Das Prinzip der Roten Königin

Wie Coca-Cola seine IT auf Trab hält

30.12.2014
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Social Software

Die mobilen Applikationen sind , wie der IT-Verantwortliche erläutert, in unsere unternehmensweite Collaboration-Plattform integriert. Hierfür kommt das von Salesforce.com stammende interne soziale Netzwerk "Chatter" zum Einsatz. Damit gründet die Zusammenarbeit auf dem "Follow-Prinzip". Oder wie Franke es formuliert: "Die Informationen findet den Nutzer, statt dass der Nutzer aktiv nach Informationen suchen muss".

Beispielsweise sind die Vertriebler aufgefordert, ihre Besuche bei den rund 100.000 direkt belieferten Abnehmern nicht nur anhand von Kenngrößen wie Sortiment, Kühlerbestückung, "Produktaktivierung" (auf Theke oder Tischen) und Flächennutzung zu dokumentieren. Via Chatter können sie die Unterschiede zwischen Datenbank-basierendem "Soll" und vorgefundenen "Ist" auch in Freitext-Form kommentieren. Folgt nun beispielsweise ein Mitarbeiter einem bestimmten Kunden, so findet er die betreffenden Kommentare in seinem Feed.

Aus Sicht von Franke ist es keineswegs utopisch, ein Unternehmen "mit dem Smartphone zu steuern". Im Prinzip sei jede notwendige Funktion jederzeit und überall via iPhone oder iPad verfügbar. Auf der technischen Seite müssten dafür aber ein paar Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen sollte die Darstellung der Informationen "radikal vereinfacht" werden, damit sie auf einem mobilen Device lesbar sei. Außerdem erfordere eine extensive Nutzung von mobilen Geräten ein flächendeckendes WLAN in allen Bereichen.

Und bevor auf Unternehmensinformationen von Smartphones und Tablets zugegriffen werden kann, müssen diese für den Consumer-Bereich konzipierten Geräte "Enterprise-ready" gemacht werden. Dazu gehört sowohl das Einhalten von bestimmten Sicherheitsmaßnahmen als auch das Ermöglichen von Fernwartungsprozessen durch den IT-Support. Die CCEAG vertraut hier auf das MDM-Tool (Mobile Device Management) "Airwatch" von VMware. Die mobilen Anwendungen stellt das IT-Team über einen internen AppStore bereit.

Middleware-Schicht

Das Ziel der mobilen Anwendungen war laut Franke keineswegs, " interne Prozesse zu befriedigen", auch wenn sie damit selbstverständlich nicht kollidieren sollten. Es gehe in erster Linie darum, bestimmten Anwendergruppen ein "Ökosystem" bereitzustellen, in dem sie das jeweilige Spektrum ihrer Aufgaben medienbruchfrei abdecken können.

Die "Halbwertzeit" der mobilen Apps beträgt dabei unter Umständen nur wenige Monate - im Gegensatz zu der eines SAP-Systems, dessen Haltbarkeit eher in Jahrzehnten berechnet wird. Diese beiden höchst unterschiedlichen IT-Welten müssen aber schließlich wieder zusammengeführt werden. Sonst entstünden ja nur wieder neue Inkonsistenzen.

Wie in den meisten Unternehmen ist auch bei der CCEAG die SAP-Plattform als das führende System definiert; die Stammdaten liegen ausschließlich dort. Einmal täglich werden sie über ein ETL-Tool mit der jeweiligen App synchronisiert. Umgekehrt werden die Bewegungsdaten aus der App via Web-Service und RFC-Technik (Remote Function Call) regelmäßig in das SAP-System überspielt.

Die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Systemen gewinnt ständig an Bedeutung, so Franke. Deshalb wird auch die Middleware-Schicht für die Verbindung immer wichtiger und ständig weiterentwickelt.

Agile Entwicklung

Die "agile Schicht" unterscheidet sich vom "stabilen Kern" nicht nur durch die Art der Applikationen, sondern auch durch ihren Entstehungsprozess. "Normalerweise kommt eine Anfrage des Business, die dann, sagen wir mal, innerhalb von sechs Monaten umgesetzt wird - und beim Auftraggeber oft Unzufriedenheit hinterlässt", fasst Franke die bittere Wahrheit des Wasserfallmodells zusammen. Das sei nahezu unvermeidlich, denn: "In vielen Bereichen ist es für das Business schwer zu überblicken welche technologischen Möglichkeiten es heute oder in naher Zukunft gibt, deshalb werden immer nur inkrementelle Änderungen des Bestehenden nachfragen." Also schnellere Pferde statt Autos.

Zu einer neuartigen IT gehöre deshalb auch eine neue Art der Auslieferung: "Mit Scrum ist es möglich, schnell eine Anwendung zu erstellen, die zumindest zeigt, wie die endgültige Lösung aussehen soll. Da kann man dann gegebenenfalls nachjustieren - auch auf Seiten der Anforderung."

Im Gegensatz zu den etwa zwölfmonatigen Release-Zyklen im Core-Bereich werden die notwendigen Änderungen bei diesen Apps alle zwei Monate nachgetragen. So ist sichergestellt, dass Anforderungen und Anwendungen konsistent bleiben. Frankes Claim hierfür lautet: "Schnell, aber aufgrund von Guided Principles". Welche er übrigens gerade dabei sei, "auf Papier zu bringen".

Tandems aus Business und IT

Die enge Beziehung zwischen Demand- und Supply-Seite stellt Franke auch dadurch sicher, dass er für alle Hauptgeschäftsprozesse "Tandems" bildet: Zu jedem "Business Process Lead" (etwa: Geschäftsprozesseigner) gibt es auf der IT-Seite ein "Gegenstück".

Das etwa 170-köpfige IT-Team selbst folgt ebenfalls dem dualen Prinzip: Es teilt sich in die etwa gleich großen Bereiche Service Operations (IT-Betrieb) und Solution Center (Lösungsentwicklung).

Fazit

Am Ende des Tages müsse ein Unternehmen auch mal bereit sein, an der einen oder anderen Stelle ein Risiko einzugehen, lautet Frankes Fazit: "Lieber eine schnelle Entscheidung aufgrund von 80 Prozent der Informationen!" Die restlichen 20 Prozent könne man später für Korrekturen heranziehen. Bei der CCEAG herrsche eine Kultur, die es erlaube, auch mal einen Fehler zu machen. Nur so sei die IT schnell genug für den dynamischen Markt: "Und Geschwindigkeit ist nun mal die neue Währung."