Berater müssen Veränderungen lieben

05.04.2006
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Sie müssen schnell lernen, viel zuhören und mit Überraschungen umgehen können: Wer als Berater durch die Lande zieht, braucht viele Talente.

Dass sich der IT-Arbeitsmarkt nach langer Flaute wieder erholt hat, ist in erster Linie den Software- und Beratungshäusern zu verdanken. Sie stellen wieder im großen Stil ein. Besonders begehrt sind SAP-Berater. Die Not der Unternehmen ist aber noch nicht so groß, dass sie wieder für Quereinsteiger die Türen öffnen würden. Gefordert sind tiefes IT-Know-how und Kenntnisse der Unternehmensprozesse, die in der Standardsoftware abgebildet werden sollen. Wie man diese Ansprüche im täglichen Einsatz beim Kunden erfüllen kann und was den Arbeitsalltag prägt, haben uns vier Berater erzählt, die bereits mehrere Jahre in der Branche arbeiten beziehungsweise dann zum Anwender gewechselt sind.

Hier lesen Sie ...

  • was SAP-Berater im Arbeitsalltag erwartet;

  • wie Berater die Prozesse ihrer Kunden herausfinden;

  • warum Berater nach einigen Jahren gern zum Anwender wechseln.

Michael Biemann: Der Übersetzer

Im Rückblick empfindet Michael Biemann es als Glücksfall, dass er sein Studium 1999 abgeschlossen hat.

Michael Biemann, IDS Scheer: 'Jeden Tag kommt etwas, womit ich nicht gerechnet habe.'
Michael Biemann, IDS Scheer: 'Jeden Tag kommt etwas, womit ich nicht gerechnet habe.'

Der Arbeitsmarkt erlebte dank des Internet-Booms eine Blüte und dem frisch gebackenen Verwaltungswissenschaftler mit Schwerpunkt Personal standen viele Wege offen. Er entschied sich gegen den klassischen Einstieg in die Personalabteilung eines Unternehmens. Biemann wollte mehr Firmen kennen lernen, unterschiedliche Probleme in unterschiedlichen Bereichen lösen und ging zum mittelständischen SAP-Beratungshaus Novasoft in Heidelberg. SAP war für ihn bis zu diesem Zeitpunkt noch ein Fremdwort, als Rüstzeug brachte er aus dem Studium vor allem das Wissen mit, wie man sich selbständig ein Thema erarbeitet und lernt.

Zu lernen hatte Biemann, der vor sechs Monaten zu IDS Scheer wechselte, in den ersten Jahren ständig Gelegenheit: Nach einem internen Ausbildungsprogramm schickte ihn Novasoft mit anderen Kollegen auf das erste Projekt. Schritt für Schritt lernte er die unterschiedlichen Phasen eines Projektes, von der Kundenakquise über die Präsentation des Angebots bis zur technischen Umsetzung. Seitdem weiß der auf das SAP HR-Modul spezialisierte Berater, dass sich der Erfolg eines Projektes in der direkten Kommunikation mit den Kunden entscheidet: "Als Berater produziert man anfangs immer eine Menge Papier. Hauptsächlich muss ich aber die Anforderungen des Kunden erfragen und in die technische Sprache der Programmierer übersetzen sowie die Sprache der SAP-Welt dem Kunden begreiflich machen."

Verlangt beispielsweise der Betriebsrat eines Unternehmens eine Auswertung über den Krankenstand der Mitarbeiter, ist Biemann gefordert. Er muss zunächst in Datenbanken und Systemen nach den Daten suchen, um dann dem Programmierer zu sagen, wie er diese zu den gewünschten Informationen aufbereiten soll. Nach einigen Tests präsentiert er die Anwendung dem Kunden.

Mit den Programmierern, die in der IDS-Zentrale in Saarbrücken sitzen, verständigt sich Biemann in der Regel per Telefon und E-Mail. Regelmässig schaut der Berater aber selbst in Saarbrücken vorbei, um sich auch persönlich mit den Entwicklern auszutauschen - für ihn eine wichtige Basis, die bei schwierigen Projekten hilft. Die ständigen Reisen zu den Kunden, die er sich in der Regel selbst organisiert, empfindet Biemann nicht als Last. In seinen Augen ist die geistige Flexibilität die größere Herausforderung: Jeden Tag erstellt sich der 33-Jährige eine Aufgabenliste und "dann kommt sicher etwas, womit ich nicht gerechnet habe". Das kann ein unerwartetes Anliegen vom Kunden sein oder auch ein Anruf, dass er in zwei Stunden nach Wien fliegen muss, um für einen kranken Kollegen einzuspringen. Dann bleibt nur noch die Zeit im Flugzeug, um sich auf den Kunden vorzubereiten.