Teil 3: Was erwarten die Nutzer?

Die digitale Revolution des Energiemarktes

16.06.2015
Von   
Mark Zimmermann leitet hauptberuflich das Center of Excellence (CoE mobile) zur mobilen Lösungsentwicklung bei der EnBW Energie Baden-Württemberg AG in Karlsruhe. Er weist mehrere Jahre Erfahrung in den Bereichen Mobile Sicherheit, Mobile Lösungserstellung, Digitalisierung und Wearables auf. Der Autor versteht es, seine Themen aus unterschiedlichsten Blickwinkeln für unternehmensspezifische Herausforderungen darzustellen. Neben seiner hauptberuflichen Tätigkeiten ist er Autor zahlreicher Artikel in Fachmagazinen.
Die Digitale Transformation beschreibt die Neuausrichtung von produktbasierten Geschäftsmodellen zu einem digitalen Service-orientierten Ökosystem. Erfolgte der Verkauf von Produkten und Dienstleistungen früher papierbasiert, nimmt die Zahl der digitalen Vertriebswege stetig zu. Zwischenzeitlich stehen die klassischen Vermarktungsmechanismen im Wettstreit mit den nutzergetriebenen Empfehlungslogiken. Die Digitale Transformation geht aber noch einen Schritt weiter.

Wie bereits in Teil 1 sowie in Teil 2 dieser Artikelserie zu ersehen ist, wird die digitale Wirtschaft zunehmend relevant. Digitale Dienstleistungen stellen das Erlebnis bei der Nutzung von Produkten in den Vordergrund und verändern damit das Verbraucherverhalten nachhaltig. Es geht um Schnelligkeit, um das Ausmaß der Anpassung an und die Erfüllung von Erwartungen der Kunden - der Generation Y.

Um ein energieeffizientes Haus zu bauen, ist es heute mit einer Isolierung nicht mehr getan. Intelligente Systemen übernehmen das Kommando für jegliche Art von steuerbaren Aktionen in- und außerhalb der eigenen vier Wände.
Um ein energieeffizientes Haus zu bauen, ist es heute mit einer Isolierung nicht mehr getan. Intelligente Systemen übernehmen das Kommando für jegliche Art von steuerbaren Aktionen in- und außerhalb der eigenen vier Wände.
Foto: Franck Boston-Shutterstock.com

Bereits heute informieren sich 80 Prozent der Energiekunden online über Tarife und entsprechende (Kombi-)Angebote. Bis zu 60 Prozent schließen den Vertrag mit ihrem Energieversorger online ab beziehungsweise wechseln Vertrag oder Versorger zugunsten eines anderen Angebotes, Tendenz steigend.

Während klassische Rundfunktechnologien wie Radio und TV noch Jahre benötigten, um 50 Millionen Nutzer zu gewinnen, gelang dies dem Internet innerhalb nur vier Jahren. Facebook hat sich zu dem größten Anbieter von Nachrichten entwickelt, ohne eigene Inhalte zu produzieren. Das Start-Up UBER wurde zum weltgrößten Vermittler für Mitfahrmöglichkeiten, besitzt jedoch keine eigene Fahrzeugflotte oder angestellte Fahrer. Der größte Bettenvermieter ist keine Hotelkette sondern Airbnb. Alibaba, der wertvollste Händler der Welt, besitzt kein einziges Lager. Google stellt den größten Verzeichnisdienst der Welt dar, sein Unternehmenswert übersteigt den Wert jedes Unternehmens, das es kartographiert. Dies war 1999 nicht annähernd zu erwarten, als Google die damals "beste" Suchmaschine "Fireball" ablöste.

Dabei entsteht ausgehend von den bisherigen Zielen der Energieversorgungsunternehmen (EVUs) "Versorgungssicherheit und operativer Exzellenz" ein Spannungsfeld zwischen "Innovation & Digitalisierung" und "Risikomanagement & Regulatorik". Diesem lässt sich mit einer leistungsstarken Unternehmenssteuerung begegnen, die unter Nutzung modernster Technologien ,wie Big Data, in die Lage versetzt wird, die Veränderung der etablierten Geschäftsmodelle zu antizipieren, sowie ein effizientes Risikomanagement etabliert.

Digitale Transformation als Innovationstreiber für neue Geschäftsmodelle und Dienstleistungen

Die digitale Transformation stärkt die Kollaboration, den Austausch und die Vernetzung von Menschen, Prozessen, Daten und Dingen.

Bei der Modifikation von bestehenden Geschäftsmodellen oder der Entwicklung neuer tragfähiger Geschäftsmodelle können die folgenden Bausteine des Business Model Canvas als Grundlage der Modellierung dienen:

  • Kundensegmente

Für wen soll der Mehrwert generiert werden, welches sind die wichtigsten Kunden/Kundengruppen?

  • Werte- und Nutzenversprechen

Welcher Nutzen soll für das jeweilige Kundensegment generiert werden? Welche Probleme werden gelöst?

