IT-Branche zwischen Hoffen und Banken

19.02.2003
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Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

Auch Peter Pagé, einst als „Mr. Software“ titulierter ehemaliger Vorstand der Software AG, sieht die aktuelle Entwicklung kritischer als vor zehn Jahren: „Wir haben in der Branche noch einen Berg an Überkapazitäten vor uns, den kein Glaube versetzen kann.“ Zudem werde kaum ein Anwender in naher Zukunft wieder bereit sein, die noch während der Boomphase üblichen Preise zu berappen, glaubt der Marktbeobachter. Dies nutzen - aus der eigenen Not geboren - gegenwärtig vor allem die großen Beratungshäuser aus, die ihre Mitarbeiter nicht entlassen wollen, sondern mittels Kampfpreisen beim Honorar den kleinen Wettbewerbern das Leben doppelt schwer machen.

Bleibt als letzter apokalyptischer Reiter für die Branche noch das drohende Rating nach den Richtlinien von Basel II. Hierbei muss den Krediten entsprechend der Bonität des jeweiligen Kreditnehmers Eigenkapital gegenüberstehen. Je höher das Risiko, desto teurer das Geld. Viele Firmen fürchten daher, von ihrer Bank falsch bewertet, in der Regel also übervorteilt zu werden. Pauschal werden den Finanzdienstleistern standardisierte Prüfverfahren, mangelnde Branchenkenntnis und ein natürliches Interesse an höheren Zinsen vorgeworfen. Allerdings wissen die meisten Banken selbst noch nicht recht, wie die genauen Rating-Kriterien aussehen und gewichtet werden.

Einige Eckpunkte sind jedoch schon gesetzt: Rund 30 bis 40 Prozent des Bonitätsurteils werden laut Rödl & Partner aus dem so genannten Struktur-Rating gefällt, der Rest bemisst sich am Finanz-Rating, also dem Jahresabschluss und anderen Kennzahlen („quantitative Unternehmensanalyse“). Unter das Struktur-Rating („qualitative Unternehmensanalyse“) fallen Faktoren wie Wettbewerbstrends oder eine Branchenanalyse. Einen Teil seiner Kreditkostenbewertung hat der „Bittsteller“ folglich nicht selbst in der Hand - geht es der Branche schlecht, geht es den Unternehmen schlechter. Die Abwärtsspirale ist in Gang gesetzt, argumentativ durchbrechen lässt sie sich in Krisenzeiten nur noch schwer.

Fragliche Kompetenzen der Manager

Martin Wambach, Rating-Experte bei Rödl & Partner, kann indes nicht feststellen, dass die Softwareindustrie besonders davon betroffen ist: „Welche Branche steckt denn momentan nicht in einer Krise?“ Softwareunternehmen hätten hingegen oft Probleme mit den betriebswirtschaftlichen Kompetenzen ihrer Manager, die sich häufig schwer täten, die Ertrags- und Liquiditätssituation in den Griff zu bekommen. Beispiele für Insolvenzen eigentlich gesunder Unternehmen gebe es laut Wambach in der Branche genügend.

Zudem müssen die Mittelständler generell umdenken. „Die Anforderungen einer Bank beim Rating decken sich nicht mit den steuerlichen Bedürfnissen eines Unternehmers“, berichtet Thomas Ehring, Geschäftsführer des Münchner Softwarehauses Macros Innovation GmbH. Sind Gewinne traditionell dann angefallen, wenn es am besten in die Steuerplanung passte (besser spät als nie), müssen nun Erträge fließen, wenn sie für ein Rating gebraucht werden. „Was sich über Jahre in den Köpfen der Unternehmer und Steuerberater festgesetzt hat, ist jetzt ein riesiges Handicap für die Finanzierung“, sagt der Geschäftsführer.