Was ist Enterprise Content Management?

10.11.2023
Von   IDG ExpertenNetzwerk
Heinz Wietfeld ist Director bei Hyland und verantwortet als Regional Manager die Geschäftsaktivitäten in Benelux, Nord- und Osteuropa sowie in der DACH-Region. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der IT-Branche und hatte verschiedene Sales- und Sales-Management-Funktionen bei internationalen ECM-Anbietern inne.
Enterprise Content Management bringt Struktur in Unternehmensinhalte.
Dokumente, die nicht auf digitalem Weg in den Arbeitskreislauf gelangt sind, müssen erst eingescannt werden.
Dokumente, die nicht auf digitalem Weg in den Arbeitskreislauf gelangt sind, müssen erst eingescannt werden.
Foto: faithie - shutterstock.com

Enterprise Content Management (ECM) ist ein wichtiges Werkzeug, um große Mengen an Daten, Dokumenten und Inhalten zentral zu verwalten und zu organisieren. Es beschreibt Strategien, Methoden und Tools zur Erfassung, Verwaltung, Speicherung, Bereitstellung, Archivierung und Automatisierung und unterstützt reibungslose Unternehmensprozesse.

Warum Enterprise Content Management?

Unternehmen setzen immer mehr Systeme, Anwendungen und Lösungen ein und viele dieser Lösungen kommen mit einem eigenen Data Repository. Gleichzeitig ist das "papierlose Büro" noch nicht überall Realität und Prozessbrüche sind dadurch ein reales Problem. Hier den Überblick zu behalten, kann zur Herausforderung werden. Datensilos, veraltete Daten, Dubletten, Compliance-Verstöße und Effizienzeinbußen sind die möglichen Folgen.

Zentrale Enterprise-Content-Management-Systeme können Unternehmen dabei unterstützen, den Überblick zu behalten und Geschäftsprozesse zu rationalisieren. Neben dem ERP ist das ECM-System eines der Herzstücke der Unternehmensorganisation.

DMS und ECM: Was ist der Unterschied?

Obwohl DMS (Dokumentenmanagementsystem) und ECM (Enterprise Content Management) oft synonym verwendet werden und beide für die Verwaltung von Inhalten konzipiert sind, unterscheiden sie sich in ihrem Umfang und ihrer Ausgereiftheit.

DMS bieten grundlegende Funktionen für die Dokumentenverwaltung. Dazu gehören beispielsweise Tools, die für folgende Aufgaben:

  • Scannen und Digitalisieren,

  • Speichern,

  • Organisieren,

  • Abrufen,

  • Versionskontrolle und

  • Zusammenarbeit.

Sie sind in der Regel auf das Management von Dokumenten innerhalb einer bestimmten Abteilung oder Funktion ausgerichtet und werden zur Verwaltung alltäglicher Abläufe eingesetzt, zum Beispiel für die Rechnungsstellung, für Verträge oder Angebote.

ECM-Systeme dagegen bieten einen umfassenderen Ansatz für die Verwaltung von Inhalten. Sie ermöglichen es Unternehmen, alle Arten von Content einschließlich Bildern, Videos oder Audiodateien in einem zentralen Repository zu verwalten. Diese Systeme bilden komplette Dokumenten- und Content-Prozesse ab und bieten neben den Grundfunktionen des Dokumentenmanagements erweiterte Funktionalitäten wie automatisierte Workflows, Records Management und intelligente Suchfunktionen. Sie enthalten zudem Funktionen wie Inhaltsanalyse, Inhaltsklassifizierung und Inhaltsmigration. ECM-Systeme können außerdem Freigaben oder das Kunden-Onboarding automatisieren, Fehler reduzieren und einen effizienten Ansatz für die Verwaltung von Inhalten bieten.

Ein DMS ist also eine Komponente eines ECM-Systems, die sich ausschließlich auf die Dokumentenverwaltung konzentriert, während ECM ein breiterer Begriff ist, der eine Reihe von Prozessen und Content-Management-Technologien einschließt.

Ein weiterer Begriff in diesem Zusammenhang sind Content Services. Die Analysten von Gartner haben ihn 2016 geprägt. Die Marktforscher wollten damit der veränderten Art und Weise Rechnung tragen, wie Unternehmen Inhalte und Dokumente erstellen, nutzen und teilen – intern, aber auch mit externen Partnern. Unternehmen benötigen keine monolithischen Dokumenten-Repositories mehr, sondern vielmehr Plattformen, die Inhalte aus verschiedenen Repositories und Anwendungen zentral bündeln. Content Services sind damit die Weiterentwicklung der klassischen ECM-Plattformen. Sie ermöglichen schnellere Prozesse, bieten innovative Automatisierungsfunktionalitäten und sind oft Cloud-Native. Dies bringt Vorteile in Bezug auf Sicherheit und Mobilität und erleichtert die Integration mit anderen Cloud-Anwendungen.

