Reizthema

Das ungeliebte Kind E-Mail-Archivierung

23.05.2006
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.

Was ist geschäftsrelevant?

Michael Hohl, Oberbürgermeister von Bayreuth, bis Ende April 2006 aber in der Anwaltssozietät König, Heinold und Kollegen in Bayreuth beschäftigt und spezialisiert auf E-Mail-Archivierungs-Fragen, betont, wie zentral die Aufbewahrungsthematik insbesondere mit Bezug auf die Abgabenverordnung und dort Paragraf 147 ist (siehe Kasten "Welche Paragrafen wichtig sind"). Die akribische Datenspeicherung und -bereitstellung, also die Möglichkeit, gezielt und schnell aus allen Dateiformaten relevante Daten zu finden, sei auch deshalb bedeutungsvoll, weil das Bundesfinanzministerium keine allgemeingültigen Definitionen darüber angibt, welche E-Mails geschäftsrelevant sind und welche nicht.

Diese definitorische Lücke wiederum hat direkte Auswirkungen auf Anwender in Unternehmen. Aus Unwissenheit über die geltende Rechtslage löschen die Computernutzer in Unternehmen vielfach nach Gusto ihre E-Mail-Accounts in gewissen Zeitabständen - und provozieren damit ungewollt rechtliche Probleme für ihre Unternehmen. Hohl betont zudem, dass unternehmensrelevante E-Mails keinesfalls inhaltlich verändert, also auch keine Daten hinzugefügt werden dürfen. Das wissen die Wenigsten.

Senior Berater Eckardt sieht in diesen definitorischen Unklarheiten ebenfalls "das grösste Problem." Es gibt Interpretationen der Abgabenordnung, die besagen, dass alle steuerrechtlich relevanten Mails im Originalformat aufbewahrt werden müssen. "Wie soll das funktionieren?" Die Mailsysteme selbst entsprächen nicht einmal den GOBS, sie stellten keine revisionstauglichen Speicherumgebungen dar , weil die Manipulationsmöglichkeiten so gross sind, so Eckardt. Also wären Anwender gezwungen, Mails in ein "richtiges", also GOBS-konformes System zu überführen. Problem: Hiermit verstossen sie gegen die Zugriffsmethoden, die die neue Abgabenordnung in Paragraf 147, Absatz 6 ausdrücklich vorsieht.

Firmen, die auf Nummer sicher gehen wollen, wählen laut Eckardt also den Hundert-Prozent-Ansatz: "Es wird einfach alles archiviert, eingehende und ausgehende Mails." Schwierigkeit hierbei: Wie kann ein Unternehmen nachweisen, dass bestimmte Mails angekommen sind, wenn ein Spam- oder Virenfilter sie vorher ausgesiebt hat?