Welches ERP-System soll ans Ruder?

02.08.2006
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Effizienz kostet Geld

Effizientere Systemlandschaften kosten die Anwender Gruler zufolge jedoch zunächst einmal Geld. Dafür verspricht der SAP-Manager auf der anderen Seite Einsparungen. Um den Aufwand für die Anwender gerade aus der kostensensiblen Mittelstands-Klientel möglichst in Grenzen zu halten, arbeitet der Softwarekonzern daran, seine Services zu industrialisieren. "Bestimmte Prozesse werden branchenspezifisch vorgedacht und nach einem Best-Practice-Ansatz definiert", erläutert Gruler. In einem zweiten Schritt baue SAP rund um diese Prozesse standardisierte "produktisierte" Dienstleistungen. Damit lasse sich kosteneffizienter arbeiten, wirbt der SAP-Mann.

Bei Kevin Brock, Chief Financial Officer (CFO) von J.F. Hillebrand, zogen diese Argumente allerdings nicht. Der Finanzchef des international agierenden Getränkelogistikers befürchtete, zu sehr an die starren Vorgaben des SAP-Systems gebunden zu sein und dieses letzten Endes nicht mehr kontrollieren zu können. Zudem sei es bereits während der Auswahl einer neuen Financials-Lösung schwierig gewesen, bei Fragen den richtigen Ansprechpartner innerhalb der SAP zu finden.

Alles eine Frage der Plattform

Die großen ERP-Systeme sind global einsetzbar, stellt Deloitte-Analyst Jochen Kuhnert fest: Oracle werde in naher Zukunft versuchen, Boden auf den Vorreiter SAP gutzumachen. Microsoft könnte vor allem aus preislichen Gesichtspunkten interessanter werden. Darüber hinaus gibt es eine Reihe guter, regional orientierter ERP-Produkte. Doch oft fehlen dem Hersteller die Ressourcen, sein Produkt an weitere Märkte anzupassen.

Neben der Softwareauswahl dürfte Kuhnert zufolge in Zukunft auch die Wahl der Plattform eine immer wichtigere Rolle spielen. Die großen ERP-Anbieter arbeiten mit Hochdruck an entsprechenden Angeboten. So dürfte es für Anbieter wie Sage schwer werden. Die Briten versuchen, mit Akquisitionen ihre globale Präsenz auszubauen, bemühen sich aber nicht um eine gemeinsame Basis für die zugekauften Produkte. Damit wird die Integration durch die nötige Entwicklung und Pflege von Schnittstellen auf Kundenseite komplexer.

J.F. Hillebrand stand vor dem Problem, dass die 41 Gesellschaften des Unternehmens in 22 Ländern zwar die selbst entwickelte Logistiksoftware einsetzen, aber auch 22 unterschiedliche Financials-Lösungen. Als irgendwann die Systemanforderungen dahin gingen, Konzernabschlüsse und Monatsberichte auf Konzernebene zu erstellen, fing man an, mit Excel-Sheets zu arbeiten, berichtet Brock. Allerdings mussten die dafür notwendigen Informationen per Mail von den Landesgesellschaften angefordert und händisch in das Zentralsystem eingepflegt werden: "Es gab keine Transparenz, und Analysen waren sehr aufwändig."

Oft fehlt der Spielraum

Eine neue Financials-Lösung sollte diese Probleme beheben. Neben einer verbesserten Transparenz und schnelleren Abwicklung stand für Brock auch eine möglichst flexible Anpassung an lokale Gepflogenheiten und Prozesse im Vordergrund. "Viele Finanzbuchhaltungen sind mehr oder weniger fertig", moniert er. "Hier fehlt der Spielraum, die Lösung an die eigenen Strukturen anzupassen."

Diese Flexibilität fand Brock eigenen Angaben zufolge schließlich mit der Financials-Lösung des Softwareanbieters Coda. Nach dem Rollout in Deutschland im November 2005 sind mittlerweile auch die Zweigstellen in Frankreich, Irland und den Niederlande auf das System migriert. Italien, Portugal und Spanien sollen bald folgen. Als Vorteil wertet der Manager die Unabhängigkeit vom Hersteller. Ein spezielles Implementierungsprogramm sorge dafür, dass im Rahmen der Softwareeinführung das Know-how an die eigenen IT-Mitarbeiter weitergegeben werde. "Wir wollen nicht abhängig sein und können auch nicht allzu viele Beratertage für laufende Anpassungen am System bezahlen", stellt Brock klar. Daher müsse J.F. Hillebrand seine Lösung selbst anpassen können. "Heute brauche ich Coda kaum noch", bilanziert der CFO.