Da der Begriff Content Services im deutschsprachigen Raum bisher weniger verbreitet ist als Enterprise Content Management, werden ECM- und Content Services im Folgenden synonym verwendet.

In welchen Geschäftsbereichen kann ECM eingesetzt werden?

ECM kann in praktisch allen Geschäftsbereichen mit digitalen Inhalten eingesetzt werden. Den größten Mehrwert bietet ECM in daten- und dokumentenintensiven Abteilungen, Geschäftsbereichen und Branchen mit komplexen Dokumentenprozessen. Beispiele hierfür sind:

  • Öffentliche Verwaltung

  • Finanz- und Rechnungswesen,

  • HR,

  • Rechtsabteilung und

  • Marketing.

Anders als DMS-Lösungen, die teilweise auf bestimmte Abteilungen begrenzt sind, kann ein ECM-System unternehmensweit implementiert werden, um einen abteilungs- oder unternehmensübergreifenden Austausch von Inhalten zu ermöglichen.

Wie funktioniert ein Enterprise-Content-Management-System?

Ein ECM-System System umfasst in der Regel mehrere Komponenten, darunter Tools zur Content-Erfassung aus Quellen, wie:

  • Scanner-Systemen,

  • E-Mails,

  • Online-Portalen,

  • Chats,

  • Content-Management-Systemen,

  • Workflow-Engines und

  • Intelligent-Automation-Tools.

Mit den Werkzeugen zur Content-Erstellung können die Benutzer Inhalte wie Dokumente, Tabellenkalkulationen oder Präsentationen erstellen und bearbeiten. In einem zentralen Repository können diese gespeicherten Inhalte dann von autorisierten Benutzern abgerufen und gemeinsam genutzt werden. Dazu bieten Workflow Engines eine Reihe von Regeln und Verfahren, die die Bewegung von Inhalten durch das Unternehmen regeln, einschließlich Freigabeverfahren, Versionskontrolle und Weiterleitung.

ECM-Beispiel anhand eines Rechnungseingangs

  1. Ein Unternehmen enthält postalisch eine Rechnung.

  2. Die Rechnung wird gescannt und digitalisiert.

  3. Das Dokument wird mithilfe eines OCR-Tools (Optical Character Recognition) „gelesen“ und als „Rechnung“ erkannt und kategorisiert.

  4. Das digitale Dokument wird über ein Workflow-Tool zur weiteren Bearbeitung an den betreffenden Sachbearbeiter in der Kreditorenbuchhaltung weitergeleitet.

Planung, Konfiguration und Einführung von ECM

In einem ersten Schritt müssen die individuellen Geschäftsanforderungen des Unternehmens ermittelt werden, die das ECM-System erfüllen soll. Dazu gehört die Analyse der bestehenden Dokumenten-Prozesse, die Arten der zu verwaltenden Daten, die Identifizierung verbesserungswürdiger Bereiche und Arbeitsabläufe sowie die Definition der wichtigsten Anforderungen an das ECM-System. Das können zum Beispiel das Datenvolumen, die Anzahl der Dokumente und Prozesse, die Zahl der Anwender oder Anforderungen an Sicherheit und Compliance sein.

Der zweite Schritt besteht darin, sich einen Überblick der am Markt verfügbaren ECM-Lösungen zu verschaffen und diejenige auszuwählen, die die Anforderungen des Unternehmens am besten erfüllt. Dabei sind Faktoren wie Skalierbarkeit, Integrationsfreudigkeit zu anderen Unternehmenssystemen wie ERP oder CRM, Benutzerfreundlichkeit und Kosteneffizienz zu beachten. Außerdem sollten die eigenen personellen Ressourcen und speziellen Prozessanforderungen berücksichtigt werden.

  • So können Low-Code-Plattformen bereits über eine Reihe von spezifischen Tools, wie zum Beispiel für die Kreditorenbuchhaltung, verfügen, die es auch kleinen IT-Teams erlauben, die Lösung performant zu betreiben.

  • Muss ein Unternehmen hochspezialisierte Prozesse abbilden und wünscht sich volle Flexibilität und verfügt gleichzeitig über die nötige Expertise und Teamstärke, ist eine Open-Source-Plattform die richtige Wahl. Diese bietet unbegrenzte Coding-Möglichkeiten, um die Lösung bis ins Detail an die eigenen Anforderungen anzupassen.

Bei der Entscheidung, welche Lösung am besten geeignet ist, stehen Hersteller und Systemhäuser beratend zur Seite.

Der dritte Schritt besteht schließlich darin, das ECM-System so zu konfigurieren, beziehungsweise zu programmieren, dass es die spezifischen Anforderungen des Unternehmens erfüllt. Dazu gehören unter anderem die Einrichtung von Benutzerrollen und -berechtigungen und die Definition von Workflows. Außerdem sollten alle Mitarbeitende, die zukünftig mit dem System arbeiten, geschult werden, um eine hohe Akzeptanz zu fördern und der Bildung einer Schatten-IT entgegenzuwirken.

