IT-Branche zwischen Hoffen und Banken

19.02.2003
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Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

Problematisch in diesem Zusammenhang ist, dass kleine und mittlere Unternehmen kaum Alternativen zum herkömmlichen Darlehen der Hausbank haben, wenn sie kurzfristig Geld brauchen. Nach Informationen der Nürnberger Mittelstandsberatung Rödl & Partner werden in Europa bislang etwa 60 Prozent der Kapitalmarktfinanzierung über Bankkredite abgewickelt, der Rest über Anleihen. Allerdings finden sich am Markt kaum Anleihen unter 50 Millionen Euro, was für Mittelständler eindeutig zu viel ist. Ebenso wie ein Börsengang fällt diese Finanzierungsoption daher aus.

Einziger Hoffnungsschimmer: Die Gilde der Beteiligungsgesellschaften und Wagniskapitalgeber hat die Zielgruppe der Mittelständler neu für sich entdeckt. Der Grund ist, dass Startups, die teilweise noch in der Brainstorming-Phase stecken, von Investoren angesichts der schlechten Erfahrungen der letzten Jahre nicht mehr wahrgenommen werden. Betriebe, die nachweisen können, dass sich der Markt für ihr Angebot interessiert, haben indes Chancen: Nach einer Schätzung des Bundesverbands Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) werden heimische Venture-Capital-Fonds dieses Jahr rund 80 Prozent ihrer Investitionen in die mittelständische Wirtschaft fließen lassen.

Allerdings hat diese Form der Kapitalbeschaffung ihren Preis: Eine erwartete Rendite von durchschnittlich mindestens 25 Prozent pro Jahr muss erst einmal erwirtschaftet werden, gerade in einer Krise. Auch ist der Markt für Beteiligungen hierzulande nicht sonderlich weit entwickelt: Das Ziel müsse sein, ihn zu „verstetigen“, sagte unlängst Hans Reich, Chef der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), im „Handelsblatt“. Überdies legt nicht jeder Unternehmer auf einen Kommanditisten Wert, der etwa im Fall einer so genannten atypisch stillen Beteiligung regelmäßig Aufklärung über die finanzielle Situation des Unternehmens verlangt - da könne man ja gleich zur Bank gehen.

Verschärft wird das IT-Finanzierungsdilemma durch einen schleichenden, strukturellen Veränderungsprozess: Seit 20 Jahren habe der IT-Mittelstand hierzulande Probleme, sagt August-Wilhelm Scheer, Gründer der IDS Scheer AG. Das „große Sterben“ von Softwareprodukten sei zwar teilweise durch den Erfolg der SAP AG kaschiert worden. Viele Softwarehäuser hätten ihre Produkte aufgegeben und seien in der Walldorfer „Implementierungswelle“ mitgeschwommen. Nun werde aber auch diese Marktnische kleiner.

Strukturprobleme in der Branche

Daher befürchtet Scheer, dass sich die aktuelle Lage gravierender auswirkt als die Krise Anfang der 90er Jahre. Die damalige Nachfrageschwäche der Industrie habe noch durch die IT-Investitionen der Banken selbst kompensiert werden können: „Im Augenblick gibt es aber keine Branche, an die man sich halten kann“, sagt Scheer. Es sei bezeichnend für die aktuelle Situation, dass IT-Projekte der öffentlichen Hand von Lieferanten als „interessant“ bezeichnet werden: „Dabei ist der Staat nicht gerade als besonders guter Auftraggeber bekannt.“ Von einer reinen Finanzkrise zu sprechen, greift angesichts der strukturellen Probleme in der Branche zu kurz.