Entwickler müssen sich umstellen

Herausforderung Scrum

19.05.2010
Von Stefan Korsch

Auswirkungen für den IT-Mitarbeiter

Stefan Korsch, Leiter IT/E-Commerce bei der Verlagsgruppe Weltbild: 'Für IT-Mitarbeiter ändert sich das Berufsbild im agilen Umfeld am eklatantesten.'
Stefan Korsch, Leiter IT/E-Commerce bei der Verlagsgruppe Weltbild: 'Für IT-Mitarbeiter ändert sich das Berufsbild im agilen Umfeld am eklatantesten.'

Für IT-Mitarbeiter ändert sich das Berufsbild im agilen Umfeld am eklatantesten. Die Ursache hierfür ist nicht die Veränderung der tatsächlichen Tätigkeiten, sondern vielmehr der Umgang mit der konkreten Verantwortung, die direkt aus der Freiheit der agilen Methoden resultiert. Festzustellen ist, dass diese Rückkopplung in den Definitionen der agilen Vorgehensmodelle implizit enthalten ist, die Auswirkungen in Bezug auf die Verantwortung aber meist erst bei der realen Arbeit im Scrum-Team wahrgenommen werden.

Das bedeutet:

  • Das Team arbeitet direkt mit dem Product-Owner zusammen. Der Buchtitel "Wer auftritt, muss spielen" des Dirigenten Christian Gansch stellt die Situation gut dar: Der IT-Mitarbeiter tritt aus dem (geschützten) Hintergrund und wird zu einem Akteur in der ersten Reihe - in direktem Kontakt mit dem Fachbereich. Die Mitarbeiter erhalten einen ganzheitlichen Blick auf die Bedeutung und die Wichtigkeit ihrer Arbeit für das Unternehmen, aber auch auf die Auswirkungen eines Scheiterns.

  • Beschrieben wird nur die fachliche Vision, die den Leistungsumfang der zu realisierenden Software bis ins Detail wiedergibt. Eine Ausarbeitung der fachlichen Anforderungen (Story) erfolgt im Idealfall in direkter Zusammenarbeit von Product-Owner und Team. Quasi gleichzeitig beginnt die Realisierung. Die Herausforderung liegt hier in dem Mut, die Themen anzugehen, auch wenn sich später herausstellt, dass einzelne Teile der Software wieder weggeworfen oder neu gebaut werden müssen - ohne Netz und doppelten Boden.

  • Das Team hat das Recht und die Pflicht, die Menge der Aufgaben zu bestimmen. Hierbei handelt es sich um einen fairen Deal. Das Team erarbeitet eigenständig, wie komplex die Aufgaben sind, und verspricht dem Product-Owner auf dieser Basis, eine bestimmte Menge fachlicher Anforderungen in einer bestimmten Zeit (Sprint) und Qualität zu erfüllen. Dafür verspricht der Product-Owner, dem Team diese Zeit zu geben, ohne es mit wechselnden Anforderungen zu stören. Die Verantwortung bezüglich der Lieferung liegt nun voll in der Hand des Teams.

  • Das Team muss dem Product-Owner die Herausforderungen und die Risiken bei der Realisierung der Anforderungen verständlich darlegen, um schnell und offen über mögliche Alternativen diskutieren zu können. Hierdurch entsteht eine direkte Transparenz bezüglich akuter und unangenehmer Probleme oder Fehleinschätzungen des Teams.

  • Das Team arbeitet selbstorganisiert und eigenverantwortlich. Es ist für die Lieferung aller zugesagten fachlichen Arbeitspakete verantwortlich. Hierbei meint "Lieferung" hochwertige, getestete und lauffähige Software, die den vereinbarten Rahmenbedingungen entspricht. Wie das sichergestellt werden kann, liegt in der direkten Verantwortung des Teams. Fehlt Know-how, so muss es entscheiden, wer es bis wann aufbaut. Sinkt die Qualität der gelieferten Software, so müssen Verfahren zur Verbesserung erarbeitet werden.

  • Das Team ist interdisziplinär besetzt, um alle Anforderungen des Product-Owners erfüllen zu können. Die Teilnehmer arbeiten somit an unterschiedlichen Systemen und haben die Möglichkeit, ihren Horizont zu erweitern. Auf der anderen Seite sind sie dazu auch dann gezwungen, wenn das Aufgabengebiet nicht zu ihrem (Interessen-) Schwerpunkt zählt. Ein weiterer Aspekt, der hierdurch entsteht, ist der gefühlte Verlust der eigenen Zuständigkeit oder "Wichtigkeit", da dies in klassischen Strukturen oft über "Ich verantworte Modul A aus System B" erfolgt. Im agilen Umfeld wechselt der Fokus hingegen von der Spezialisierung des Einzelnen hin zu der Leistung des Teams.

Durch diese öffentliche Situation kann bei den Mitarbeitern ein hohes Unsicherheits- und Druckgefühl entstehen, das durch eine gelebte Kultur des Respekts und der Toleranz aufgefangen werden muss.