Die technischen Anforderungen von ECM

Ein leistungsfähiges ECM erfordert spezielle Software für die Verwaltung von Inhalten, Dokumenten und Prozessen. Dazu gehören unter anderem Tools für die Erstellung von Inhalten, Document-Management-Systeme, Workflow Engines, Records-Management-Anwendungen, Collaboration Tools sowie spezielle abteilungsspezifische Applikationen, zum Beisiel für Accounts Payable, das Marketing oder den Einkauf. Diese Tools und Anwendungen werden häufig gebündelt auf einer Plattform angeboten, und können in ihrer Gesamtheit oder aber als einzelne Module genutzt werden.

Das Herzstück eines jeden ECM-Systems ist eine robuste und skalierbare Datenbank, die als zentrales Repository für alle Inhalte dient. Die Datenbank muss in der Lage sein, große Datenmengen zu verarbeiten, eine Vielzahl an Benutzern zu unterstützen und Datenintegrität und -sicherheit zu gewährleisten.

Die Zeit als ECM-Lösungen monolithische Plattformen waren, ist vorbei. Heute kommunizieren sie über Schnittstellen mit anderen Systemen und ermöglichen einen nahtlosen Austausch von Inhalten. Einige Plattformen ermöglichen Usern auch die Dokumente und Inhalte in ihren bekannten Nutzeroberflächen in SAP oder Workday zu bearbeiten.

Generell gilt, dass ECM- und Content-Services-Plattformen sowohl On-Premises auf einem eigenen Server gehostet werden können oder – je nach Anbieter – auch in einer Private- oder Public-Cloud. Welche Option die passende ist, hängt unter anderem davon ab, ob Agilität, Flexibilität und schnelle Skalierbarkeit priorisiert werden.

Compliance und Sicherheit

Unternehmen müssen eine ganze Reihe verschiedener gesetzlicher Vorschriften für die richtlinienkonforme Speicherung, Verwaltung, Archivierung und Löschung von Daten und Dokumenten einhalten. Prominentestes Beispiel ist neben der NIS-Richtlinie sicher noch immer die europäische Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO), der zufolge Kunden, Bürger und Mitarbeitende unter anderem das Recht auf Löschung ihrer personenbezogenen Daten haben. Voraussetzung für die Einhaltung bzw. erfolgreiche Umsetzung der DSGVO ist ein holistischer Blick auf alle im Unternehmen vorhandenen Daten. Keine Informationen dürfen in Datensilos verbleiben bzw. dort „vergessen“ werden, denn ein Verstoß gegen die Gesetzesvorgaben kann empfindliche Strafen nach sich ziehen.

Lesetipp: Datensicherheit in der Cloud - Wie Sie GoBD-konform archivieren

Weil Enterprise-Content-Management-Systeme Unternehmensinhalte an einem zentralen Ort bündeln, spielen sie bei der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften eine große Rolle. Als Single Source of Truth erlauben sie jederzeit Einblick und Zugriff auf den Pool an Unternehmensinformationen. Dabei ermöglichen es Records-Management-Anwendungen den Unternehmen, die Aufbewahrung und Entsorgung von Inhalten in Übereinstimmung mit rechtlichen und behördlichen Anforderungen zu verwalten. Ein Records-Management-System bietet auch Prüfpfade und Berichtsfunktionen, um sicherzustellen, dass das Unternehmen die Einhaltung dieser Anforderungen nachweisen kann.

Darüber hinaus kann ein ECM-System Unternehmen dabei helfen, die Einhaltung von Branchenstandards und bewährten Verfahren wie ISO 9001 und ISO 27001 nachzuweisen. Diese Normen verlangen von Unternehmen, dass sie robuste Informationsmanagementsysteme implementieren und die Einhaltung der einschlägigen Gesetze und Vorschriften nachweisen.

Ein weiteres Plus für die Sicherheit sind Funktionen für Zugriffskontrollen, Authentifizierung und Verschlüsselung sowie Überwachungs- und Protokollierungsfunktionen zur Erkennung von und Reaktion auf Sicherheitsvorfälle. So ermöglicht beispielsweise ein rollenbasiertes Zugriffsmanagements, dass nur befugte Mitarbeitende auf sensible Informationen zugreifen und diese ändern können.

Ganz ähnlich sieht es aus beim Einsatz intelligenter Automatisierungslösungen und Robotic Process Automation (RPA) aus. Durch diese Tools wird die Zahl der Mitarbeitenden, die Zugriff auf sensible Daten benötigen, deutlich reduziert. So können beispielsweise Softwareroboter das Übertragen von Kundendaten von einem System ins ein anderes übernehmen.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Enterprise Content Management zahlreiche Vorteile bietet, darunter eine verbesserte Zusammenarbeit, optimierte Arbeitsabläufe, erhöhte Datensicherheit, Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und gesteigerte Produktivität. (bw)