Erfolgsfaktor Familie

Was Unternehmen für Eltern tun

24.05.2007
Von Anja Dilk und Heike Littger
Unternehmen erkennen, dass Familienfreundlichkeit kein Sozialklimbim ist, sondern knallharter Wettbewerbsvorteil. Gerade in der IT-Branche sind gute Leute knapp und sie zu binden eine Herausforderung.

Es war im Sommer 2000 als Andreas Schweinbenz und sein heutiger Chef-Softwareentwickler Jürgen Neumann auf der Dachterrasse ihres damaligen Arbeitgebers Netpioneer in Karlsruhe saßen. In den Händen eine Flasche Bier, im Kopf eine Vision: "Es muss doch möglich sein, über das Internet visuell zu kommunizieren." Es war möglich. Ein Jahr später gründeten die beiden die Firma Netviewer. Und profitieren seitdem beruflich wie privat von ihrer Erfindung.

Jürgen Neumann, Netviewer: "Selbst wenn ein Release ansteht, die Familie hat höchste Priorität."
Jürgen Neumann, Netviewer: "Selbst wenn ein Release ansteht, die Familie hat höchste Priorität."

Wenn Neumann zweimal pro Woche von zu Hause aus arbeitet, um auf seine neun Monate alte Tochter aufzupassen und damit seine Frau entlastet, kann er aus der Entfernung via Internet mitprogrammieren und an Konferenzen teilnehmen. "Für uns ist das kein Thema", so die Personalchefin Susanne Jonas. Und Neumann ergänzt: "Selbst wenn ein Release ansteht, die Familie hat höchste Priorität. Beruf und Familie müssen zusammengehen." Die hohe Flexibilität wann arbeiten, von wo aus arbeiten ist somit auch nicht nur den oberen Managern der Firma vorbehalten. Alle Netviewer-Mitarbeiter können sie nutzen auch während der Elternzeit. Wer möchte, kann sich 30 Stunden pro Woche rund um die Uhr von zu Hause aus ins digitale Geschehen des Unternehmens einklinken. "So bleiben die Mitarbeiter auf dem Laufenden", so Jonas, "und tun sich bei der Rückkehr nicht so schwer."

In deutschen Unternehmen sind solche Angebote noch lange nicht Alltag. Allem familienpolitischen Trommeln, allen Initiativen für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zum Trotz, gilt in der Arbeitswelt allzu oft immer noch: Job ist Job, privat ist privat. "Langsam gewinnt das Thema an Boden, gerade in der IT-Branche", weiß Silke Masurat, Prokuristin bei Compamedia. Demographische Entwicklung und Fachkräftemangel setzen die Unternehmen ebenso unter Druck wie der gesellschaftliche Klimawandel. Masurat weiter: "Wer Mitarbeiter gewinnen und vor allem halten will, darf seine gut ausgebildeten Fach- und Führungskräfte nicht länger vor die Wahl stellen: deine Familie oder wir." Das machen nur unfähige Chefs.

"Was tun Sie für die Familie?"

Seit fünf Jahren richtet Compamedia den Wettbewerb "Top Job" aus ein bundesweites, branchenübergreifendes Benchmarking, mit dem Ziel vorbildliche Arbeitgeber aus dem Mittelstand einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen und sie so bei der Suche nach qualifizierten Arbeitskräften zu unterstützen. Diesjähriger Sieger in der Kategorie "Familie und Sozialorientierung": Securetec. Teilzeitarbeitsplätze, variable Arbeitszeiten und Unterstützung in der Kinderbetreuung sind im Brunnthaler Unternehmen selbstverständlich. "Wir wollen, dass die Besten für uns arbeiten. Und das erreichen wir, wenn wir unseren Angestellten weiblich wie männlich überzeugende Arbeitsbedingungen bieten, so Unternehmensgründer und Vorstand Rudolf Zimmermann. Und zu überzeugenden Arbeitsverhältnissen gehöre die Möglichkeit, Familie und Beruf unter einen Hut zu zaubern. "Das Rollenverständnis hat sich verändert: Frauen wollen trotz Kindern arbeiten und Männer trotz Job ein intensives Familienleben leben."