Wie Microsoft sich neu erfindet

13.11.2001
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Gerhard Holzwart begann 1990 als Redakteur der COMPUTERWOCHE und leitete dort ab 1996 das Ressort Unternehmen & Märkte.  Ab 2005 verantwortete er den Bereich Kongresse und Fachveranstaltungen der IDG Business Media GmbH und baute „IDG Events“ mit jährlich rund 80 Konferenzen zu einem der führenden Anbieter von ITK-Fachveranstaltungen in Deutschland aus. Seit 2010 ist Gerhard Holzwart geschäftsführender Gesellschafter der h&g Editors GmbH und ist in dieser Funktion als Event Producer, Direktmarketingspezialist und ITK-Fachredakteur tätig.        

 

Nach dem weltweiten Launch von Windows XP am 25. Oktober müsste die Menschheit demnach wieder einmal glücklich sein. Nie zuvor bekamen die Kunden so viel Windows fürs Geld. Aber auch bei Microsoft und den PC-Herstellern, die dringend auf einen Katalysator für ihr flaues Geschäft angewiesen sind, kann man sich nach den ersten Verkaufszahlen alles in allem die Hände reiben: Demnach fanden in den USA binnen der ersten drei Tage nach der Produktvorstellung rund 300 000 CDs ihren Abnehmer. Das Ergebnis liegt damit, so Microsoft, knapp unter den vergleichbaren Werten bei der Einführung von Windows 98, aber deutlich über denen bei der Premiere von Windows 95 im Sommer desselben Jahres, als die Anwender auf beiden Seiten des Atlantiks zum seinerzeit publicityträchtigen Sturm auf die Computerläden angesetzt hatten.

Vieles spricht dafür, dass Microsofts neues PC-Betriebssystem wieder ein kommerzieller Erfolg wird – ungeachtet der Tatsache, dass sich die Marktforscher in den zurückliegenden Wochen eher zurückhaltend zu dem Thema geäußert haben. Auch an der kartellrechtlichen Front gibt es streng genommen nichts Neues, obwohl der mit dem US-Justizministerium ausgehandelte Vergleich vergangene Woche überraschend am Veto einiger US-Bundestaaten scheiterte. Für weitere Feindbilder im Sinne der eingangs geschilderten Wahrnehmungs-Gepflogenheiten im Microsoft-Headquarter dürfte somit gesorgt sein; und das Antitrust-Verfahren sowie die Bemühungen um eine außergerichtliche Einigung wurden spätestens jetzt zur Never-ending-story.

Doch der anhaltende juristische Kleinkrieg, in den die Gates-Company mit den Behörden in Washington D.C. verstrickt ist, und der Big Bang, den sich die PC-Industrie und damit die IT-Branche insgesamt durch Windows XP (jedenfalls bis zu den Terroranschlägen am 11. September) erhofft hatte, sind gar nicht das entscheidende Thema. Viel spannender ist, dass seit Monaten die wohl größte Produktoffensive in der Microsoft-Geschichte läuft, die Beobachter bereits zu der pointierten Feststellung veranlasste, die Redmonder wollten „die Gerichtsakten mit ihren Quellcodes überschreiben“. Womit man dann zunächst doch wieder bei Windows XP ist. Aber es geht dabei primär nicht – jedenfalls aus Sicht von Microsoft – um ein weiteres Produkt-Bundling, das neue Monopolvorwürfe nach zieht, sondern um ein für den Softwaregiganten völlig neues Geschäftsmodell: Programme werden nicht mehr nur auf Basis eines Lizenzmodells mit Hilfe von CDs

verkauft, sondern als Service via Internet vertrieben. Anders formuliert: Rund eine Milliarde Dollar an Entwicklungskosten sollen sich mittelfristig durch entsprechende Abo- und Transaktionsgebühren amortisieren und, wie viele Kritiker mutmaßen, den langersehnten Traum von Microsoft-Gründer Bill Gates wahrmachen, nicht nur den Markt für PC-Software, sondern auch das Internet zu kontrollieren. <media hspace="5" dbref="/imgserver/index.cfm?origid=1971&objType=images&origindex=pkimages&db=cwonline&update=0" align="center" />

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