBM. Gemeinsam wollen sie künstliche Intelligenz in industrielle Lösungen bringen. Dazu soll das Digitalangebot ABB Ability mit den kognitiven Fähigkeiten von IBMs Watson IoT zusammengeführt werden. und dadurch neuen Mehrwert für Kunden in der Energieversorgung, der Industrie sowie im Transport- und Infrastruktursektor schaffen wird. "Diese Kombination stellt die nächste Stufe der Industrietechnologie dar", erklärt Ulrich Spiesshofer, CEO von ABB, "sie geht über die aktuellen angeschlossenen Systeme hinaus, die lediglich Daten sammeln, und ermöglicht Industriebetriebe und Maschinen, die Daten für die Erfassung von zentralen Informationen, für die Analyse und Optimierung nutzen."

Watson in der Produktion

Mit Watson will ABB Fehler in der Produktion künftig schneller erkennen.
Mit Watson will ABB Fehler in der Produktion künftig schneller erkennen.
Foto: ABB

ABB und IBM wollen die künstliche Intelligenz von Watson beispielsweise dazu nutzen, um Fehler mit Hilfe von Echtzeit-Produktionsbildern zu finden, die von einem ABB-System erfasst werden. Anschließend analysiert IBM Watson loT for Manufacturing die Bilder. Glaubt man ABB, erfolgten diese Prüfungen bislang manuell, was ein langsamer und fehleranfälliger Prozess war. Mit Hilfe von Watson sowie der industriellen Automationstechnologie von ABB soll nun die Genauigkeit und Konsistenz verbessert werden.

Watson im Smart Grid

Ein anderes Einsatzszenario für Watson sind etwa Smart Grids. Der Plan hierbei ist, mit Hilfe von Watson die Angebots- und Nachfragemuster für Strom anhand von historischen Daten und Wetterdaten vorherzusehen. Auf diese Weise will man Betrieb und Wartung der heutigen Smart Grids optimieren. Anhand der Vorhersagen für Temperatur, Sonneneinstrahlung und Windgeschwindigkeit kann die Nachfrage prognostiziert werden, so dass Energieversorger in der Lage sind, das Last-Management und die Echtzeit-Preisbildung zu optimieren.

Allerdings sieht man bei IBM Watson weniger als AI im Sinne von Artifical Intelligence, sondern vielmehr als Augmented Intelligence. wie Harriet Green, General Manager IBM Watson IoT, Cognitive Engagement and Education, im Gespräch betont.

Auf den ersten Blick scheint das eine akademische Diskussion zu sein. Auf den zweiten Blick offenbart sich ein feiner Unterschied: Unter Augmented Intelligence versteht die Wissenschaft das Zusammenkommen von menschlicher Kreativität und Interpretationsfähigkeit mit der Rechenleistung von Computern. So betont Green denn auch, dass IBM mit Watson nicht den Mensch ersetzten wolle, sondern so wie es seit über 100 Jahren zur Firmenphilosophie des Unternehmens gehöre, ihn bei der Arbeit unterstützen wolle. Dabei ist Green überzeugt, dass IBM mit Watson in Sachen AI einen Wettbewerbsvorsprung von zehn Jahren hat, "denn niemand ist in der Lage, strukturierte und unstrukturierte Daten so schnell in solchen Mengen zu verarbeiten.

Kooperation von Mensch und Maschine

Allgemein war die Rolle des Menschen in der vernetzten Fabrik ein Kernthema der Hannover Messe. So wurden zahlreiche Beispiele für kollaborative Roboter, so genannte Cobots, gezeigt, die mit Menschen Hand in Hand arbeiten - teilweise in Polster gepackt, damit sie ihren menschlichen Kollegen nicht doch versehentlich Schaden zufügen.

Sicher ist sicher: Eingepackter Cobot am Bosch-Rexroth-Stand auf der HMI.
Sicher ist sicher: Eingepackter Cobot am Bosch-Rexroth-Stand auf der HMI.
Foto: Deutsche Messe AG

Außerdem befassten sich viele Hersteller in diesem Kontext mit der Frage, wie etwa die immer komplexeren Produktionsmaschinen beim Kunden zeitnah gewartet werden können, wenn speziell geschulte Servicetechniker Mangelware sind. Eine Lösung dafür zeigte der Verpackungsmittelhersteller Tetra-Pak auf dem Microsoft-Stand in Halle 7 auf der HMI: Ausgerüstet mit einer Microsoft Hololens verbinden sich Servicetechniker am Kundenstandort mit den weltweiten Spezialisten des Unternehmens und werden von ihnen in Echtzeit bei der Reparatur unterstützt.

Coresystems, Spezialist für Field Service Management, wiederum stellte mit Crowd Service eine Software vor, die Hersteller bei der Koordinierung ihrer Wartungs-, Service- und Instandhaltungsaufträge nutzen können. Gibt es dabei einen Engpass an eigenen Servicetechnikern, etwa weil zu viele kurzfristige Anfragen eingetroffen sind, schickt der Hersteller stattdessen einen fachkundigen Freelancer zum Kunden. Die in Siemens‘ IoT-Plattform Mindsphere integrierte Lösung ermöglicht es so, Serviceaufträge schneller und effektiver zu verwalten: Ein Servicemitarbeiter prüft über das System, welcher Techniker verfügbar, in der Nähe des Einsatzortes und für die anstehenden Arbeiten qualifiziert ist. Anschließend erhält dieser alle für den Auftrag relevanten Informationen auf sein mobiles Smart-Device geschickt.