  • Kanäle

Über welche Kanäle werden die jeweiligen Kundensegmente erreicht? Wie gut sind die bestehenden Kanäle integriert? Wie können die Kanäle in die Gewohnheiten der Kunden integriert werden?

  • Kundenbeziehungen

Welche Arten von Beziehungen erwartet das jeweilige Kundensegment von uns? Welche sind bereits etabliert? Wie sind diese in unser Geschäftsmodell integriert?

  • Einnahmequellen

Für welchen Mehrwert sind die Kunden bereit zu zahlen? Für was bezahlen die Kunden bereits heute? Wie bezahlen sie heute? Wie würden sie gerne zahlen? Welchen Beitrag leistet jede Einnahmequelle zum Gesamtergebnis?

  • Schlüsselressourcen

Welche Ressourcen benötigen wir, um die Leistungen zu erbringen?

Welche für die Distributionskanäle, die Kundenbeziehungen, die Einnahmeströme?

  • Schlüsselaktivitäten

Welche Schlüsselaktivitäten sind zur Erbringung der Leistungen notwendig?

Welche für die Distributionskanäle, die Kundenbeziehungen, die Einnahmeströme?

  • Schlüssel-Partner

Welches sind unsere wichtigsten Partner, wer die wichtigsten Lieferanten? Welche Ressourcen kaufen wir bei den Partnern ein, welche Schlüsselaktivitäten können unsere Partner übernehmen?

  • Kostenstruktur

Welches sind die wichtigsten inhärenten Kosten in diesem Geschäftsmodell? Welche Schüsselressourcen verursachen die höchsten Kosten, welche Schlüsselaktivitäten?

Der Zeitpunkt des Markteintritts ist dabei mehr denn je ein bedeutender Faktor für Erfolg und Misserfolg. Dies wird am Beispiel von Airbnb besonders deutlich. Privatpersonen bieten über diesen Dienst ihr Zuhause oder Gästezimmer zur Vermietung an. Dabei übernimmt Airbnb keine rechtlichen Verpflichtungen gegenüber den Vertragsparteien. Dieses Geschäftsmodell von Airbnb wurde bereits zuvor mehrfach von verschiedensten Unternehmen angegangen, jedoch ohne Erfolg. Durch längere Rezessionsphase wuchs bei Menschen in teuren Metropolen die Bereitschaft, durch das Vermieten ihrer eigenen Wohnung oder eines Gästezimmers zusätzliches Geld einzunehmen. Die Energiewende wird hier ähnliche Kristallisationspunkte hervor bringen, an denen sich intelligente digitale Dienstleistungen entwickeln und etablieren können.

Die so entstehenden digitalen Dienstleistungen stellen das Nutzererlebnis sowie den empfundenen Mehrwert der Dienstleistung in den Vordergrund. Dies verhilft den entstehenden Dienstleistungen, direkt und nachhaltig auf das Verhalten der Nutzer einzuwirken. So radikal sich dies im ersten Moment anhört, hat schon jeder Bekanntschaft mit dieser durch die neuen Möglichkeiten beeinflussten Veränderung eigener Verhaltensmuster gemacht. So bietet Uber die Möglichkeit, auch in fremden Städten jederzeit eine schnelle, saubere Fortbewegungsmöglichkeit zu bekommen. Google stellt mit seinem Namen bereits den Inbegriff für "Recherche" dar, da viele von "...ich habe das mal gegoogelt" sprechen.
Dabei haben alle digitalen Dienstleistungen mit diesem Fokus der Verhaltensänderung ein identisches Vorgehen!

Initial erfolgt durch Inhalte, Werbung und persönliche Empfehlung von Nutzern eine Verbreitung einer digitalen Dienstleistung. Der Nutzer wird an den Dienst gewöhnt, seine Inanspruchnahme wird quasi zur Normalität. Dies weckt die Begehrlichkeit, diesen Dienst tiefergehend im eigenen Ökosystem weiter zu nutzen und zu verankern. Die Nutzer verbringen durch Registrierung und Intensivierung der Nutzung immer mehr Zeit mit der Dienstleistung. Gleichzeitig veredeln sie diese durch ihre persönlichen Daten und Verhaltensmuster.

Idealerweise investieren die Nutzer Geld in das Produkt, zum Beispiel durch das Angebot eines niedrigpreisigen Mietmodells. Dieses liefert im Gegenzug eine "verbesserte" oder erweiterte Servicequalität, wie zum Beispiel Spotify Premium. Je positiver sich der Nutzer mit dem Produkt beschäftigt und dieses in seinen Alltag integriert, umso eher neigt dieser dazu, die Dienstleistung seinen Freunden und Bekannten persönlich oder über soziale Kanäle zu empfehlen. Dieses Modell kann sowohl auf Commodity-Themen als auch auf Speziallösungen angewandt werden.