Welches ERP-System soll ans Ruder?

02.08.2006
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Die Anbieter von betriebswirtschaftlicher Software versuchen zwar nach Kräften, ihre Kunden bei der Globalisierung zu unterstützen. Doch oft klafft zwischen Anspruch und Realität eine große Lücke.

Noch vor zwei Jahren stellten die Unternehmensberater von Deloitte den Anbietern von Enterprise-Resource-Planning-Systemen (ERP) ein schlechtes Zeugnis im Fach Globalisierungsunterstützung aus.

Hier lesen Sie …

  • wie die Firmenkultur die ERP-Auswahl in Sachen Globalisierung beeinflusst;

  • welche Kriterien eine Softwaresuche bestimmen;

  • wie die Antwort der ERP Hersteller auf die Forderungen der Kunden lautet.

Zwar setzte die überwiegende Zahl der rund 400 befragten Firmen ein ERP-System ein, aber nur ein Drittel äußerte sich zufrieden mit den Ergebnissen. Schwachstellen der Software sowie Defizite in den darunter liegenden Prozessketten behinderten die Verantwortlichen in ihren Globalisierungsbemühungen. "In Deutschland sind die Unternehmen in Bezug auf die Globalisierung nicht ausreichend vorbereitet", lautete 2004 das Fazit von Deloitte-Analyst Jochen Kuhnert.

Mittlerweile haben die Hersteller von Business-Software dazugelernt, stellt Kuhnert heute fest. Gerade die großen Systeme von SAP, Oracle und Microsoft seien durch die Bank global einsetzbar. Themen wie Stammdatenbereinigung, Skalierbarkeit oder Plattformunabhängigkeit seien erfolgreich bearbeitet oder zumindest auf dem Weg dazu.

Wachsende Kundenansprüche

Parallel zu den Bemühungen der Softwareproduzenten wachsen jedoch auch die Forderungen ihrer Kunden. Gerade durch die Globalisierung des Geschäfts verkürzten sich die Innovationszyklen. Portale zur Firmensteuerung, weltweites Sourcing, globales Marketing und internationale Services rückten immer mehr in den Fokus der Anwenderunternehmen. "Hier müssen die ERP-Produzenten noch verschiedene Hausaufgaben machen, um ihr Angebot zu verbessern", zieht Kuhnert eine kritische Bilanz.

Auch Werner Schmid von der Gesellschaft zur Prüfung von Software (GPS) aus Ulm warnt vor Defiziten der verschiedenen ERP-Lösungen, die den Globalisierungsbestrebungen der Anwender an der einen oder anderen Stelle im Weg stehen. Probleme bei Funktionen für Artikelgruppierungen, Preisfindungs-Algorithmen, Intercompany-Preise bis hin zum Berichtswesen oder der Bewertung von Beständen könnten die Firmen auf internationalem Parkett schnell ins Stolpern bringen.

"Preisfindung ist eines der schwierigsten Themen überhaupt", berichtet Schmid aus seiner Erfahrung. Dabei müssten sich die Firmen mit den unterschiedlichsten nationalen Gepflogenheiten herumschlagen. Während man in Deutschland ein System aus Listenpreisen abzüglich Rabatten und sonstigen Vergünstigungen pflege, würden die Preise in anderen Ländern nach ganz anderen Regeln gebildet, beispielsweise durch Aushandeln: "Das passt dann natürlich nicht mehr in das Schema Einzelpreis minus Rabatt."